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5 Absichten
Ich habe lange gebraucht zu merken, daß es bei der Untersuchung meiner Vorstellungen und Überzeugungen auch notwendig ist zu unterscheiden:
- Was sind dabei meine Angelegenheiten,
- was sind Deine Angelegenheiten,
- was sind die Angelegenheiten der Natur oder Gottes
(wie immer Du ES, Dein Oberstes Ganzes nennst)?
Ich bin, was mich angeht. Die Anderen sind, was sie angeht. Mische ich mich ein in Deine oder Gottes Angelegenheiten, bin ich außer mir, nämlich bei Dir oder sonstwo, jedenfalls nicht bei mir; wer kümmert sich dann solange um meine Angelegenheiten. Dann ist das Kampf gegen die Realität - hoffnungslos.
Fange ich an, mich mit der Realität zu streiten, versuche ich die Wirklichkeit zu verändern oder vor ihr zu flüchten, dann verliere ich, immer. Denn, es ist wie es ist - bis es anders ist! Dunkle Tiefe meines Unwissens.
Meine Angelegenheit ist es, Klarheit, Zufriedenheit, Frieden in meinem Leben zu finden. Mittelpunkt meines Lebens ist nur mein Leben und nur in diesem Moment, banal, aber technisch und psychisch, es geht nicht anders; ich wäre sonst 'außer mir'. Trotzdem, wichtig, mich immer wieder daran zu erinnern. Die Angelegenheiten in der Vergangenheit sind unabänderlich geschehen. Auch kann ich mich nicht wirklich einmischen in Deine Angelegenheiten, banal, aber es geht nicht anders. Sollte ich trotzdem mich oder Dich das glauben machen, würde das Dich oder mich verrückt machen, aus der lebendigen Ordnung verrücken. So einer ist 'außer sich', 'neben der Kappe'.
"Aber man muß doch Rücksicht nehmen" höre ich dann. Ja, Mitgefühl, ja, liebevolles Entgegenkommen, auch da, wo ich merke, mein Gegenüber steckt in irgendwas drin und ich kann nicht so ganz die Sinnhaftigkeit seines Begehrs verstehen. Das ist für mich nicht Rücksichtnahme. Rücksichtnahme ist eine von den alten Identifikationen, eine von den gelernten Gewohnheiten - das sind die Töchter Lots, die zurückblickend auf ihre Stadt zur Salzsäule erstarren. Das ist die Angst vor Mamas Migräne oder ihrem Asthmaanfall. Diese Angst habe ich, scheint mir, schon als Sechsjähriger abgelegt. Solche Rücksichtnahme ist sinnlos, hoffnungslos, lebensfeindlich. Sie läßt zur Salzsälule erstarren.
Einmischen in die Angelegenheiten anderer ist zu unterscheiden von der Verbindung zwischen allem Lebendigen, Resonanz der Wellenpakete. Wenn diese Verbindung beladen wird mit dem Verantwortungsding zur vorsorglichen Vermeidung von Schuld und Scham, dem vorauseilenden Gehorsam für die herrschenden Regeln, dann erst entsteht das schmerzhafte Einmischen.
Klar ist Angelegenheit so definiert, "Sache, die mich angeht". Ich bin, was mich angeht, die Anderen, was sie angeht. Aber ist es doch nicht so einfach? Wem ist daran gelegen? Wessen Anliegen ist es? Wem liegt es am Herzen? Das können ja mehrere Menschen sein. Wenn ich nicht locker lassen kann, liegt mir natürlich auch die fremde Angelegenheit am Herzen, aber dann ist es schon meine, mein Anliegen.
Ich bin der Mittelpunkt des Universums (kein Hochmut, sondern schlichte Geometrie: "im Unendlichen ist jeder Punkt der Mittelpunkt"). Dies Mittelpunkt-Sein folgt auch daraus, daß nur ich und nur mit meinen Augen und Ohren, meinem Denken, nur aus mir heraus und in die Welt nur hineinsehen kann, sie wahrnehme (für die Wahrheit nehme, nämlich meine). Alle Informationen von außen werden erst mein Wissen, wenn ich sie denkend in meine Wahrheit eingebaut habe. Aus meinen Informationen wird mein Wissen, wenn ich die Informationen in den Erfahrungskontext meines Systems eingebettet habe.
Und ich liebe Schönheit und Ordnung in diesem, meinem Universum. Es gibt meinen Sinn für Ästhetik und meinen Sinn für Nützlichkeit, die mich in jedem Moment leiten. Also ist für mich dieses "was mich/die anderen angeht" durchlässig (früher hab ich oft Menschen, die im Streß standen, eine "Sitzung auf's Auge gedrückt", meint, sie in einen psychotherapeutisch motivierten Dialog gezogen habe, damit sie wieder klarer ins Wetter gucken; Übergriff oder aber Schönheit herstellen in meinem Universum?).
Wenn man es aber streng nimmt, ist eigentlich dann entweder das Kümmern meine Angelegenheit und nicht die Sache um die es geht, oder aber ich bin anderweitig hineinverstrickt, so daß diese Sache eben auch - genauso wie die des anderen - meine eigene Angelegenheit ist und da darf, kann oder sollte, je nach dem, ich mich auch darum kümmern, oder?
Beim sich kümmern kann ich leicht zum Kümmerling werden. Gar nicht angenehm. "Ist das Kümmern meine Angelegenheit oder ist es die Sache, um die es geht", das ist für mich der Prüfstein. Mische ich mich ein wegen meiner Angst, Wut, Streß, Scham- oder Schuldgefühle, die dann als Projektionen auf dem Kümmer-Opfer landeten ("Du mußt .../ darfst aber doch nicht ...")? Oder liebe ich mich = dieses mein Universum, so wie ich bin/es ist, und mache mir darin etwas mehr Schönheit und Ordnung ("ich will meinetwegen und für mich, daß Du jetzt ...)? Und dies "meinetwegen" umfaßt auch meine Bedürftigkeiten, meine Abhängigkeiten und mein Betteln um Liebe, Anerkennung, Wertschätzung. Denn "ich liebe mich so wie ich bin" meint nicht nur meine angeblich tollen Seiten. Wenn ich mich auch als Macher aufspiele - das Leben lebt sich und mich mittendrinne.
Die Wortspielerei noch weitergetrieben: "Wessen Herz liegt die Gelegenheit am nächsten an?" In der "An-Gelegenheit" steckt doch auch die Gelegenheit - die Möglichkeit - drin!
So gefragt kommen ich und mein Gegenüber in dieser zweiseitigen (meine und Deine Sicht) Angelegenheit zu einem freien Austausch: Wem liegt es mehr am Herzen? Tja, der kriegt dann diesmal den Zuschlag "Na gut, dann mach es so wie Du willst" - mal der eine, mal der andere. Ohne dieses schreckliche Sich-Darüber-Stülpen, diese pädagogische Krankheit "ich weiß am Besten, was für Dich gut ist", die den Gegenüber unmündig macht, entehrt, erniedrigt, zum "Kind" macht, dem "Zögling" die Erziehungsleine um den Hals würgt[1].
Was ist meins, was deins, da geht es um Grenzverletzungen. In den Minuten des Konflikts ("Du solltest jetzt aber sofort ...") läßt mich meine Gedanken-Untersuchung im Gegenüber den Spiegel erkennen. Ich kann dann dem alten Drachen, der in meinen Kellern faucht, einen freundlichen Blick zuwerfen, vielleicht sogar, ihm einen Platz in meinem Herzen anbieten ("Ja, du Drache bist ein Teil von mir! Ich lade Dich ein in die Wärme und das helle Bewußtsein meines Herzen. Danke, daß ich mir mein Lehrer sein will!").
Dasselbe finde ich auch in dem Buch der Christen: "Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst" (im Urtext: "... als dein Selbst"!). Es geht da gar nicht um Nächstenliebe, nicht um Sozialverträglichkeit (das wäre Ziel von Herrschaft und Unterdrückung). Es geht um Selbsterkenntnis und dadurch um Schönheit und Ordnung im Universum, jedem Universum! Meinem, Deinem, Unserem! So recht deutlich ist mir das bei einer Reise nach Japan geworden. Hier, bei uns hat "Liebe Deinen Nächsten" zum Straftatbestand der unterlassenen Hilfeleistung geführt, Täterschaft durch Unterlassen[2]. Dort, in Japan verlöre der ungebetene Helfer sein Gesicht; gerade durch das unbeauftragte Helfen lüde er Schuld auf sich und er entehrt zugleich den Geholfenen.