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7 Wo und was ist Ich?
Was ist das "Ich"? Clemens Kuby beschreibt das eindrucksvoll in seinem Buch zum Film "Unterwegs in die nächste Dimension" als Erfahrung nach einem lebensbedrohlichen Unfall:
Ich vernehme eine Stimme in mir, die sagt: "Bleib ganz ruhig. Nur keine Panik." Wenn mich nicht alles täuscht, spricht da meine Seele. Mit wem aber redet sie? Mit sich selbst? Nein, es scheint so, als rede sie mich von außerhalb an. Wer bist du, der das feststellt?
Das bin ich mit meinem Ego. Ich stehe meistens auf der Seite meines Egos, selten auf der Seite meiner Seele. Ein Zwiegespräch meines Egos mit mir gibt es nicht bzw. kann es nicht geben, denn sobald ich mich mit meinem Ego nicht mehr identifiziere, das heißt mich außerhalb von ihm stelle, löst es sich auf ins Nichts. Bei der Seele ist das anders. Auch wenn ich mich nicht mit ihr identifiziere, löst sie sich nicht auf. Irgendwo ist sie immer; sie kann verstummen, sie kann außer Sichtweite geraten, aber immer bleibt ein leichtes dehnbares Band zwischen ihr und mir bestehen. Jetzt, wo man mir eröffnet, daß mein Leben verwirkt ist, steht sie direkt und ohne Ablenkung groß und klar vor mir.
Mein Ego ist jetzt relativ kleinlaut. Mein Ego ist sowieso ein Feigling. Es tönt immer nur so groß, wenn der Körper fit ist; doch wehe, wenn ihm etwas fehlt. Mein Ego kann mit Schmerzen nicht umgehen, sie sind ihm unangenehm und sie hindern es daran, so zu tun, als habe es alles im Griff. Bei Krankheit, stelle ich regelmäßig fest, zieht sich das Ego zurück. Die Seele darf dann um so stärker hervortreten. Wie jetzt. Wenn ich weine, weine ich nicht wegen der Schmerzen oder aus Selbstmitleid, sondern aus Einsicht - aus Gewahrwerden meiner mißachteten Seele. Was ist sie nur für ein zartes, wunderbares Geschöpf. Dabei kenne ich sie nicht einmal wirklich. Doch sie begleitet mich auf Schritt und Tritt, immerzu. Sie drängt sich nicht auf, aber wenn ich nach ihr schauen würde, wäre sie da. Sie ist eigentlich immer da, aber das Ego verdrängt sie aus dem Gesichtskreis mit dem Vorwurf, sie störe, habe nichts zu sagen, sei vollkommen realitätsfremd, könne gar nicht mitreden und verstünde von der Sache ohnehin nichts - kurzum, sie solle den Mund halten und sich verdünnisieren oder unsichtbar machen.
Na ja, da die Seele nicht kämpft, sieht und hört man auch nichts mehr von ihr, bis ... ? Ja, bis es passiert. Mein Fall aus dem Fenster war kein Zu-Fall, wenn das Ego es auch so hinstellen möchte und dauernd von Un-Fall redet. Die Seele aber weiß es besser. Jetzt spricht sie und das Ego hat Pause. Das ist der Moment, in dem mir schon wieder Tränen herunterlaufen. Manche mögen sich an einen solchen Moment erinnern, nachdem sie nach einer Krebsdiagnose das erste Mal allein waren, oder sie sich eingestehen mußten, daß sie Aids haben oder eine andere schwere Krankheit. Richtig ernst wird es für jeden, wenn das Urteil lautet: "Unheilbar!"
Was ist das "Ich"? Ich stelle mir eine Wolke vor, eine Sommergewitter-Cumuluswolke: 2 km breit, 4 km lang, 6 km hoch. Unten dran hängt eine hölzerne Wäscheklammer; das ist der Verstand meines Körpers mit seinem Tagesbewußtsein. Dieses Tagesbewußtsein erinnert mich an das Bild einer dieser wunderschönen alten Schnellzug-Dampflokomotiven; das Riesending ist schön bunt lackiert: allein diese hauchdünne Lackschicht, das ist das Bewußtsein. Mehr nicht, nicht der Stahlkörper und nicht die tausende an PS aus Feuer und hochgespanntem Dampf da drin.
Aufgrund meiner - dieser hier zu betrachtenden Wesenheit - Lebens- und Bewußtseinsvorgänge laufen psychische Vorgänge ab. In jedem Augenblick vergegenwärtigen sich (in der 'Wäscheklammer'!) Gedanken, Gefühle, Strebungen und Empfindungen, die sich in meßbarer Sekundenbreite als Ichgebilde empfinden. Dies könnte die von Damasio postulierte einfache und grundlegende Form, das Kernbewußtsein, und die komplexe, erweiterte Form des Bewußtseins sein. Dies ist das herausgehobene Band unserer Bewußtseinsketten, die Vergangenheit und Zukunft verknüpfen und die wir wegen ihrer Fähigkeit zur Selbstbetrachtung "Tagesbewußtsein" und "Ich" nennen. Dieses einzigartige Ich gab es vor einer Minute noch nicht und wird es in einer Minute nicht mehr geben.
Es ist ein Bewußtseinsstrom, der grundlos seine eigenständige und fortdauernde Seinshaftigkeit bejaht. Die meisten dieser Bewußtseinsbilder, die sich als 'Ich' erleben, stammen dazu nicht einmal von der Wesenheit. Dieses 'Ich' denkt nicht selbst; es wird weitgehend gedacht, z.B. von seinen Gewohnheiten, diesen Rückkopplungsschleifen im Hirn und im Körper, von seinen Trieb-Antrieben, Instinkten, von der Cumuluswolke und als Wellenpaket aus seinen Resonanzen mit möglicherweise ganz anderen Ebenen von Geschöpfen und Schöpfern. Der Satz 'Es wird gedacht' ist zu 'in selbstverantworteter Freiheit und grenzenloser Resonanz' kein Widerspruch, sondern wieder eine der Paradoxien.
Dieses Ichgebilde verstärkt sich in der Phase der Menschwerdung und gewinnt ein schmarotzerhaftes Eigenleben. Da es stetig geboren wird und stirbt, kennt es die Todesfurcht, die aber unbegründet ist, weil das Werden und Vergehen sekundenhaft stattfindet, die Wirkungskette als solche, dieser Schwingungsknoten einer stehenden Welle, die Cumuluswolke, aber das Leibestoderlebnis übersteht.
Wird das Stillewerden der Gedanken geübt, kommt auch die Kette des Ichselbsterlebens zunehmend zum Schweigen. Es tritt ein Sichselbstvergessen ein. Trotzdem bleibt die Icherfahrung in den Tiefen der Seele gespeichert; sie ruht dort und kann bei Bedarf geweckt werden. Ebenso bleibt die Ortung der Wesenheit in Raum und Zeit erhalten, die den Menschen auch ohne greifbaren Körper als Eigenheit bestimmt und ihn für andere Wesenheiten besonderbar macht. Die Fähigkeit zum sinnvollen Funktionieren in der Alltagswelt geht dabei nicht verloren.
Das Bild eines Eisstückes, das sich im Weltenmeer schmelzend auflöst, das oft von buddhistischen Anfängern im Abendland verwendet wird, ist nicht wirklichkeitsentsprechend und paßt in keiner Weise. Die Wahrnehmungen der Wesenheit weiten und vertiefen sich sogar im Entwicklungsprozeß, eine geordnete Ruhe kehrt ein und eine behutsame Abwendung von den äußerlichen Scheingesetzen des sich vollziehenden Daseins findet statt. Je schwächer das sogenannte Ich wird, desto stärker scheint für aufmerksame Beobachter die Eigenständigkeit und Wirkkraft eines solchen Menschen zu werden. Der Mensch dürfte sogar erst nach Aufgabe des Ichs "er selbst" geworden sein.
Noch mal anders gewendet:
Aus dieser Sicht entsteht das "Ich" erst durch die Identifikation mit dem Denken. Daran hängt sich dann ein "Ich will" - und wenn dieses dem widerspricht, was gerade ist, entsteht Leiden, entsteht eine Welt voller Wünsche, Zwänge, Frustrationen, Illusionen, Bewertungen, Urteile.
Das Ich liebt nicht, es will etwas!
Wenn Du in urteilsfreier Achtsamkeit das betrachtest, was jetzt und hier ist, geht das "Ich" raus aus dieser Zwanghaftigkeit von Alltags-Bewußtsein - und das ist es, wohin die work (vgl. 8.3 Untersuchen von Gedanken sowie 8.9 Maske ablegen) einen bringen kann, Schritt für Schritt, leicht, ja, spielerisch. Was dann bleibt, ist reine Existenz und obwohl Du selbstverständlich dann immer noch im Körper lebst, mußt du doch nicht mehr allein mit ihm identifiziert bleiben, weil Dein Bewußtsein weit darüber hinausgehen kann.
Selbstverständlich hat dieser Organismus weiterhin Wünsche, Absichten, Ziele. Er lebt ja in dieser Welt und lebt in diesem Alltag. Ich habe nicht einen Körper, ich bin Körper! Für den bleiben sie sinnvoll, die Nahziele wie "Zum Bäcker gehen", Fernziele wie "Japanisch lernen", Allgemeine Ziele wie "Schönheit und Ordnung in meinem Universum schaffen" z.B. durch Lernen und Lehren. Aber jetzt werden diese Ziele nicht mehr wie Mächte von außen erlebt, "Du müßtest jetzt aber ...", "Du sollst doch nicht ...", Kampf mit der Realität. Sie kommen nun als lustvolles Ausdehnen von innen nach außen, als flexibles Einlassen und Einwirken auf die Realität, als Teilhabe.
Das Denken läßt sich nicht anhalten oder wegmeditieren und man kann es auch nicht loslassen oder bekämpfen, das bringt nur noch mehr Streß; Kampf mit der Realität, die uns mit einem so funktionierenden Sinnessystem und Verarbeitungssystem für die Sinneseindrücke ausgestattet hat. Gedanken ziehen nun mal durch den Kopf, wie Wolken über den Himmel, unschuldig, ohne "mich" zu meinen.
Dabei haben sie viel Ähnlichkeit mit Herrn Turtur, dem Scheinriesen aus den Jim Knopf-Büchern von Michael Ende: sie werden um so riesiger, je weiter ich vor ihnen davonlaufe, und winzig, wenn ich draufzugehe. Und daß es besser wäre, Gedanken "schnell" loszuwerden und alles andere "Symptombehandlung" sei, ist auch nur ein Gedanke. Aber mit the work kann man das Denken untersuchen, dann läßt es einen los, denn da gehe ich hin zu dem Gedanken, immer näher, bis er sich auflöst. Die Gedanken, die uns Freude, Fröhlichkeit, Zuneigung etc. verursachen, mit denen haben wir eh kein Problem. Und für die anderen ist die work da. - Was nicht heißen soll, auch die angenehmen Gedanken wären nicht solcher Untersuchung zugänglich und diese wäre nicht ebenso lohnend! Befreiend!
Ich haben nicht einen Körper, ich bin Körper! Von Menschen, die sich geschult haben in Meditation und indischen Weisheitslehren höre ich "eine der für mich am schwersten zu überwindenden Identifikationen ist die mit dem Körper - und allen seinen unersättlichen Bedürfnissen". Doch buddhistische Psychologie beruht auf der Idee, dass menschliche Wesen grundlegend gut sind. Diese Ansicht ist dem westlichen Denken weitgehend fremd. Die Haltung, die aus der buddhistischen Sichtweise und Praxis resultiert, ist demnach ganz anders als die"Fehlerfixierung" im Westen, die laut Chögyam Trungpa ihre Wurzeln bereits im Erbsünde-Gedanken hat. Jahrtausendelang hatten sich buddhistische Lehrer an Asiaten gewandt, denen westliche Begriffe und Lebensformen wie Stress, Depression oder Burnout fremd waren. Viele asiatische Dharma-Lehrer, allen voran der Dalai Lama, sind zutiefst erstaunt über das Ausmaß an Selbsthass bei ihren westlichen Schülern, denn das ist in buddhistischen Kulturen kein Thema. Die buddhistischen Texte befassen sich auch ausführlich mit dem Problem der Faulheit und Bequemlichkeit, doch nie mit dem bei uns verbreiteten Problem des Leistungswahns und des Überengagements. Sie weisen auf das Problem des Stolzes hin, aber nicht auf das für die christliche Neurose typische Problem der Selbstdegradierung und Selbstverachtung.
Ich las einen schönen Satz "... Der Begriff 'Bildung' stammt von dem großen Mystiker und Lehrer des Spätmittelalters Meister Eckhart (1260-1328): "Wenn die Seele etwas erfahren möchte, dann wirft sie ein Bild der Erfahrung vor sich nach außen und tritt in ihr eigenes Bild ein", schrieb er. Was wir im Leben erfahren, sind Schöpfungen, Bildungen unserer selbst ..."
Sind nicht alle diese Unersättlichkeiten Teile dieser 'Einbildung' von mir selber? Könnten sie nicht Teile der Vielfalt sein, die ich ehren und achten mag im "lieben was ist" = "ich liebe mich so wie ich bin"? Könnte es sein, daß der Eindruck von Unersättlichkeit gerade daher rührt, daß ich niemals mit reinem Herzen, liebend was ist, einem dieser Bedürfnisse sein Recht gab, nicht einmal wenigstens mich bemüht habe, es satt zu machen? Könnte es sein, daß in dieser Unersättlichkeit mir meine eigene Gewalt entgegenschlägt, mit der ich mich in diesen Bedürfnissen unterdrücke?
Ich habe immer wieder erlebt, wenn ich mich bzw. jemand anders in einem Streß begleitet habe und wir dabei in jeder dieser Fragen zu einem JA kamen, daß dieser Streß meist schnell aufgelöst war.
Was die Neuroanatomin Jill Bolte Taylor (http://www.drjilltaylor.com/book.html Stand 03/2008) vom Erleben ihres eigenen Hirnschlags erzählt (http://www.ted.com/talks/view/id/229 mit Transkript vom 18 minütigen Video http://blog.ted.com/2008/03/jill_bolte_tayl.php#more), ist sehr berührend. Eine Ader explodierte in ihrer linken Gehirnhälfte. Und im Laufe von vier Stunden beobachtete sie, wie sich ihr Hirn vollständig verschlechterte in seiner Fähigkeit, alle Informationen zu verarbeiten. Am Morgen der Hirnblutung konnte sie nicht gehen, reden, lesen, schreiben oder irgend etwas aus ihrem Leben abrufen. Während alle kognitiven Verbindungen verloren gingen zwischen Objekten und ihren Namen, empfand sie plötzlich und vollständig ein unermeßliches, überwältigendes und endlos ausgedehntes Feld von Energie und das als Sie Selbst. Sie dachte, es gibt keine Möglichkeit, daß ich fähig sein könnte, diese Riesengröße von mir zurück zu quetschen in diesen kleinen Körper.
Will man einen Computer zum Modell nehmen, so funktioniert unsere rechte Gehirnhälfte wie ein Parallelprozessor, während die linke Hälfte wie ein serieller Prozessor arbeitet. Die beiden Hemisphären kommunizieren miteinander über das Corpus Callosum. Außer dieser Brücke sind die Hemispären vollständig getrennt. Weil sie die Informationen unterschiedlich verarbeiten, denkt jede Hemisphäre je unterschiedliche Dinge, kümmert sich um je unterschiedliche Dinge, ja, hat sehr unterschiedliche Persönlichkeiten.
Unsere rechte Hemisphäre umfaßt alles über diesen gegenwärtigen Moment - eine gewaltige Kollage über das gerade Hier und gerade Jetzt. Sie denkt in Bildern und lernt durch die Fähigkeit, Lage und Bewegungsrichtung von Körperteilen zueinander und in Bezug zur Umwelt unbewusst reflektorisch zu kontrollieren und zu steuern. Jill Bolte Taylor bemerkt sich als energetisches Wesen, verbunden mit all der Energie um sie herum durch das Bewußtsein der rechten Hemisphäre. Wir alle sind energetische Wesen und alle miteinander verbunden durch das Bewußtsein unserer rechten Hemisphären als eine menschliche Familie. Und gerade hier, gerade jetzt sind wir Geschwister auf diesem Planeten, sind wir perfekt, vollständig und schön.
Die linke Hemisphäre ist ganz anders. Sie denkt linear und methodisch. Sie umfaßt alles über Vergangenheit und Zukunft. Die linke Hemisphäre ist dafür eingerichtet, aus der gewaltigen Kollage des gegenwärtigen Moments Einzelheiten auszuwählen und Einzelheiten über die Einzelheiten. Und diese Informationen dann zu kategorisieren und zu organisieren und sie mit allem in Verbindung zu bringen, was wir in der Vergangenheit je gelernt haben und daraus alle Möglichkeiten in die Zukunft zu projizieren. Die linke Hemisphäre denkt in Sprache; das ist das ununterbrochene Geplapper im Kopf, das mich und meine innere Welt verbindet mit meiner äußeren Welt. Und, besonders wichtig, das ist die kleine Stimme, die sagt "ich bin. Ich bin". Und im selben Moment, wo meine linke Hemisphäre sagt "Ich bin", werde ich abgesondert, werde ich ein einzelnes, festes Individuum, getrennt von dem energetischen Fluß um mich herum und bin ich getrennt von Dir.
Ihre Erfahrung brachte Jill Bolte Taylor zu dem Gedanken, dass wir unsere gesamte Handlungsfähigkeit immer frei wählen sollten, um so ein volleres, friedlicheres Leben zu führen. Und das Bemerkenswerte: Sie kann seit dem Ereignis wählen!
Sie beschreibt diese Erfahrung weiter: Zuerst war ich erschüttert, mich im Innreren eines stillen Geistes wiederzufinden. Aber ich war sofort gefesselt von der Großartigkeit der Energien um mich herum. Weil ich mich nicht länger identifizierte mit den Grenzen meines Körpers, fühlte ich mich riesig und ausdehnend. Ich fühlte mich eins mit all der Energie und es war dort schön. Dann kam plötzlich meine linke Hemisphäre wieder online und sagte 'Hey! Wir haben ein Problem! Wir brauchen Hilfe!'. Aber sofort ließ ich mich zurücktreiben in die Bewußtheit und es war schön dort. Stellen Sie sich vor, wie es wäre, völlig abgetrennt von dem Hirn-Geplapper zu sein, daß Sie mit der äußeren Welt verbindet. So bin ich in diesem Raum und jeglicher Stress verließ mich. Stellen Sie sich vor, wie es ist, wenn Sie 37 Jahren an emotionalem Gepäck verlieren. Ich fühlte Euphorie - Euphorie war wunderbar.
Also, wer sind wir? Wir sind die mächtige Lebenskraft des Universums, mit den Fertigkeiten der Hände und mit zweifachem Geist. Und wir haben die Macht zu wählen, Moment für Moment, wer und wie wir in der Welt sein wollen. Genau hier und genau jetzt kann ich eintreten in die Bewußtheit meiner rechten Hemisphäre, wo wir, wo ich die mächtige Lebenskraft des Universums bin, und die mächtige Lebenskraft der 50 Billionen schönen molekularen Genien, die meine Form aufbauen. Oder ich kann wählen, in die Bewußtheit meiner linken Hemisphäre einzutreten, wo ich ein einzelnes, festes Individuum bin, getrennt vom Fluß, getrennt von Dir.
Es heißt, der Körper sei ein Konzept, ein Gedanke, eine Illusion, eine Fata Morgana - wie alles Vergängliche, Gestalthafte. Da komme ich zurück auf die Wellen-Teilchen-Natur. Licht ist untersuchbar entweder als Welle, Strahlung oder aber als Teilchen, Korpuskel. Von Teilchen ist untersuchbar entweder ihr Ort oder aber ihr Impuls. Nichts Drittes dazwischen. Es ist unmöglich!
Aus der Wellensicht mag sich die Leibhaftigkeit 'betrachten' lassen. Als Möglichkeit von Existenz. Wenn jemand in dem Zusammenhang von 'mit Körper identifizieren' spricht, dann schrillen meine Alarmglocken. Das empfinde ich als sehr schief. Aber vielleicht liegt das nur in unserem unterschiedlichen Verständnis und Gebrauch des Wortes. Ich kopiere aus dem Brockhaus:
"Identitaet,
völlige Übereinstimmung, Einheit (z.B. eines Dinges, Individuums oder Begriffs). In der Psychologie bezeichnet der mit unterschiedlicher Bedeutung gebrauchte Begriff die Erfahrung eines Individuums, eine einzigartige, psychisch weitgehend stabile und von inneren oder äusseren Veränderungen unabhängige Einheit zu sein. Das Bewußtsein der eigenen Identitaet beinhaltet also, daß man sich als Individuum erlebt, als eine andere Person als die Anderen, und auch, daß man die Gegensätze und Verschiedenheiten innerhalb der eigenen Person zu einer Synthese bringt."
"Identifikation
(Identifizierung): die bewußte oder unbewußte Übernahme von Eigenschaften, Denk- und Verhaltensweisen anderer Menschen in das eigene Ich durch Verinnerlichung (Introjektion), die innere Gleichsetzung mit anderen. Dabei werden bewunderte, aber auch gehaßte oder gefürchtete Züge übernommen, so z.B. Verhaltensweisen, Auffassungen, Interessen einer anderen Person (eines Idols), und zu Eigen gemacht. ..."
Das Ich, hat Sigmund Freud einmal geschrieben, ist "ein kurzlebiges Anhängsel an ein mit virtueller Unsterblichkeit begabtes Keimplasma". Julian Schnabel kehrt in dem Film "Schmetterling und Taucherglocke" (2008) diesen Satz um. Das Ich ist mit virtueller Unsterblichkeit begabt, weil es Medien gefunden hat, durch die andere Menschen in diese Perspektive eintreten können. Das Kino ist das mit virtueller Unsterblichkeit begabte Kunstplasma, das es erlaubt, zugleich die Erfahrung eines Schmetterling und eines Tauchers zu machen, und zwar aus einer Perspektive, die das Kino den anderen Künsten voraus hat - denn im Idealfall ist das Publikum hier ja tatsächlich "locked-in", es sollte sich für die Dauer des Films kaum bewegen, sondern alles dem Auge und den Ohren überlassen. Erleichtern oder erschweren mir solche Kino-Erfahrungen das Fragen und das Antworten?
Identifikation /Identifizierung ist Urteil, ist als Urteil Abgetrenntes und Abtrennendes, ist Bildungserbe, gesellschaftliche Vereinbarung - ist in der Ebene von Wellennatur fremd, unmöglich!
Worken (vgl. 8.3 Untersuchen von Gedanken) ist kein Logikspiel mit Wörtern. Es ist Einlassen auf sich selber - und dazu gehört das Lauschen auf die Antworten, die aus dem Herzen und aus dem Körper aufsteigen. Wenn ich Körper nur 'habe', wäre das nur Identifizierung. Der wortlosen Sprache des Körpers zu lauschen, das wäre dann eine Farce. Wenn einer den Körper nur hat, nicht ist, dann wäre das Erlauschte nur etwas Beliebiges aus einem beliebigen, von 'mir' getrenntem Ding. Wer hört auf das Klappern seines Fahrrads?
Der Körper sei ein Konzept, ein Gedanke, eine Illusion, eine Fata Morgana. Nein! Wohl, er ist vergänglich. Wohl, er ist zu 99,9% leer zwischen den Atomen. Dennoch IST er, ist vollkommenes Sein auf dieser Stufe von Existenz in der Teilchennatur. Ich habe die Wahl, diese Existenz als Wellennatur oder als Teilchennatur zu betrachten. Ich kann das sogar gleichzeitig so erfahren. Aber diese Existenz zu leben geht nur je ganz - ohne, daß dabei ein Bewußtsein um die je andere Existenzform verloren ginge. Nur totale Identität. Für Identifikationen ist dann kein Raum mehr. Und da ich mich nun mal gerade hier&jetzt eingefleischt habe, ist die totale Identität als Körper angesagt - ich verfehle mich sonst, ich weiche aus, ich mache mir eine schöne Zeit mit hehren Gedanken und Gefühlen und mit möglicherweise fehlerbehaftet überlieferten Zitaten von Leuten, die vor langer Zeit in Indien, Palästina oder China lebten.
Leben ist jetzt.
"Folge nicht den Spuren der Meister. Suche, was sie gesucht haben."
Die für das Selbsterkennen besonders wichtigen, hilfreichen Antworten kommen aus dem Körper. Wenn ich den nicht ernst nehme, nur als 'Vehikel' betrachte, was sind das dann für läppische Antworten. Es wäre, als wenn an meinem Fahrrad das Schutzblech klappert. Und dann wird Selbsterkennen nur das Anziehen einer Schraube sein.
Sekt oder Selters! Identität oder Identifikation. Wenn ich für diesen Wimpernschlag von Existenz als Körper mich nicht entscheide, gerade mal jetzt ganz einzutauchen in diese Identität auch als Körper, dann hab ich meine Aufgabe verfehlt. Gott sagt dann: 'gut mein Kind, ich warte'.
Diese Sommergewitter-Cumuluswolke, 'ich', als das 'Große Bewußtsein' braucht meine Liebe auch als Körper zu mir in meiner Ganzheit, um mich in allen Dimensionen in Bewußtheit zu erfüllen. Wenn ich mich mal in das Teilchen-Wellen-Bild vertiefe und von meinem Bildungserbe an indischer und christlicher Weisheitslehre ein wenig ablasse, dann sehe ich den unauflösbaren Widerspruch. Die Seele, Wellennatur, kann gar nichts 'haben'. Haben gibts nur in der Teilchenwelt.
Vielleicht erklärt sich diese Lust, doch bitte den Körper nur zu 'haben' und sich nicht die Identität mit dem Körper zu erlauben, schon gar nicht rückhaltlos diese Identität anzunehmen, daraus, daß dieser Körper ja angefüllt ist mit dem, was oben genannt wurde '... schwersten zu überwindenden Identifikationen ist die mit dem Körper - und allen seinen unersättlichen Bedürfnissen'. An ihn sind ja alle die Rollen gebunden, die Urteile, Wünsche. Da der/die Erwachte ja weiterhin in diesem Körper drinsteckt und dessen Körpererinnerungen, die unersättlichen Bedürfnisse, durch das Erwachen ja nicht sich sämtlich auflösen, so möchte der/die Erwachte das ganze Leibliche von sich abwischen und negiert sich als Körper. Endlich ist Ruh - mit diesem Körper hab ich nichts zu tun; er ist nur ein Bruder Esel, den ich das Höhere Selbst tragen lassen. Welch ein Hochmut! Das spricht immer noch Teilchen-Ich, nicht Wellennatur.
Er, der sich diesen Körper geschaffen hat, er, der sich dieses Bild seines Wunsches nach Erfahrung vor sich nach außen geworfen hatte und eintrat in sein eigenes Bild, es konkret, leiblich werden ließ, er verstößt sich selber aus seiner Schöpfung. Heute haben wir andere, umfassendere Informationen über diese Schöpfung 'Körper' und ihr Funktionieren.
"Folge nicht den Spuren der Meister. Suche, was sie gesucht haben."
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