Selbsterkenntnis und Eigensinn


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7.12 Inneres Kind

7 Wo und was ist Ich?


Zu
Höherem Selbst, Niederem Selbst mit Maske, diesem Dreigespann tritt noch ein vierter Aspekt, das Innere Kind. Das sind alle diese frühen Verhaltensweisen vor dem Bau des Charakterpanzers, auf die ich stoße, wenn ich den Panzer wieder durchlässig werden lasse. Da man solche Arbeit eben meist als Erwachsener anfängt und dabei besonders auf Kindheitserinnerungen stößt, wurde diese frühe innere Schicht mit "Kind" assoziiert.

Das hat nichts mit "Kind" im Alltags-Wortsinn zu tun. Denn es handelt sich um die ganze Spannweite von Menschlichkeit - wir sind als vollwertige Menschen geboren! Das sind die Impulse seit meiner Anfangszeit als Einkörperung, 'ich' noch unverstellt in meinen ersten drei bis fünf Lebensjahren: liebebedürftig, verspielt, trotzig, sehnsuchtsvoll, verschreckt, voll Mitgefühl, sprachlos, ängstlich, lustvoll, kreativ, es können auch die Impulse der Intuition sein, zeitlos, neugierig, 'verantwortungslos' aus Erzogenensicht. Dieses Kind ist ohne Pathos. Es spielt nicht mit bei den Regeln der gesellschaftlichen Tauschsysteme. Man kann mit ihm spielen, nur vormachen kann man ihm nichts, nie. Es durchschaut alle Fassaden der Erwachsenen. Denn es ist noch nicht angekränkelt von dem gedanklichen LAW-Virus, dem Gieren nach
Liebe, Anerkennung, Wertschätzung, nach den Attributen vom Außen. Es lebt noch in der eigenen Identität und ist nicht erstarrt in der Identifikation mit den Anderen.

Inneres Kind wirbelt zwischen diesem Dreigespann herum und sagt "Guck mal" oder "Will aber" oder "Mach doch". Inneres Kind bringt neue Einfälle, die das Niedere Selbst zum Rasen oder die Maske zum Entgleisen oder das Höhere Selbst in lächelnde Aktion bringen. Ich stelle mir das vor wie den Cupido, die Weltenkraft Eros, der die anderen Weltenkräfte Sexus und Liebe ins Schwingen und zur Dauer bringt. Von der nahm Platon an, dass gerade der Dämon Eros die Reflexion des Höchsten gut beflügeln kann. Nur diese dämonische Kraft vermag, das Begehren stufenweise ins Metaphysische zu leiten: hin zur Reflexion der Idee, und hier verbindet sie sich mit der Erfahrung des Schönen. [1]

Will ich meine Ganzheit in meine Bewußtheit runden, dann muß unabdingbar das
Innere Kind mitwirken. Das hilft mir, die Leichtigkeit meines Seins zu erfahren und zu leben, hilft mir, die Schwere von Schatten und Forderungen auszubalancieren, hilft mir, damit selbstvergessen im Hier und Jetzt zu spielen, hilft mir, ohne Schuldzuweisung oder Selbstmitleid, ohne Urteil, beherzt und mitfühlend durch meine Hochs und Tiefs zu leben, hilft mir, ohne Mitleid aber mitfühlend Dich durch Deine Hochs und Tiefs zu begleiten.

Was können wir tun für unser
Inneres Kind ? "Die äußere Freiheit der vielen lebt von der inneren Freiheit der Einzelnen" (Th. Heuss). Wir können umlernen. Wir können aus der angelernten Isolation heraustreten. Wir können uns äußern. Wir können Mitgefühl wieder zulassen - meines für mich und Dich, Deines für Dich und mich. In der Fremdheit des Gegenüber kann ich mich selber wieder erkennen. Dann können mein Inneres Kind und Dein Inneres Kind wieder Freundschaft miteinander schließen.

Als besonders hilfreich empfinde ich, mich mit einem Netzwerk von Menschen verbunden zu halten, die ihr
Inneres Kind ebenfalls schon weiter in ihre Bewußtheit genommen haben. So können wir uns unterstützen. Dazu vermeide ich möglichst jeden Kontakt mit Menschen, die fest in ihrer alten, autoritären, gar frauenfeindlichen Erziehung stehen geblieben sind.

Solch häufig zu hörenden Sprüche wie 'mir haben die Prügel auch nicht geschadet' veranlassen mich, alsbald solche Gesellschaft, zumindest innerlich, zu verlassen. Früher habe ich versucht, solche Menschen aufzuklären, zu bekehren - hoffnungslos, Kampf mit der Realität. Die Autoritären haben Angst vor Freiheit. Vor Autorität kuschen sie. Also brülle ich sie nieder - bestenfalls - wenn ich meinen sozialen Tag habe.



  • [1] Aufsätze Frau Prof. Dr. Sabine Bobert - Reden vom "schönsten unter den unsterblichen Göttern" - Zur erotischen Inkulturation des Christentums. Als PDF hier: http://www.uni-kiel.de/fak/theol/personen/bobert/bobert_homepage_ pdf/erotiklong.PDF



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