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8 Wer antwortet?
Ja, ich habe sogar gelernt, zeitweise zu vergessen, daß ich vergessen habe, wie entsetzlich verlassen, plattgemacht, zerstört, hassend, eklig und unterdrückt ich mich gefühlt habe. Statt dessen hab ich geübt, mich kompetent, klug, schön und stark zu fühlen, vor allem, auch so zu erscheinen. Und ich habe geübt, selber zu den Unterdrückern zu gehören. "Ich bin königliche Majestät und Ihr seid Untertanen". Nie mehr Opfer sein, um alles in der Welt nicht!
Ein anderer hat, gerade entgegengesetzt, dieses Opferding kultiviert. "Ich bin klein mein Herz ist rein, darum sollst du tun was ich will" klingt es da - Gewalt, auch der Ohnmächtigen; eingeschnürt ins stahlharte Korsett ihrer Hörigkeit an Geschichten machen beide sich ihren Platz. Und den Umstehenden geht bei beiden Varianten innerlich und unbewußt das Nackenhaar hoch. Es gibt so viele Varianten wie Menschen, über 6 Milliarden.
Diese Mischung aus Schmerz, Angst, Wut, Haß, Ekel, Eigensinn und Lüge darf ich natürlich nicht zeigen; 'edel sei der Mensch, hilfreich und gut', meint der Dichter. Zusätzlich, im Höheren Selbst, weiß ich es ja, wie sich rechtschaffenes Leben lebt. Deshalb erscheint diese andere Ebene von Verhalten notwendig, die Maske. Ich zeige z.B. statt meines Jähzorns 'freundliche Geduld', statt Haß 'höfliche Nettigkeit', die gefletschten Zähne umgebe ich mit einem 'offenen Lachen', statt meiner Angst vor Kontakt werde ich 'ganz der liebevolle Papa'.
Wenn wir erkennen, daß wir mit unserer Umgebung in Konflikt geraten könnten, weil wir unserem Niederen Selbst nachgeben, sind wir vielleicht dennoch nicht bereit, die Folgen zu tragen, den Preis dafür zu zahlen. Auf diese Art kreiert das Unbewußte diese andere Schicht, die des Masken-Selbst, die unwahr ist und weder der ewigen Realität des Höheren Selbst noch der zeitlich begrenzten Realität des Niederen Selbst entspricht. Man könnte sie einen 'Schwindel' nennen, sie ist gestellt und irreal. Eben: Maske. "Das Gegenteil von gut ist gut gemeint", "Kunst, gut gemeint, ist Kitsch". Genauso die Maske, kitschig, lügenhaft, ein ekliger Geruch liegt im Raum. So mag die Volksweisheit entstanden sein, die ich im Schwarzwald hörte "Gutmütigkeit ist die Schwester der Liederlichkeit". Dieser Satz mißbilligt den schlampigen Umgang mit sich selbst. Gutmütig folge ich dem Weg des geringsten Widerstands und werde damit weder mir noch dem Fordernden gerecht; letzlich sind alle Beteiligten unzufrieden.
Zum Beispiel befiehlt das Niedere Selbst, rücksichtslos hier einem egoistischen Wunsch zu folgen. Es ist auch für minder intelligente Menschen klar, daß diesem Begehren nachzugeben, Kritik, Zurückweisung und Mißfallen durch andere bedeutet. Das will keiner. Statt den Egoismus in einem langsamen, liebevollen Entwicklungsprozeß zu überwinden, beschließen wir, so zu handeln, als wären wir selbstlos, bleiben aber tatsächlich das Gegenteil. Wir fühlen es! Wir hassen es, dazu gebracht zu werden, gegen die Wünsche unseres Niederen Selbst zu handeln. Doch wir fühlen uns verpflichtet, nicht unserer niederen Natur entsprechend zu handeln. Aber wenigstens in diesem einen Punkt überwiegt sie noch. Und wir hassen es, dazu gebracht zu werden, gegen die Wünsche unseres Höheren Selbst zu handeln. Das Nachgeben und der Edelmut sind lediglich Täuschung, nicht vereint mit dem Fühlen.
Anders ausgedrückt: Das richtige Handeln wird absolut nicht durch entsprechend lauteres Fühlen unterstützt, was mich deshalb mit mir im Streit liegen läßt. Statt meine Handlung frei zu wählen, wird die richtige Tat zu einem Akt der äußeren Notwendigkeit. Der Preis steht noch aus. Denn es kann sein, daß ich etwas gebe, obwohl ich nicht will. Und ich bleibe nicht nur so egoistisch wie eh und je meiner inneren Überzeugung wegen, sondern bin obendrein meiner tiefsten Natur untreu. Ich vergewaltige also doppelt meine Realität, ich lebe eine Lüge. Ja, ich gründe alle meine Beziehungen zu mir, zu den Menschen um mich herum auf Lügen.
Bei Workshops zu Niederes Selbst und Maske war es eindrucksvoll, wie viele dieser klugen Menschen, teilweise schon seit Jahren in der Pfadarbeit geübt, immer wieder darauf bestanden, sie verstünden nicht, was sie da in diesem Workshop tun, sie machten wohl alles falsch. Sich Maske oder Niederes Selbst bewußt zu machen, ist eine Höllenarbeit. Am Lack der Maske zu kratzen ist peinlich. Denn unmittelbar treten die sperrigen Teile des Niederen Selbst in die Erkenntnis. Das ist noch viel peinlicher und nicht nur das, die lange vor mir verborgenen schwarzen Gefühle und Gedanken treten auch mit ihren Kräften ins Bewußtsein. Angst, Stolz und Eigensinn, das Dreierpack, die explodieren geradezu.
So ist mal die Maske entstanden: Irgendwann kam ich durch das Verhalten eines Menschen, gewöhnlich ein Zentralsozialpartner, Mama, Papa, auf die Idee, die sich dann zum Glaubenssatz verfestigt hat, ich sei verletzlich, sei nicht liebenswert, sei so jedenfalls unannehmbar für meine Leute, weil meine Identität nicht der ihren entsprach, weil sie mich zwar herzlich als Gast begrüßt haben - aber nur unter ihren Bedingungen.
Und dann hab ich einen Vorhang zugezogen, in der Art, wie es mir diese Zentralsozialpartner vorgemacht hatten, einen Vorhang aus Nettigkeit, aus Kontrolle, aus Unnahbarkeit. Ich habe mich mit ihnen identifiziert. Später hab ich gemerkt, daß das noch nicht reicht, also hab ich zur Nettigkeit noch Unterwürfigkeit gepackt, habe mich in Besänftigung und Selbstverleugnung geübt. Zusätzlich zur Kontrolle hab ich gelernt: Aggressivität und Herrschsucht. Und zur Unnahbarkeit noch Gleichgültigkeit und zynische Distanzierung.
Die Maske ist immer eine Verzerrung der echten Eigenschaften des Höheren Selbst. Wir zehren von unseren eigentlichen Stärken - Gelassenheit, Macht, Liebe - um Imitationen zu fabrizieren, die andere von der vermuteten Verletzlichkeit des Höheren Selbst fernhalten sollen.
Die Angst verzerrt echte Liebesfähigkeit zu Unterwürfigkeit und Abhängigkeit (Maske der Liebe). Der Eigensinn verdreht die wahre Macht zu Aggression und Kontrolle (Maske der Macht). Der Stolz entstellt Gelassenheit zu Distanz und Rückzug (Maske der Gelassenheit). Angst, Eigensinn und Stolz treten immer im Dreierpack auf.
Da sich das Maskenverhalten unangenehm anfühlt, gehen ihm die Anderen aus dem Wege. Die Ablehnung der Maske verlangt nun, deshalb, nach einer noch vollkommeneren Maske, um den Schmerz der Zurückweisung zu vermeiden. Ein Teufelskreis. Die Maske ruft genau die Ablehnung hervor, die ich am meisten fürchte, wodurch die Glaubensgeschichten über die ursprünglichen Verletzungen des Anfangs immer wieder neu inszeniert werden, solange, bis ich mich zur Auflösung, zum Loslassen solcher Glaubenssätze hinführe - unergründliche Selbstheilungskraft des Organismus, Liebe des Universums zu sich selber.
Die Maske versagt zwangsläufig und ruft mehr Elend hervor als sie verhindern sollte, weil sie auf der Fehlannahme beruht, wir könnten die Unvollkommenheiten, Enttäuschungen und Zurückweisungen vermeiden, die für uns Menschen hier auf Erden typisch sind. Akzeptieren wir deren Existenz und lassen wir die menschlichen Schmerzen, Mängel und Kämpfe gefühlsmäßig zu, so lockern wir die Bindung an die Maske.
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