Selbsterkenntnis und Eigensinn


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7.13 Welches Ich

7 Wo und was ist Ich?


Es gibt so viele Ideen von "Ich" und "Selbst". Auch hier hat jede Zeit und jede Region ihre Mythen, ihre Religionen, und hat mit ihren Wissenschaften immer wieder neue Modelle entwickelt. Diese Modelle sind nicht nur verschieden, sie werden auch oft völlig unterschiedlich interpretiert.

"Geist" ist für den Naturwissenschaftler Damasion nur ein Homunkulus, Kopfkino, offensichtlich nur ein anderes Wort für das schlichte "Ich-Bewußtsein". Dabei ist es doch so, daß sich das in allgemeine Achtsamkeit oder in Verbundenheit auflöst, wenn ich den Gedanken "Ich bin" (vgl. 7.6 Das Ich untersuchen) hinterfrage oder wenn ich meditierend mich aus diesem Zirkelschluß (vgl. 5.1 Befriedung) löse.

Eigentlich alle Modelle erweisen sich als Aufspaltungen, wenn ich mich ihnen mit meiner westlichen, analytischen Denkweise anzunähern versuche. So wird das schon den Kindern gezeigt. Als jüngstes Beispiel: das Buch von Helme Heine. "Die Schöpfung"
[1]. Der Text ist weit mehr als eine Adaption des Alten Testaments. Diese Genesis hört nämlich mit dem siebten Tag noch nicht auf. Der Schöpfung der Welt folgt die Schöpfung des Individuums, das drei Freunde hat: Kopf, Herz und Bauch. Und zu einer ehrlichen Schöpfung gehört natürlich auch ihr Ende, der Tod. Das ist der Tag, an dem die drei Freunde auseinander gehen. Und dann? Dann ist da immer noch Rosi Herz. Sie "kümmert sich um alle Herzen, die du in deinem Leben gesät hast - oder die nicht angekommen sind. Sie verteilt sie in deinem Namen, damit du nie vergessen wirst."

Nun, Kopf, Herz und Bauch sind hier Freunde, also nicht drei Instanzen von je höherer oder niederer Hierarchiestufe. Daran erinnerte ich mich, als ich von Ekkehard Zellmer "Der Seelenflüsterer"
[2] las. Er stellt die Huna-Vita-Lehre dar und benennt diese Freunde mit Oberem, Mittlerem und Unteren Selbst. Das Obere entspricht im Pathwork dem Höheren, dem göttlichen Funken. Das Mittlere meint vorwiegend den Verstand, das organisierende Großhirn. Da ist für mich dieses Zellmersche Huna-Modell sehr hilfreich und erhellend, viel plastischer und liebevoller, einfach lebensfroh. Mir ist beim Lesen nicht nur klar sondern regelrecht spürbar geworden, wie die Pseudo-Gefühle des Verstandes entstehen und wie sie das originale Fühlen aus dem Bauchhirn überdecken können. Auch die vortreffliche Kunst des Verstandes, ständig zu denken, wird im Zusammenhang mit den Programmierungen des Bauches verständlich als ein göttliches Geschenk und nicht etwa als Behinderung!

Wenn ich mir vor Augen halte, daß z.B. das Weltbild des Ptolmäus zur Erklärung und Berechnung der Planetenumläufe, der Sonnen- und Mondfinsternisse anderthalb Jahrtausende erfolgreich eingesetzt wurde, dann ist es auch naheliegend, daß die Vorstellung vom dreigliederigen Menschen seit Jahrtausenden nützlich sein konnte. Deshalb muß das nicht völlig stimmen. Was weiß ich heute über mich Menschen.

Erstmal bin ich ein Säugetier, im Kern von meinen nächsten Verwandten im Tierreich nur wenig unterscheidbar. Die Differenzen im Gensatz zwischen den Angehörigen einer Menschengruppe sind höher als die Differenzen der Gensätze zwischen Menschenrassen. Mit den Kleinen Bonobo-Schimpansen haben wir 99% und noch mit den Mäusen haben wir 60% der Gene gemeinsam. Ich, der Körper, das Untere Selbst, ist die Basis, an der alles hängt, von der alles ausgeht - Unihipili, die still dienende Seele.

Nur von dieser Basis aus ist es möglich, das Obere Selbst zu nähren, den Organismus willentlich so sehr energetisch zu laden und mit Vitalkraft zu durchströmen, daß die Schwingungsnatur dieses Organismus in das Bewußtsein des Mittleren Selbst treten kann. Da ist dann die Verbindung mit dem Ganzen, mit allem Schwingenden, unsere Quanten-Natur wahrnehmbar, mit der Existenz außerhalb von Zeit und Raum, von der uns die Mystiker berichten. Aumakua "Äußerst vertrauenswürdiger, völlig entwickelter Geist", der in der Gemeinschaft und Liebe der Großen Gesellschaft der Aumakua lebt. Und das wiederum paßt erstaunlich gut in das Bild, das eine für das Laienverständnis aufbereitete Kurzfassung der Einheitlichen Quantenfeldtheorie von Burkhard Heim zeichnet.

Die menschliche Entwicklung des Großhirns ist, stammesgeschichtlich, erst kürzlich entstanden. Der in Polaritäten analysierende Verstand und die funktional verbindende Vernunft sitzen nur in den 4 mm Großhirnrinde. Das ist nicht sehr viel, doch nützlich, um in der Welt noch überlebenstüchtiger zu sein. Und es ist dieses Großhirn, daß eine neue Qualität von Ich entwickelt hat, das Ich der Wörter. Und daraus, zusammen mit dem Zugang des Körpers zur Energie, die Macht der Wörter.

Aber der Körper hat auch alles gespeichert, was die beiden, Verstand und Vernunft, sich ausgedacht haben, was die sich mal vorgeworfen haben, wo die sich mal geirrt haben. Diese Speicherungen hindern den Körper, sich dem sogenannten 'höheren' Bewußtsein anzuschließen, sich zu öffnen für die Fülle und Schönheit rundherum, die Existenz als Wellenpaket zu genießen.

Die Welt entsteht im individuell neu Kopf
und die Erinnerungen an sie waren schon immer allgemein im Körper gespeichert. Es ist meine Haltung und mein Herangehen, was sich mir im Bewußtsein realisiert - und nur da bringe ich es in "Formulierungen" (Worte, Bilder). Dunkel oder Licht, Böse Geister, Engelwesen, das könnten erstmal meine unerlösten Körper-Gedanken sein. Meine Erwartungen im Reptilienhirn von fressen und gefressenwerden, im Säugetierhirn von genährt und getragen werden.

Damit bekommt die Frage nach dem Denken und Denken lassen, nach den Möglichkeiten von Beratung eine andere Dimension. Was tue ich hier, in dem ich meine Vorstellungen und Überlegungen darstelle? Was tut der Leser, indem er dies liest und sich mit meinem Text womöglich sogar auseinandersetzt?

Warum aber will man überhaupt beraten werden? Weil die Augen ihr eigenes Sehen nicht sehen können. Mit den Worten Niklas Luhmanns: Der Ratgeber ist eine Notwendigkeit der Selbsterkenntnis, nicht nur bei politischem (gesellschaftlichem) Handeln. Mit Hilfe fremder Augen gelangt man zu einer besseren Selbsterkenntnis, "insbesondere der Erkenntnis eigener Interessen" (Niklas Luhmann). Damit ist genauso der ursprüngliche personale Charakter der Situation des Ratgebens benannt. Aus ihr lassen sich alle weiteren Fragen und Probleme herleiten. Denn daß derjenige, der sich Beratung sucht, in der Regel auf der Seite seiner personalen Macht steht und der Ratgeber eben nicht, dürfte klar sein. Und es ist auch klar, daß es keine Verpflichtung von Seiten der Macht gibt, sich jeden Rat anzuhören, geschweige denn anzunehmen.

Über die ungelösten Probleme, wer und nach welchen Kriterien über die Auswahl der Berater entscheidet, gilt über die Politik hinaus, daß man sowieso nur dort beraten kann, wo auch nach Rat gefragt wird. Welcher Rat von wem eingeholt wird, unterliegt oft irrationalen Stimmungsschwankungen, die dann ähnliche irrationale Erklärungen hervorbringen.

Und immer noch raten wir. Wer berät? Wer läßt sich beraten? Ich, dieser Körper? Ich dieser Körper plus 4 mm Großhirnrinde? Ich als Körper ausgreifend in meine Wellennatur? Da gibt es noch viel zu forschen, noch viel zu versuchen, um Erlebtes wißbar, Erfahrenes mitteilbar zu machen - hier alles nur Worte.



  • [1] Helme Heine: "Die Schöpfung". Eine musikalische Erzählung. Mit Audio-CD. Musik von Reinhard Seifried. Beltz & Gelberg, Weinheim, 2005
  • [2] Ekkehard Zellmer "Der Seelenflüsterer"; Friedberg, 2004




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