Selbsterkenntnis und Eigensinn


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11.6 Das Hosianna-Projekt

11 Was soll das alles?


Sich einrichten oder loslassen, rechthaben oder leben, Regeln oder Chaos, Welle oder Teilchen, Licht oder Dunkel? All dies sind meine Wahnheiten, meine Attribute, die ich mir gegeben habe für die virtuelle Welt der Regeln und Überzeugungen, in der ich lebe. Ich bin der virtuelle Künstler, der mich, sein virtuelles Kunstwerk, gestaltet. Wie will ich mich entscheiden, in jeder Sekunde neu? Was ich wohl als nächstes tue?

Es wird immer spannender, den Verquickungen zwischen Gedanken und Leben nachzuspüren. Es ist merkwürdig, erlebend zu erkennen, wie die äußere Welt sich aufbaut aus
meinen Glaubenssätzen. Damit erschaffe ich das, woran ich glaube und dann spiegelt mir die Welt meine Glaubenssätze - und dann fühle ich mich bzw. mein Verstand sich bestätigt, daß er Recht hat und schon immer hatte. Blödes Spiel! Diese zirkelhafte Unumgänglichkeit, wie ich das bei Depressiven öfter kennengelernt hatte, das war mir in anderen Feldern und bei mir selber noch nie so aufgefallen. Unklar ist mir noch, wo ist die Grenze zwischen Geglaubter Welt und der harten Tischkante, an der ich mir einen blauen Fleck hole. Oder ist der schmerzhafte Stoß und der anschließende blaue Fleck auch nur Ausdruck meiner Erwartung? - Die Objektivität ist nichts als eine Bewußtseinsstörung.

Reich muss man nicht sein, um bewußt leben zu können. Aber den Kopf frei haben von existenzieller Angst, das ist schon sehr schön. Und sich abgrenzen? Die Annahme, man agiere primär, um ein gutes Gewissen zu bekommen, kann ich auch nicht bestätigen. Erstens geht es nicht um das Gewissen. Zweitens wächst mit der eigenen Entwicklung die Erkenntnis, dass es viel mehr zu tun gibt. Und die Lust darauf, es auszuprobieren.

Man kann so auch kreativ Neues erfinden. Neulich war ich wegen Husten und Schnupfen schon gegen 22h schlafen gegangen. Um 1h lag ich immer noch frierend und hustend wach herum, im Kopf nur Krauses, endlose Streit-Dialoge z.B. mit einem ehemaligen Vorgesetzten, lange her, mit einem Unfallgegner in Straßenverkehr, erst kürzlich geschehen. Ich hatte schließlich das Bild, daß ich mein Denken unmittelbar zum Kreislauf mit meinen eisigen Füßen verbunden hatte. Dann fiel mir ein "lieben-was-ist" - ich könnte doch, anstatt zu hadern, für alles, was mir in den Kopf kommt, einen Lobpreis sprechen. - Hosianna! Die Wirkung war durchschlagend: Das Dialogisieren verschwand sofort, die krausen Bilder machten einer weiten Ebene Platz, an deren Ende, weit hinten am Horizont ein großes Schild stand "Hosianna"; es erfüllte mich rundherum Wohlgefühl. Gegen 2h fiel mir sogar noch ein, daß ich unter die kalten Füße eine Wärmflasche legen kann. Danach war ich dann auch schnell eingeschlafen.

Ich habe zwei Sachen daraus gelernt:
- Der Kopf will Futter, ich gebe ihm, immer. Was, das ist
meine Entscheidung! Entscheidung, nicht Schicksal. Hier war das z.B., zu allem, was jetzt passiert, mit Gefühl und in der rechten Absicht Hosianna zu denken. Diese rechte Absicht wirkte in jener Nacht regelrecht euphorisierend; ich kann das gar nicht beschreiben. Eine Ahnung von Mini-Satori.
- Nicht einschlafen zu können muß nicht etwas Besonderes sein. Bei Schüttelfrost und kalten Füßen ist einzuschlafen für mich anscheinend nicht angesagt. Und ich muß mir das Nichteinschlafen nicht zum Vorwurf machen. Aber zum Einschlafen warme Füße kann ich mir machen.

Das ist ja das Nette an the work: Man kann die Gedanken noch und noch untersuchen, manchmal hilft schneller ein praktischer Blick ins Leben und dann eine kleine Handreichung. Doch, könnte mein Blick überhaupt fallen auf die angemessene Handreichung, ohne daß ich die begleitenden Gedanken untersucht hätte?

Anders gewendet: Zwar scheint mir bis jetzt, zu solchem euphorisierenden Mini-Satori gehörte wohl Fieber dazu. Es ist für mich jedenfalls in der Intensität bisher nicht reproduzierbar. Jedoch will ich es jederzeit mir empfehlen, weil es einfach netter ist, (möglicherweise vergeblich?) einer Situation Hosianna zu singen als mit ihr (bestimmt vergeblich!) zu hadern und mit den phantasierten Beteiligten, aber ja leider nie Anwesenden, zu streiten. Nicht einmal folgenlos zu streiten, denn dadurch füttere ich ja meine Streit-Erinnerungen mit Streit-Energie.

Es ist so ähnlich wie 1978 bei der Erfindung von Freundschaft Mit Kindern, als ich gemerkt hatte, wir haben alle als Erzogenen dieses "falsch-beachten"-Ding drauf, Fehler rot unterstreichen. "There is nothing outside the text." Alles in meinem Kopf ist
mein Text. Ich kann mich genauso für das "richtig-beachten"-Ding entscheiden, das Gelungene grün unterstreichen. Und sofort ändert sich die Welt unter meinen Füßen und vor meinen Augen. Meint, ich könnte es mit dem Schöpfungsbericht halten: Das zuvorkommende Urteil des Schöpfers "siehe, es war sehr gut", das widerstreitet dem Unternehmen, die grundlegende Güte und Akzeptanz des Lebens von Bedingungen abhängig zu machen.

Das sind Bedingungen, so, wie sie die Erzieher stellen "du wirst erst zum vollwertigen Mensch durch meine Erziehung!" und so, wie wir, die Erzogenen, sie als Filter vor jede Wahrnehmung setzen "wo ist das Falsche? Wo muß ich mich, mein Tun, die Situation verbessern?". Nein, ich kann alles als richtig, als gelungen achten: ich, mein Tun, die Situation ist perfekt, "siehe, es ist sehr gut", wenn ich auch nicht begreife warum und wieso. Warum sollte ich begreifen? Das Universum ist unendlich und die Fülle des Lebens ist unwißbar unermeßlich. Das Leben lebt sich und mich mittendrinne. Ich kann meinem inneren Antrieb trauen und Ja sagen, kann ohne den Versuch zu verstehen so handeln als verstünde ich.

Noch einmal aus einer anderen Sicht. Ich hatte oben ein paar meiner Glaubenssätze dargestellt "Ich liebe mich so wie ich bin", "Jeder tut zu jederzeit sein Bestes ...". Ich habe auch, getreu dem gewohnten "falsch-beachten"-Ding ausführlich dargestellt, was das alles
nicht heißen soll. Hier jetzt schürzt sich zum Knoten, was es tatsächlich heißen kann, nämlich "Hosianna". Ich, mich liebend so wie ich bin, tue zu jederzeit mein Bestes. Was kann das anderes bewirken, als daß ich alles liebe, was ist - Hosianna!

So bekommt das Augustinus-Wort einen neue Geschmack für mich "Crede firmiter - pecca fortiter" "Standhaft trau dich - sündige unerschrocken!". - "Wasser holen, Reis kochen" -. Sich als Macher meines Lebens gebärden und dennoch
wissen, das Leben lebt sich. Ich bin, was mich angeht. Die Anderen sind, was sie angeht. Mische ich mich ein in Deine oder Gottes Angelegenheiten, dann bin ich außer mir, nämlich bei Dir oder sonstwo, jedenfalls nicht bei mir. Wer kümmert sich solange um meine Angelegenheiten? Dann ist das Kampf gegen die Realität - hoffnungslos, gelernte Hilflosigkeit. Ich und alles um mich herum tut jederzeit sein Bestes für sich, Hosianna! Denn das Leben lebt sich in allem und jedem, Hosianna.

Dennoch, das ist meine Bedingung, unter der ich, zumindest zur Zeit, angetreten bin in dieser Welt der Virtualitäten und Wahnheiten, ich bin Körper und so habe ich mich trainiert, mir dauernd von meinem Verstand, in meinem präsentativen System, Handlungen anzuweisen, von denen ich oft direkt oder leise in meinem Herzen weiß, daß sie falsch sind.

Dennoch sage ich unerschrocken, mitfühlend und beherzt
Ja dazu, wenn diese Handlungen mir in diesem Moment überlebenswichtig erscheinen, aus meinen derzeitigen Informationen notwendig für mein biologisches oder mein soziales Überleben in dieser Welt der Virtualitäten und Wahnheiten. Das trennt Welten von einer Haltung, die das eigene Falsche zum Richtigen umdefiniert: "Widerspruch ist nicht nötig, denn ich bin ja nicht beteiligt." Oder: "Der Andere ist Schuld, ich habe Recht." Ich kann nun das Falsche bei vollem Bewußtsein tun und brauche es nicht als das Richtige zu verbrämen. Keine Selbstzensur, das Wahrnehmen, Empfinden und Erkennen nicht umdefinieren, sondern mit Bewußtsein klarmachen: "Ich müßte widersprechen, aber ich halte die Klappe, weil ich sonst Schaden befürchte. Aber: Ich glaube, es ist falsch. Wer könnte es wirklich wissen? Hier stehe ich, ich will nicht anders, Hosianna!"

Mit diesem Hosianna verstehe ich das Modell der Huna-Leute ganz neu. Ich bin dieser materielle Körper aus Organen, Zellen, Molekülen, Atomen. Atome sind zu 99 Prozent Leere.
Ich bin dieser Verstand, vier Millimeter Großhirnrinde als Teil des Körpers. Und die 99 Prozent Leere sind durchdrungen vom Oberen Selbst; das ist die Bewußtheit meiner Wellennatur, die auf dem Quantenmeer schwimmt. Hahnemann fand, es gibt keine Krankheiten, nur Verstimmtheit der Lebenskraft, die sich äußert in Symptomen an Körper, Verhalten und Gemüt des Kranken, und es gibt Arzneien, die ähnliche Symptome erzeugen und dadurch diese Verstimmtheit heilen. Allein der Körper, Unihipili, kann mit Aumakua, der energetischen Wellenfunktion des Organismus kommunizieren. Das Wachbewußtsein, Uhane kann die inneren und die äußeren Welten verbinden.

Ken Wilber beschreibt das etwas anders:
"... Ich widmete mich sehr intensiv den Dzogchen-Übungen, die ich in Kanada von Pema Norbu Rinpoche bekommen hatte. Dzogchen ist im Grunde von radikaler Einfachheit und stimmt überein mit den höchsten Lehren der großen Weisheitstraditionen, insbesondere mit dem Vedanta und dem Ch'an (das heißt, dem Zen in seiner frühen chinesischen Entwicklungsphase). In aller Kürze:

Wenn "Geist" überhaupt einen Sinn haben soll, dann muß er allgegenwärtig, alldurchdringend und allumfassend sein. Es kann keinen Ort geben, wo der Geist nicht ist, sonst wäre er nicht grenzenlos. Deshalb ist der Geist auch eben hier und eben jetzt Ihrem Bewußtsein vollkommen gegenwärtig. Das heißt: Ihr augenblicklicher Bewußtseinszustand, wie er gerade ist und ohne daß Sie irgend etwas daran ändern müßten, ist in seiner Gesamtheit vollkommen vom Geist durchdrungen.

Es ist aber nicht so, daß der Geist zwar gegenwärtig ist, Sie jedoch erleuchtet sein müßten, um ihn sehen zu können. Es ist nicht so, daß Sie zwar eins sind mit dem Geist, es aber noch nicht wissen. Das würde ja bedeuten, daß es doch noch einen Ort gibt, wo der Geist nicht ist. Nein, Dzogchen sagt, daß Sie immer schon eins sind mit dem Geist und das Gewahrsein dessen immer schon ganz gegenwärtig ist, eben jetzt. Sie schauen in jedem Wahrnehmungsaugenblick mit dem Geist den Geist an. Einen Ort, wo der Geist nicht wäre, gibt es nicht.

Es gibt auch keine Zeit, in der der Geist nicht wäre - der Geist ist ohne Anfang und Ende. Hätte er einen Anfang in der Zeit, dann wäre er nicht zeitlos und ewig. Das bedeutet für Ihr eigenes Bewußtsein, daß Sie Erleuchtung nicht erlangen können, sonst hätte dieser Bewußtseinszustand ja einen Anfang in der Zeit und wäre nicht wahre Erleuchtung.

Dann müssen Geist und Erleuchtung etwas sein, das Ihnen eben jetzt vollkommen gegenwärtig ist. Sie sind das, was Sie jetzt gerade anschauen. Als ich diese Belehrung bekam, fielen mir die Suchbilder in der Sonntagsbeilage der Zeitung ein. Man sieht etwa eine Landschaft, und darunter steht: "Zwanzig berühmte Gesichter verbergen sich in dieser Landschaft. Sehen Sie sie?" Die Sache ist nun die, daß Sie die Gesichter beim Betrachten des Bildes bereits anschauen, ob Sie sie nun erkennen oder nicht. Sie schauen die Gesichter an und müssen dazu nicht noch zusätzlich etwas sehen. Sie sind da, Sie sehen sie, aber möglicherweise erkennen Sie sie nicht. Und wenn es Ihnen gar nicht gelingen will, sie auszumachen, dann muß nur jemand kommen und sie Ihnen schlicht und einfach zeigen.

So ist das wohl auch mit Geist und Erleuchtung, dachte ich. Wir schauen schon immer direkt den Geist an, wir erkennen ihn bloß nicht - oder besser: Wir erkennen ihn nicht wieder. Deshalb wird Meditation, mag sie auch für andere Zwecke nützlich sein, in den Dzogchen-Lehren nicht eigens empfohlen. Meditation ist ein Bemühen, um das Erkennen, das Gewahrsein zu ändern, und das ist ebenso unnötig wie gegenstandslos. Der Geist ist voll und ganz präsent in dem Bewußtseinszustand, den Sie jetzt gerade haben, nichts muß dazu geändert werden. Das Bemühen, etwas zu ändern, ist wie das Anmalen der Gesichter im Suchbild, anstatt sie einfach wiederzuerkennen.

Das eine, dessen wir uns immer schon bewußt sind ... ist die Bewußtheit selbst. Wir haben die grundlegende Bewußtheit schon, und zwar als die Fähigkeit zu betrachten und zu gewahren, was sich jeweils gerade bietet. Ein alter Zen-Meister sagte gern: "Du hörst die Vögel? Du siehst die Sonne? Wer ist nicht erleuchtet?" Niemand kann sich einen Zustand, in dem keine grundlegende Bewußtheit ist, auch nur vorstellen, denn wir wären uns darin immer noch dieses Vorstellens bewußt. Sogar im Traum ist noch Bewußtheit. Darüber hinaus sagen diese Traditionen, daß es keine zwei Arten von Bewußtheit gibt, erleuchtete und verblendete. Es gibt nur Bewußtheit. Und diese Bewußtheit, wie sie ist, ohne Korrektur oder Modifikation, ist der Geist.

Und die Anweisung lautet: Erkenne die Bewußtheit, erkenne den Zeugen, erkenne das Selbst und bleib dann. Der Versuch, Bewußtheit zu erlangen, ist völlig sinnlos. "Aber ich sehe den Geist immer noch nicht!" - "Du bist dir dessen bewußt, daß du den Geist nicht siehst, und eben diese Bewußtheit ist der Geist."

Man kann Achtsamkeit üben, denn es gibt Unachtsamkeit; aber man kann nicht Bewußtheit üben, denn es gibt nur Bewußtheit. Bei der Achtsamkeit achtet man auf den gegenwärtigen Augenblick. Man versucht, "jetzt hier zu sein". Aber reine Bewußtheit ist der gegenwärtige Bewußtseinszustand, bevor man irgend etwas zu unternehmen versucht. Das Bemühen, jetzt hier zu sein, setzt einen künftigen Augenblick voraus, in dem es erreicht sein wird; reine Bewußtheit jedoch ist dieser gegenwärtige Augenblick, bevor man sich um irgend etwas bemüht. Sie sind schon bewußt; Sie sind schon erleuchtet. Sie sind vielleicht nicht immer achtsam, aber Sie sind immer schon erleuchtet.

Es gibt nur das Selbst, es gibt nur Gott, oder wie Ramana Maharshi sagte:
Es gibt weder Schöpfung noch Zerstörung,
weder Schicksal noch freien Willen,
weder einen Pfad noch ein Erlangen;
das ist die endgültige Wahrheit. ..."

Soweit Ken Wilber - ich bin noch in meinem kleinen Hosianna-Projekt. Es ist vielleicht inzwischen leichter, zu entscheiden zwischen Teilchen- oder Wellenexistenz, auch wenn meine Verhaltensmuster und Grundüberzeugungen so hartnäckig und so lange gesellschaftlich tradiert sind. Mir fehlt immer noch die Vorstellungskraft, wie ich das, was in der mathematischen Abstraktion von Physikern anerkannt ist und von Mystikern als Erleben beschrieben wird, in der Alltagsebene für mich handgreiflich machen könnte. - Hosianna!

Das Wahre Gesicht erkennen ist leicht; es leben ist schwer. Ich mach mir einen tollen Film um 'Wirklichkeit', 'wahres Selbst'. Das klingt alles so überhöht - wo doch nur der eine Schritt in dieser Sekunde mein Leben ausmacht. Lars Brand, in der Biografie "Andenken" über seinen Vater Willy Brand zeigt ein anschauliches Bild.

Nicht Kummer oder Übermut hätten ihn zu diesem Buch angetrieben, nicht der Drang zu neuen Erklärungen oder zur Aufklärung. Ihm hätte der Sinn nach "Ornamenten" gestanden: "Mich treiben Muster ans Papier, die sich ihr Material aus der Wirklichkeit holen. Den Blick schärfen, ein paar Stücke verabsolutieren, die das Ornament vorgeben." Ornamente also, aber nicht im Sinn von Verzierung, nicht als Schmuck, sondern als Wirklichkeitsfundament; Ornamente in Form von Erinnerungen, Betrachtungen und Gedankensplittern, meist auf einer Buchseite, selten mal auf zwei, manchmal chronologisch, manchmal beliebig angeordnet, wonach der Sinn stand, wie die Erinnerung es vorgab; Ornamente, die sich in ihrer Gesamtheit zu einem Kunstwerk fügen sollen.

So fügt sich meine Lebenswirklichkeit aus Ornamenten, sekundenhaft bewußte Ereignisse, verbunden durch mein Hosianna zum Lied des Lebens. Das läßt mich gelassen zuschauen bei den hitzigen Debatten um die großen Fragen. Manch einer hält es für unattraktiv, wie der Westen mit seinem falschen Freiheitsbegriff seine Werte und Alltagsbindungen anknabbert. Kann schon sein, das mit dem Anknabbern. Nur ist es nicht auch so, daß das Leben im Westen deshalb als angenehm empfunden wird, weil es oft mit Wohlstand verbunden ist? Und ist es nicht weiter so, daß die Voraussetzung des Wohlstands, die Wertschöpfung, oft im Widerspruch zu Bindungen steht? Bei diesem lebensweltlichen Widerstreit zwischen Bindungen (Familie, Kinderkriegen) und wirtschaftlichen Notwendigkeiten (Flexibilisierung, Karrieredenken) haben konservative Denker ihre Hausaufgaben nicht recht gemacht; sie reden oft darüber hinweg. Alle anderen können sich überlegen, ob eine Attraktivität des Westens nicht gerade darin bestehen könnte, daß man mit solchen Widersprüchen umgehen lernt. Es kann kompliziert sein, so ein Leben, aber immerhin ist es das eigene.

Überhaupt stehen Kompliziertheiten und Ausdifferenzierungen vielleicht insgesamt zu Unrecht in einem schlechten Ruf. Zum Beispiel kann man es auch ganz attraktiv finden, wenn Wissenschaftler nur aus dem einzigen Grund forschen, daß sie Phänomene verstehen wollen, auch wenn sie die Konsequenzen ihrer Erkenntnisse nicht in ihr Weltbild nehmen mögen, auch wenn ihre Grundüberzeugungen nicht mit meinen übereinstimmen. Für Menschen, die von vornherein wissen, was Sache ist, und die deshalb zum Aktivismus drängen, mögen die Ergebnisse oft kontraproduktiv sein. Aber für Menschen, die glauben, daß man, um gesellschaftliche Mißstände zu beheben, nicht gleich die Kategorie der Wahrheit im Ganzen über Bord kippen muß, kann es doch ganz attraktiv sein, wenn Wissenschaft und gesellschaftliches Engagement auseinander gehalten werden. Wachrütteln kann prima sein. Aber attraktiv ist nur eine Gesellschaft, die prüft, ob zu Recht gerüttelt wird. Und 'Gesellschaft', das bin erstmal ich, Mittelpunkt des Universums - Hosianna!

Dabei ist es so einfach, weil ich nur die vier Sätze stets im Bewußtsein behalte, die doch eigentlich alle dasselbe sagen: Ich bin verantwortlich, immer. Ich bin der Autor, immer. Ich liebe und akzeptiere mich, immer. Dann kann ich nichts anderes tun als mein Bestes, immer. Und das gilt, alle vier Sätze, für alle Wesen in dieser Quantenwelt, immer!
- Hosianna!




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