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8 Wer antwortet?
Ob Stammhirn, Herz oder Gewohnheit, die Schlußfolgerung? Jedenfalls nicht, mit Denken aufzuhören. Denn die Hand und alle ihre Fortsätze sollen ja weiterhin greifen und ich will ja weiter, denkend, mit meinen Worten hier den denkenden Leser anregen. Sondern lernen, in einem der Momente zwischen Gedanke, Gefühl, Handeln innezuhalten, um diesen Überlebenstrick aus der Vorzeit zu unterbrechen.
Der selbstreflexive Geist spricht zum Hirn "Stop! Einen kleinen Moment! Da steht ja nicht ein Säbelzahntiger vor mir, sondern ich hab nur den Bus verpaßt /oder der Abwasch muß gemacht werden /oder der da vor mir sich aufspielt als Alphamännchen ist nur Chef von Amtswegen, nicht von Statur. Flucht wie Kampf sind hier unangemessen. Selbstbeobachtung, Selbstüberwindung, Selbststeuerung sind eher angesagt! Die sind weniger anstrengend, sind mehr zielführend als flüchten wie kämpfen! Ich erleide nicht jetzt eine tatsächliche Not, ich erinnere nur Ähnliches aus der Vergangenheit." Von kontrollierenden Gedanken und vorgestellten Gefühlen schalte ich um zu steuerndem Denken und zu realem Fühlen.
Jeder Gedanke, besonders jeder, der unfrohe Gefühle macht oder Schlimmeres, kann untersucht werden. Nach einiger Übung in Sekundenschnelle, nebenbei, direkt in der Situation, direkt aus dem Vorwurf gegen jemand, mit 4 Fragen und einer Umkehrung [1]:
* Ist das wahr?
* Können Sie mit absoluter Sicherheit wissen, daß das wahr ist?
* Wie reagieren Sie, wenn Sie diesen Gedanken denken?
* Wer wären Sie ohne diesen Gedanken?
* Wie könnte eine Umkehrung dieses Glaubenssatzes lauten? Und vielleicht noch eine? [2]
Oder eine Variation, etwas ausführlicher mit einigen Unterfragen:
1. Ist das wahr?
(Anmerkung: Wenn man sagt: "XY sollte Z tun" ist die Antwort, nach 'wahr' gefragt, ob er meinem Wunsch folgt, also es tatsächlich tut, jedoch nicht ob er es tun sollte. Die Antwort heißt 'nein', wenn ich die Realität, dass XY eben nicht tut was er sollte, für wahrer halte als meinen Wunsch)
Wie sieht die Realität aus?
Wo ist Ihr Beweis dafür?
2. Können Sie mit absoluter Sicherheit wissen, daß das wahr ist?
Können Sie wissen, was für den Weg eines anderen Menschen das Beste ist?
Können Sie mehr wissen als Gott?
Können Sie wissen, ob es besser wäre, wenn die Realität anders wäre als sie ist?
Wessen Angelegenheit ist das? (Deine, seine, Gottes?)
3. Wie reagieren Sie, wenn Sie diesen Gedanken denken?
Wie fühlt sich das für Sie innerlich an? Wie reagiert der Körper auf den Gedanken? Wo?
Was haben Sie davon, wenn Sie so denken? (Wovor haben Sie Angst? Was könnte Ihnen als Schlimmstes passieren? Welche Hoffnung haben Sie?)
Wie behandeln Sie dann andere?
Wie behandeln Sie sich selbst?
Was genau sagen oder tun Sie?
Bringt dieser Gedanke Streß oder Frieden in Ihr Leben?
Können Sie einen friedvollen Grund sehen, diesen Gedanken beizubehalten?
Sehen Sie Gründe, den Gedanken loszulassen? (... und Sie werden nicht gebeten, ihn loszulassen!)
4. Wer wären Sie ohne diesen Gedanken?
Wie reagiert der Körper? Wo?
Wie sähe Ihr Leben aus, wenn Sie diesen Gedanken nie wieder denken könnten? (...wenn Sie ohne Einschränkung akzeptieren würden, was ist.)
5. Wie können Sie den Gedanken umkehren?
Klingt die Umkehrung genauso wahr? Oder wahrer? Gibt es weitere Umkehrungen? Wahrer?
Diese Fragen sind eigentlich gar nichts, sie haben keine Substanz, sie implizieren nichts, kein doppelter Boden, kein psychologischer, philosophischer, metaphysischer oder esoterischer Überbau. Jeder findet seine Wahrheit ohne jede Beeinflussung. Niemand muß diese Fragen beantworten. Sie helfen heraus aus den Gedankenkarussels und Paradoxien des Alltags: Alles, was ich denke, ist plausibel. Nur die Wirklichkeit hält sich nicht an das Bild, was ich mir von ihr mache. Und: Man kann stundenlang durch den Wald laufen und einen Baum suchen. Man wird keinen finden, wenn man nicht weiß, was ein Baum ist.
Im Übrigen sind diese Fragen natürlich nichts Neues. Sie sind unser Denken, das sich selbst untersucht - Interpret, Denker und Beweisführer selber lösen gemeinsam eine Gedankenschleife auf, löschen einen virtuellen Virus - einschließlich der Gedankenschleife im Bauch, wenn ich beim Fragen aufmerksam in den Körper lausche. Von daher ist es sicher kein Wunder, daß andere Methoden teilweise die gleichen oder ähnliche Fragen stellen.
Die 4 Fragen führen auf die 5., die Frage nach der Umkehrung. Die Umkehrungen bringen meine Projektionen zurück zu mir. Ich bin der Projektor. Ich hatte meine Geschichten über mich auf die Person draußen gelegt, auf den Bildschirm. Die Umkehrung läßt den Schirm verschwinden, die Projektion, und ich sitze direkt nun vor mir mit meinen Geschichten - dann lösen sie sich auf, ohne Selbstbestrafung oder Selbstmitleid.
Die Umkehrung bezieht sich jeweils nur auf die Situation/ den Glaubenssatz, die/den man untersucht! Ganz deutlich wird es, wenn ich Sachen untersuche, wie "George W. ist ein Verbrecher". Wenn ich das umdrehe heißt es "Ich bin ein Verbrecher" - nicht generell, aber in diesem speziellen Fall (z.B. weil ich meine wunderbare kostbare Lebenszeit verschwende für nutzlose Gedanken über George W. und weil ich kostbare Lebensenergie investiere in die Verstärkung von solchen Gedanken). Man sollte aufpassen, daß man aus der Umkehrung nicht eine neue Lebensphilosophie macht! Die Umkehrung und die daraus folgende Empfindung "das könnte genauso wahr sein oder auch wahrer" ist das Ende dieser Untersuchung und nicht der Anfang einer neuen Affirmation. Wohl aber kann ich eine mir besonders wahrer erscheinende Umkehrung für die nächste Untersuchung hernehmen.
The Work ist keine Theorie, ist keine neue Religion zur Erklärung der Welt, ist kein Spielen mit den Gedanken. Es ist ein schlichtes Werkzeug, eine Art Schweizer Taschenmesser für die Untersuchung streßvoller Gedanken (und aller Gedanken). Es in die Höhe einer Theorie zu rücken, wird dem nicht gerecht und könnte damit als eine neue Technik zur Flucht aus der Wirklichkeit verstanden werden. Und dem widerspricht nicht, daß Byron Katie dieses Werkzeug gefunden hat aus einer besonderen Erfahrung, einem besonderen Erlebnis.
In der lwi-mailingliste schrieb jemand "... irgendwie gibt es grade ein 'the work oder die welt'. Und zwischen denen muß ich einen spagat machen." Du machst doch auch keinen Spagat zwischen Deinem Taschenmesser und Deinem Suppenlöffel. Beim Apfelschälen ist das Messer dran, bei Suppe ist der Löffel dran. Wenn die Gedanken Schmerz, Angst, Wut, Scham- oder Schuldgefühle auslösen, ist die work dran, wenn ich den Haushalt mache, mir eine Bedienungsanweisung reinziehe, in der Welt sinnvoll funktioniere, ist der Verstand anders gefordert.
The Work ist keine neue Religion oder Philosophie! In der lwi-mailingliste schrieb jemand, der schon sehr lange workt:
"... Dazu möchte ich noch was bemerken: gestern kam eine Klientin zu mir, die ich über ein halbes Jahr nicht gesehen hatte. Sie hat vor ca. einem Jahr sehr intensiv zu worken begonnen und ist eine Zeitlang sehr drangeblieben und wir haben einmal wöchentlich zusammen geworkt. Es hat sich unglaublich viel in ihrem Leben verändert damals, sie konnte es kaum fassen, wie sich all ihre damaligen "Probleme" zum Guten wendeten, sowohl gesundheitlich als auch arbeitsmäßig (deswegen hatte sie damals überhaupt mit der Work begonnen). Danach hat sie gemeint, sie braucht nun keine Hilfe mehr und will, sollte es Probleme geben, allein weiter worken.
Als sie jetzt da war - ihr ging es beziehungsmäßig sehr schlecht - hat sich herausgestellt, dass sie seither jedes Mal, wenn ein "mißliebiger" Gedanke auftauchte, diesen nicht beworkt, sondern mithilfe einer "Work-Philosophie" ("Es ist ja nur ein Gedanke...., es ist ja eh nicht wahr...., es ist ohnehin nur seine Angelegenheit, das muss mich nicht bekümmern, ich weiß eh, dass es nicht wahr ist, etc.") versuchte, sich ihre Gedanken "auszureden". Das hat natürlich nicht funktioniert, sie war aber bis zu unserem Treffen fix davon überzeugt, eh "in der Work zu sein".
Diesem Phänomen bin ich jetzt schon einige Male begegnet, deshalb erwähne ich es hier. Meiner Meinung nach ist das die einzige Gefahr bei The Work bzw. einfach ein Mißverständnis, denn die Work ist ja ein Prozess - und wenn ich durch den nicht durchgehe, sondern ihn stattdessen am Anfang schon abstoppe, indem ich The Work benutze als "Philosophie", die mir meinen Stress wegerklärt, dann hab ich nicht die Work gemacht, sondern mir ein Bein gestellt. ..."
Das erlebe ich auch immer wieder. Vor allem bei mir selbst, aber auch bei Leuten, denen ich von der work erzähle. Entweder sie meinen, sie wüßten das eh oder aber sie schauen nur auf die Umkehrung und werden gleich wütend bei dem Gedanken, wieder nur die Schuld bei sich selbst suchen zu müssen. So oder so, die work funktioniert nur als Prozess. Ich weiß das und falle dennoch immer mal wieder drauf rein, wenn ich meine, daß es "schnell" gehen sollte.
Von denen, die diesen Weg des Auflösens ihrer Gedanken schon weit genug gegangen sind, können wir als Information zur Kenntnis nehmen: "Ich weiß nur eines aus eigener Erfahrung: wenn alle Geschichten weg sind, bleibt das übrig, was wir in Wirklichkeit sind: bedingungslose Liebe. Und diese Liebe handelt und spricht und erfüllt den Körper, den ich gewohnt bin, als meinen zu bezeichnen, und diese Liebe erstreckt sich auf jedes Gegenüber und hüllt es darin ein, ist mitfühlend und hilfsbereit und großzügig, beherzt gebend, voller Hingabe an das, was gerade auftaucht, egal, was es ist. Und dafür ist kein Denken nötig, da stört das Denken eher, oder es kann sich auf das beschränken, wofür es da ist: den Umzug organisieren, die Scheidung erwägen, die Steuererklärung machen, den Einkaufszettel schreiben etc."
Das kann verwirrend sein, denn wenn ich - allein im Kopf - auf die Konsequenzen dieses Auflösens von Gedanken stoße, dann wehrt sich der Verstand mit aller Vehemenz "das ist ja der totale Wahnsinn, da bricht mir ja alles zusammen". Könnte stimmen oder auch nicht. - Aber was kommt alles endlich zum Vorschein? Liebe und das Glück, in jedem Moment bewußt zu leben; die Freiheit, in jedem Moment das Notwendige einfach zu tun; die Freiheit, in jedem Moment einfach zu sein ohne Bedingungen; mit den Menschen und allen Wesen um mich herum in Frieden zu leben; die Gelassenheit, das Unabänderliche zu akzeptieren, der Mut, das Veränderbare zu ändern und die Kraft und die Freiheit, beides zu unterscheiden.
Also laßt uns immer wieder zurückkehren vom Theoretisieren, vom Geschichten erzählen, vom Beschreiben und Erwägen von Meinungen, Befindlichkeiten, Gefühlsgewohnheiten und von Vermutungen über Andere hin zum Untersuchen der streßvollen eigenen Gedanken und zum gegenseitigen Unterstützen dabei.
Ich bemerke manchmal, daß ich besonders streßvolle Gedanken habe, weil ich auf mein Gefühl achte. Ich stelle vorallem dann fest, daß ich den dazugehörigen Gedanken nicht finden kann. Und mir wird klar, daß es ein ganzer, automatischer Gedankenkomplex ist, der sich verselbständigt hat. Es ist gar nicht so einfach, den Auslöser zu finden. Das ist ein normales Problem beim worken: der Auslöser von Streßgefühlen ist ein Komplex, der ungebändigt durch den Verstand streicht. Deshalb ist das Arbeitsblatt ( siehe Anhang) so nützlich. Hier kann man einen solchen Komplex aufdröseln in viele Einzelgedanken. Die werden dann einzeln untersuchbar.
Dabei ist es für mich hilfreich, mir als ein urteilsfreier und unverdächtiger Zeuge - nur beobachtend, ohne 'weil', 'damit', 'um zu' - beim Leben zuzuschauen, zu bemerken, wie Leben zu Sinneseindrücken führt, wie Sinneseindrücke im Körper Empfindungen auslösen, wie die Empfindungen Gedanken auslösen, wie den Gedanken gewisse Gefühle folgen und wie die Gefühle sich als Streß äußern und auf mein Leben und meine Sinneseindrücke zurückwirken.
An dieser Stelle schließt sich der Kreis. Deshalb richte ich meine Achtsamkeit besonders auf einen Punkt darin, wo ich den Kreislauf unterbrechen kann. Für mich sind das die auftauchenden Gedanken. Das Leben ist sowieso unwißbar vielfältig. Die Sinneseindrücke sind zahllos, vorallem, die meisten blendet das Gehirn automatisch aus als 'nicht lebenswichtig'. Die Körperempfindungen werden schon greifbarer, erfordern aber wohl ein spezielles Beobachtungs-Training. Die Gedanken gehen durch das Alltagsbewußtsein - da wären sie greifbar, besonders, wenn danach die üblichen Gefühle erscheinen.
Byron Katie sagt: "think - feel - act - have" = Der Gedanke ist die Ursache. Dem folgt das Gefühl. Das Handeln ist die Wirkung. So habe ich dann die Erfahrung meiner Welt. Es ist das, was ich denke, das das Leiden verursacht, nicht das was ich tue oder sage. Sich diese Erfahrung zu vergegenwärtigen, das ist der Inhalt von Frage 3 " Wie reagieren Sie, wenn Sie diesen Gedanken denken?", nämlich: Welche Gefühle kommen hoch, wo hauen die in den Körper, wie handele ich dann und wie sehe ich dann die Welt (aber nicht wie beweise oder rechtfertige ich den Gedanken). Beschreib das mal ganz genau: Bist Du sauer, traurig, wie fühlt sich das in Deinem Körper an? Wo fühlst Du das im Körper? Was machst Du mit Dir selber? Wie behandelst Du Deinen Nächsten dann, wie schaust Du ihn an? Wie versuchst Du vielleicht, ihn doch noch dazuzubringen, Dich und Deine Meinung zu akzeptieren?
Noch deutlicher wird das bei Frage 4 " Wer wären Sie ohne diesen Gedanken?". Stell Dir vor, Du sitzt in Deinem Lieblingsstuhl, die Sonne scheint, die Vögel zwitschern und Du schaust entspannt dem allen zu. Wie fühlt sich dann das in Deinem Körper an? Mit dem Gedanken warst Du sauer, traurig, ohne den Gedanken frei und froh. Du brauchst nicht Probleme zu überwinden, Du brauchst nur in Deinem Kopf aufzuräumen, Dich fragen: "Wer wäre ich jetzt - in diesem Moment - ohne den Gedanken? Wie würde ich anders hier sitzen, stehen, liegen ohne diese Geschichte? Jetzt. Wie würde sich das anders anfühlen - in meinem Körper, in meinem Herzen? Was ist jetzt anders, wo der Gedanke nicht mehr da ist? Wo im Körper spüre ich den Unterschied? Wie würde ich generell anders leben ohne den Gedanken? Wie würde ich morgens anders aufstehen, anders an den Tag herangehen, wenn ich die Geschichte nicht mehr hätte? Wie würde ich mich und andere behandeln ohne den Gedanken? Wie würde sich das anfühlen? Wie würde ich anders auf jene schauen, die mehr des von mir im gerade untersuchten Gedanken so sehr Begehrten haben - und auf die, die mit weniger auskommen müssen? Wie würde mich das verändern? Mit Frage 4 kann man stundenlang sitzen, meditieren, sich vorstellen: wer oder wie bin ich ohne diese Geschichte? Es kann ein sehr ganzheitliches Erlebnis sein, sich darauf einzulassen.
Ich finde es wichtig, klare Sätze zur Untersuchung zu nehmen und die ganz einfach zu beantworten. Vielleicht trickst Dich Dein Verstand aus und bringt Dich so um eine gute Untersuchung, indem Du eine Sache schreibst, aber auf eine andere antwortest.
Neulich workte eine Mutter mit dem Satz - "meine tochter nervt mich, weil sie da ist". Eine gute Hilfe zum worken ist es, einfache Gedanken zu untersuchen. Diesen empfinde ich als fünffachen: "Meine Tochter ...", "Meine Tochter ...", "... nervt", "... mich", " ... weil sie da ist". 'Meine Tochter' kann mit diesem besitzanzeigenden Fürwort ein 1. anstrengendes Konzept sein; wenn ich einigen Buchautorinnen glauben möchte, so ist Mutter-Tochter/Tochter-Mutter ein 2., sogar ziemlich anstrengendes Konzept; 3. jemand nervt, das finde ich handgreiflich; 4. mich, da steckt eine ganze Menge drin, z.B. wie ich mich zur Welt sehe und was ich von der Welt erwarte, das könnten Riesen-Glaubensgebäude sein; 5. weil sie da ist, wo? Lümmelt sie in ihrem unaufgeräumten Zimmer? vor Deinen Füßen? in der Welt? Das sind auch größere Komplexe. Wenn Du solche Sätze hast, mach einen Kringel um das, was für Dich das stressigste ist, und das beworke zuerst. Danach das 2., dann das 3., bis Du alle durch hast.
Jemand fragte in der mailing-list lieben-was-ist:
Bei The Work wird öfters die Frage gestellt, wie es sein SOLLTE. Und im Verlauf der Gespräche (die ich bisher gelesen habe) wird dann klar, dass es nicht so sein SOLLTE, weil die Wirklichkeit nicht so ist. Meine Frage ist nun, ob das eventuell etwas mit der amerikanischen Sprache zu tun hat, oder ob ich es noch nicht verstanden habe. Weil SOLLTE bedeutet bei mir ja auch so etwas wie einen Wunsch zu formulieren, und - ja, natürlich wäre es toll, wenn man so weit ist, dass man die Realität so akzeptieren kann, dass man sie sich wünscht - aber bei einem Durchschnittsmenschen wie mir kommt das doch ein wenig anders an?
Moritz Börner schrieb dazu
Hier ein paar Gedanken zum Thema:
Glaubenssätze sind Gedanken, die wir haben.
Man kann JEDEN Glaubenssatz mit "sollte" oder ohne "sollte" formulieren.
Z.B. Es gibt zu viele Kriege.
Es sollte nicht so viele Kriege geben.
Mein Mann schreit mich an
Mein Mann sollte mich nicht anschreien.
Die Formulierungen ohne "sollte" stellen Tatsachen fest, die entweder der Realität entsprechen oder nicht.
Die Formulierungen mit "sollte" sind gleichzeitig Wünsche. Die Wünsche können wahr werden oder auch nicht.
Ich kann in der Zeitung einen Artikel darüber schreiben, dass es nicht so viele Kriege geben sollte, das ist prima. Kann sein, dass es hilft, die Realität zu verändern.
Ich kann meinem Mann sagen, er sollte mich nicht anschreien, vielleicht richtet er sich danach.
Die Untersuchung mit The Work ist etwas ganz anderes und hat damit eigentlich nichts zu tun. (Allerdings stelle ich fest, dass NACH der Untersuchung gelegentlich Wünsche wahr werden, weil ich z.B. meinen Wunsch sachlicher vorgetragen habe als wenn ich mich ärgere oder auch nur Druck ausübe.)
Untersuchen kann ich beide Arten von Glaubenssätzen. Manchmal ist es sogar hilfreich, beide Varianten zu untersuchen.
Mein Mann schreit mich an - ist das wahr?
Ja.
Mein Mann sollte mich nicht anschreien - ist das wahr?
Ich antworte NEIN, wenn ich die Realität für wahrer halte als meinen Wunsch.
Ich antworte JA, wenn ich meinen Wunsch für wahrer halte, als die Realität.
Anfänger bestehen meist darauf, dass ihre Wünsche wahrer sind als alles andere um sie herum. Aber früher oder später sehen sie ein, dass die Realität die höchste Wahrheit ist und antworten dann mit NEIN.
Wenn ich die Work mit Klienten mache, formuliere ich Glaubenssätze, die auf wahren Tatsachen beruhen, gerne um mit SOLLTE.
Z. B. Dein Mann sollte nicht lügen.
Dein Kind sollte nicht so unordentlich sein.
Es sollte keine Kriege geben.
Wenn ich denke, dass der Klient möglicherweise einem Irrglauben aufsitzt, lasse ich den Gedanken ohne SOLLTE stehen oder formuliere ihn um.
Z.B. Dein Kind lässt die Schultasche an der Tür fallen, um Dich zu ärgern - ist das wahr?
Die Menschen sind von Natur aus schlecht - ist das wahr?
Dein Mann hat Dich schon tausendmal belogen - ist das wahr?
Natürlich irre ich mich manchmal, oder der Klient besteht auf seiner Wahrheit, dann formuliere ich um mit SOLLTE.
Der Grund ist, dass sich manches mit der jeweils besser "passenden" Formulierung eleganter untersuchen lässt.
Aber unbedingt nötig ist das alles nicht.
Letzten Endes kommt es nur darauf an, zu sehen, dass ich meist leide, wenn ich an meinen Glaubenssätzen festhalte und frei werde, wenn ich das nicht tue.
Ganz wichtig: die Formulierung mit "sollte" bedeutet nicht, dass ich die Tatsachen, die in dem Glaubenssatz beschrieben werden, für gut befinde. (Spätestens bei der Umkehrung könnten manche an so etwas denken.)
Z.B. Männer sollten Frauen vergewaltigen.
Es sollte viele Kriege geben.
Nach meiner Erfahrung haben manche Amerikaner mit "should" die gleichen Probleme wie manche Deutschsprachigen, das hat mit der Übersetzung nichts zu tun.
Ich hoffe, dass ich es jetzt nicht noch komplizierter gemacht habe! :-)
Manche Menschen fragen "was ich bei diesem 'Verurteile Deinen Nachbarn' wirklich nicht so ganz verstehe, ist, warum es effektiver sein soll". Byron Katie sagt dazu "vertraue den einfachen Anweisungen". Für mich ist die Antwort einfach: Weil wir alle schon mit unseren frühesten Erfahrungen Erzogene sind, schon als Babies in vorsprachlicher Zeit erzogen von Erzogenen, meint, wir sind infiziert mit dieser pädagogischen Krankheit "ich weiß, was für Dich am Besten ist". Später kommt dann noch drauf "liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst". Byron Katie erzählt: "ich habe mich gehaßt. Also habe ich auch meine Nächsten gehaßt". Tatsächlich lautet dieser Satz über die Nächstenliebe im Urtext "... als Dich selbst" und will mich erinnern, mich zu lieben in diesem Spiegel, der mein Nächster für mich ist, aber nicht, ein sozialverträglicher Zeitgenosse für alle zu sein.
Byron Katie hat 1986 erkannt, daß wir nur dann leiden, wenn wir einem Gedanken glauben, der im Widerspruch zur Realität steht. Nicht die Dinge oder die Verhältnisse sind das Problem. Es ist das Darüber-Denken. Aber das sagte vor zweieinhalb tausend Jahren schon Heraklit: "Nicht die Dinge spielen uns Possen - die Sinne sind schlechte Zeugen". Es ist hoffnungslos, die Realität anders haben zu wollen, als sie ist. Ich könnte genauso gut versuchen, einer Katze das Bellen beizubringen. Ich könnte das für den Rest meines Lebens tun, und letzten Endes wird die Katze zu mir aufschauen und "Miau" machen. Das mag offensichtlich sein, aber mit etwas Aufmerksamkeit wird mir auffallen, daß ich dutzende Male am Tag ähnliche Gedanken denke: "Die Leute sollten freundlicher sein"; "Kinder sollten sich gut benehmen"; "Meine Nachbarn sollten ihren Rasen besser pflegen"; "Mein Partner hätte mich nicht verlassen sollen"; "Ich sollte schlanker oder attraktiver oder erfolgreicher sein".
Diese Gedanken erwarten von der Realität, daß sie anders sein soll, als sie es jetzt ist. Auf diese Weise werden Streß, Frustration und Depression geboren. Menschen, die neu bei The Work sind, sagen oft: "Aber ich wäre doch machtloser, wenn ich den Widerspruch gegen die Realität aufgebe. Wenn ich einfach alles so akzeptieren würde, wie es ist, würde ich passiv." Ich antworte ihnen mit einer Frage: "Können Sie wirklich wissen, daß das wahr ist?" Was gibt mir mehr Kraft - "Mein Chef hätte mich noch in der Firma halten sollen" oder: "Er hat mich verabschiedet. Welche Möglichkeiten habe ich jetzt?" Die Realität ganz klar zu sehen, versetzt mich in die Lage, intelligente neue Entscheidungen treffen.
Wenn ich mich mit ihr streiten, bin ich eingeschränkt. The Work offenbart mir, daß das, was meiner Meinung nach nicht hätte passieren sollen, wohl passieren sollte. Es sollte passieren, weil es tatsächlich geschah, und kein Denken der Welt kann das ändern. Das bedeutet nicht, daß ich es stillschweigend dulden oder es gutheißen will. Es bedeutet nicht, daß ich passiv werde. Es bedeutet nur, daß ich die Dinge ohne Widerstand und ohne den Streß meines inneren Kampfes betrachten kann. Niemand möchte, daß seine Kinder krank werden; niemand möchte vom Partner verlassen werden, aber wenn es dennoch geschieht, wie kann es da hilfreich sein, dem gedanklich zu widersprechen? Wir haben dies unschuldigerweise getan, weil wir keinen anderen Weg kannten.
The Work bietet uns einen Weg, den schmerzhaften Krieg gegen die Realität zu beenden, so daß wir klar sehen können. Wir untersuchen unser Denken mittels bestimmter, durchdringender Fragen und werden uns unserer Verwirrung bewußt. Das ist Selbsterkenntnis. Es ist eine Chance für den Verstand, sich selbst zu begegnen, sich selbst auf dem Papier anzuhalten und durch die Untersuchung die Ursache und Wirkung des Widerspruchs gegen das "was ist" zu erkennen. Falls das für Sie keinen Sinn ergibt - keine Sorge! Es wird im weiteren Verlauf klarer werden.
Einiges zum "Untersuchen von Gedanken" und zum System weiterentwickelt findet man dazu im Internet in englisch und in deutsch, in den Büchern von Byron Katie [3] sowie auch bei dem Verfasser zweier deutscher Bücher dazu, Moritz Börner, der ein kleines Programm zum worken am PC anbietet [4]. Eine sehr informative Website bietet Heinz Meisnitzer, zertifizierter Begleiter sowie Coach und Lehrcoach für The Work of Byron Katie, in http://heinzmeisnitzer.at/.
Das Worken ist nicht Therapie, sondern wirklich nur schlichtes Untersuchen. Allerdings ist das nicht etwas, das man mal eben probieren kann. Man sollte schon ehrliches Interesse für sich selber und für die eigene Wahrheit haben. Und man kann sehr ausdauernd damit arbeiten. Es reicht nicht, die Säge neben das Brett zu legen - ich muß sie kraftvoll, ausdauernd führen zum Holzsägen. Miterleben kann man das in den mailing-Listen der Worker. [5]
Diese mailinglisten heißen nach einem Buch von Byron Katie "Lieben was ist - Vier Fragen, die Ihr Leben verändern können". Annehmen, was ist - das ist ein Element wahrer Lebenskunst. Damit ist nicht gemeint, sich mit allem zufrieden zu geben und nichts verändern zu wollen. Damit ist vielmehr gemeint, sich nicht an dem aufzureiben, was aus meiner momentanen Sicht eben gerade nicht zu verändern ist, sondern dort anzusetzen, wo ich auch wirklich Einflußmöglichkeiten habe.
Lieben was ist heißt, alles bei sich zu finden und fähig zu sein, die Umkehrungen zu finden, die Welt ist völlig perfekt so wie sie ist. Lieben was ist ist, auf die Welt lustvoll zuzugehen, sie umarmen aus Freude an der perfekten Realität, die ist wie sie ist; kein Kampf gegen die Realität, sondern Freiheit für die Realität. Es bedeutet nicht "ich sollte einverstanden sein". Das klingt eher danach, daß ich den Kampf mit der Realität mir verfestigt habe zu Scheuklappen, die mich nur noch sehen lassen, was ich an Informationen zulasse. Solches "Einverstanden" ist Angst, ist Zusammenziehen auf einen Punkt: ich bin nichts, die Anderen /die Welt /die Regeln/ die Pläne/ die Erwartungen der Gesellschaft sind alles.
Man könnte zu der Auffassung kommen, im Äußeren muß es noch schrecklicher kommen, damit wir die Illusionen der äußeren Welt nicht festhalten wollen. Doch es gibt nichts zu tun, als nur sich seine Urteile anzuschauen; Katie bezieht dazu ganz klar Stellung, und wir vergessen es immer wieder. Oder wie Tony Parsons in seinem Buch "So wie es ist" reagiert, als ein Zuhörer fragt:
" - Wir sitzen hier also bequem und warm und sprechen über Erleuchtung, aber was ist mit all dem Leiden, das geschieht?
Wo ist dieses Leiden? Ich sehe es nicht.
Aber es geschieht in der Welt.
Aber in diesem Moment ist das nur Information, von der Du weißt. Wie geht es Dir? Wie sieht es da aus, wo Du gerade bist? Jetzt.
Darum geht es nicht. Warum sollte ich meine belanglosen Trips erforschen, während all jene Menschen leiden?
Ich schlage Dir vor, sie nicht zu erforschen. Was kannst Du für jemand anderen tun, solange Du nicht die Natur des Leidens erkennst? Doch wenn Du entschlossen bist, dem Leiden in der Welt ein Ende zu setzen, hättest Du schon früher anfangen sollen. Dann verschwendest Du Deine Zeit hier. Du hast eine endlose, riesige Aufgabe vor Dir. Eine andere Möglichkeit bestände darin, einfach bei Deinem eigenen Leiden anzusetzen und zu schauen, was passiert. Leiden ist da, aber es gibt niemanden, dessen Leiden es ist. Es gehört zu niemanden; es geschieht alles innerhalb des Lebensspiels. .... - "
Es geht mir bei the work um das, was in mir ist, und wenn ich Brände und Tote erlebe und ich das nicht annehmen kann, dann bin ich die Toten, die Flammen und die Umweltzerstörung; was soll ich denn in der Umkehrung sonst sein können?
Wenn ich von mir abtrenne, dann bin ich abgetrennt von allem. Und auch darauf könnte ich mich ja freuen, weil ja sowieso keiner da ist, nur meine Gedanken.
Ich kann in der Umkehrung feststellen, daß ich völlig unperfekt bin, und meine Gedanken unperfekt sind und - ohne meine Gedanken - ich perfekt bin, denn das andere ist nicht meine Angelegenheit. Nun, erst jetzt wo meine Kraft nicht mehr absorbiert wird durch mein Leiden aus dem Einmischen in die Angelegenheiten anderer, nun kann ich in Klarheit entscheiden, was ich zu meiner Angelegenheit mache, wo ich zupacken will und kann, wo ich mir Einflußmöglichkeiten verschaffen will für die Schönheit und Ordnung in meinem Universum.
Byron Katie betont immer wieder: "Der Verstand fragt, das Herz antwortet". Man könnte aber auch sagen: Unser Ego fragt und eine höhere Instanz, eine größere Intelligenz in uns antwortet. Lasse Dir daher mit den Antworten Zeit, spüre tief in Dich hinein. Die Untersuchung ist eine Art Meditation, kein intellektueller Leistungssport. Es geht um Deine Wahrheit, jetzt, und nicht um ein Motiv zur Veränderung des Lebens. Es geht um einen Selbstaufklärungsprozeß. Das Gegenteil aller Selbstaufklärung aber ist Selbstgerechtigkeit.
Daher ist es so notwendig (um eine Not zu wenden!), die work nicht mit einem Motiv zu machen, sondern nur aus der Liebe zur Wahrheit - meiner Wahrheit jetzt, in diesem Moment. Deshalb ist es so notwendig, die work nicht als Logikspiel zu treiben, sondern als Meditation. Zwar untersucht in the work der Verstand sich selbst im Verstand. Doch zugleich bedarf es dieses kleinen Schrittes nach innen, meditativ, hin zum urteilsfreien Beobachter, zum unverdächtigen Zeugen.
Der urteilsfreie Beobachter tut nichts! Er beobachtet nur. Doch in besonderer Weise: beobachten - akzeptieren - teilhaben - erleben - fühlen. Bei allen 4 Fragen und bei der Umkehrung, jedesmal: beobachten - akzeptieren - teilhaben - erleben - fühlen. Byron Katie sagt "open mind - open heart!"
Durch das Nicht-Tun des Verstandes (keine Rechtfertigungen, keine Beweise, keine Bewertung, weder Beschuldigung noch Beschönigung) öffne ich den Verstand und komme ins urteilslose Beobachten. Damit öffnet sich das Herz: ich kann akzeptieren, was ist wie es ist.
So kann ich mit offenem Verstand und offenem Herzen teilhaben an der unerforschlichen Fülle meines Lebens. Damit löse ich die Fesseln, in die ich Bauch und Kopf gelegt hatte wegen der Illusion "sonst nicht ertragen zu können" und kann mir jetzt zumuten (ja, es hat wohl was mit Mut zu tun), das, was mir mit dem zu untersuchenden Satz hochkommt, zu erleben und mit dem ganzen Organismus zu fühlen. Dann, damit, dadurch löst sich dieser Gedanke auf, löst sich aus dem Körpergedächtnis und aus dem Verstand und all die Kraft, die ich in das Verdrängen dieses Gedankens gelegt hatte, kommt zurück in mein Herz - in mein Leben.
Dazu gibt es einiges an Modellen, um die Wirk-Mechanismen besser zu verstehen. Und mit dem Verstehen kann ich mir geduldiger zuschauen, kann mich erwartungsfroh meinen neuen Möglichkeiten zuwenden und bin nicht frustriert, wenn ich mal in alte Muster zurückfalle.
Das Gehirn ist im Spiel, was auch immer wir tun. Daher lernt das Gehirn auch immer, nicht etwa nebenbei und wenn es gelegentlich mal sein muß, sondern es kann gar nicht anders, kann ohnehin nichts besser und tut auch nichts lieber! Dies zeigen alle Säuglinge - wir hatten noch keine Chance, es ihnen abzugewöhnen.
Mit jedem Lernen sind auch Gefühle verbunden. Denn unser menschliches Lernen hat keine Ähnlichkeit mit der Informationsspeicherung in der Festplatte des Computers: Es ist die ununterbrochene Anpassung des gesamten Organismus an seine Umwelt, um möglicherweise diese erfolgreich sich anpassen zu können. Leider beachten wir meist nur die kognitiven Informationen, über die wir reden können.
Gerade in jüngster Zeit hat sich die Gehirnforschung dieser Frage angenommen und erste Ergebnisse vorzuweisen [6]. Im Modell der Hirnforschung zeigen Untersuchungen, daß der emotionale Zustand, in dem neutrale Fakten gelernt werden, darüber entscheidet, in welchen Bereichen des Gehirns diese gespeichert werden. Lernt man zum Beispiel Wörter in positivem emotionalem Kontext, werden sie im Hippocampus gespeichert, bei negativen Emotionen dagegen im Mandelkern. Ohne Kenntnis des Gehirns könnte man hieraus folgern, daß zum Beispiel Englisch mit Spaß und Latein mit Angst zu lernen sei, um auf diese Weise sowohl Hippocampus als auch Mandelkern für das Lernen zu nutzen. Man habe mehr Platz und schaffe Ordnung. Die Funktionen von Hippocampus und Mandelkern entlarven diese Schlußfolgerung jedoch eindeutig als falsch.
Der Hippocampus bewirkt das langfristige Speichern von Informationen in der Gehirnrinde. Wenn in Streßsituationen entsprechende Hormone ausgeschüttet werden, ist das kurzzeitig und dosiert hilfreich. Sie versetzen den Organismus in einen Alarmzustand, der etwa ein schnelles Davonlaufen ermöglicht. In der folgenden Zeit jedoch wirken diese Hormone im Gehirn zytotoxisch. Im Hippocampus werden die Nervenzellen zunächst in ihrer Verästelung reduziert und sterben dann ab. Auch beim Menschen gibt es Hinweise darauf, daß so genannte posttraumatische Belastungsstörungen (PTSD) zu einer Schrumpfung des Hippocampus führen. Untersuchungen mit Vietnam-Veteranen haben ergeben, daß diejenigen mit PTSD im Schnitt einen verkleinerten Hippocampus haben. Ähnliche Ergebnisse finden sich bei durch Kindsmißbrauch traumatisierten Opfern.
Daran ist das Furchtzentrum im Kopf, der Mandelkern, beteiligt. Aus Tierexperimenten wissen wir, daß der nach traumatischen Erlebnissen sehr viel komplexer verschaltet wird. Wenn man Ratten einen großen Schreck einjagt, sie quasi foltert, bilden sich mehr Verästelungen in den Zellen der Amygdala aus. Das Furchtzentrum wird überaktiviert, während die ordnende Kraft des Hippocampus abnimmt.
Die Funktion des Mandelkerns ist es nämlich, bei Abruf von assoziativ in ihm gespeichertem Material den Körper und den Geist auf Kampf und Flucht vorzubereiten - jetzt ist keine Zeit, um kreative Lösungsversuche zu probieren. Wird der Mandelkern aktiv, steigen Puls und Blutdruck, und die Muskeln spannen sich an: Wir haben Angst und sind auf Kampf oder Flucht vorbereitet, eine in Anbetracht von Gefahr sinnvolle Reaktion. Die Auswirkungen betreffen jedoch nicht nur den Körper, sondern auch den Geist. Kommt der Löwe von links, läuft man nach rechts. Wer in dieser Situation lange fackelt und kreative Problemlösungsstrategien entwirft, lebt nicht lange. Angst produziert daher einen kognitiven Stil, der das rasche Ausführen einfacher gelernter Routinen erleichtert und das lockere Assoziieren erschwert. Dies war vor 100000 Jahren sinnvoll, führt heute jedoch zu Problemen, wenn mit Angst und Druck gelernt wird. Nicht daß dann nichts hängen bliebe. Das Problem ist vielmehr, daß beim Abruf eben die Angst mit abgerufen wird. Daraus folgt: Landet gelerntes Material im Mandelkern, ist eines genau nicht möglich: der kreative Umgang mit diesem Material.
Auch ist mittlerweile das alte Dogma widerlegt, nach der Pubertät könnten keine neuen Nervenzellen im Gehirn mehr entstehen. Heute ist zumindest bei erwachsenen Mäusen erwiesen, daß im Hippocampus neue Nervenzellen wachsen, wenn die Nager in eine anregende Umwelt gebracht werden. Es gibt auch die Erfahrungen mit unzähligen Menschen, daß sie alte Hilflosigkeits-, Angst- und Wutgefühle auflösen konnten. - Es ist nie zu spät, eine glückliche Kindheit zu haben.
Ich habe weiter oben geschrieben über das reaktive System und das präsentative System. Das eine kann ausschließlich die virtuellen Präsentationen in dem anderen System "sehen" und reagiert dementsprechend. Ein anderes oben beschriebenes Modell, die Kahuna-Lehre, unterscheidet zwischen Oberem, Mittlerem und Unteren Selbst.
Das Obere, das Überbewußtsein - Hohes Selbst = AUMAKUA, entspricht dem göttlichen Funken, der energetischen Wellenfunktion des Organismus. Es ist der Geist-Aspekt: Kane. Das Kane ist die Quelle der Inspiration. Seine Hauptfunktion ist die Kreativität. Es repräsentiert in diesem Sinne das Göttliche in uns selbst. Das Kane kennt das Ziel und manifestiert das Erleben. Seine Hauptmotivation ist die Harmonie. In der hawaianischen Tradition wird es oft auch Aumakua genannt. Dieses Wort heisst auch "Vorfahren". Es ist der Sitz der "höheren" Ziele, die sich ein Mensch für sein Leben gesetzt hat. Es greift kaum je in die Entscheidungen des Lono ein, außer dieses ist dabei, völlig vom Weg abzukommen. Aber wir können diesen Teil unseres Selbst um Rat fragen.
Das Mittlere, Wachbewußtsein = UHANE, meint vorwiegend den Verstand, das organisierende Großhirn. Es ist der Verstandes-Aspekt: Lono. Das Lono kann mit dem Bewußtsein verglichen werden. Es ist sich aller inneren und äußeren Einflüsse bewußt. Es sieht, hört, fühlt, riecht und schmeckt. Es verbindet sozusagen die inneren und die äußeren Welten. Seine Hauptfunktion ist das Entscheiden. Es wägt ab, bewertet und sagt dann dem Ku, was als zu tun ist. Das Hauptwerkzeug des Lono ist die Imagination. Lono ist die einzige Bewußtseinsebene, über die wir die unmittelbare Kontrolle haben. Dieses Modell besagt, im Hinterkopf der linken Gehirnhälfte werden Negativprogramme, starre Gedankenmuster und Glaubenssätze aus diesem Leben, im Hinterkopf der rechten Gehirnhälfte entsprechende aus früheren Leben gespeichert. Diese können jedoch jederzeit durch entsprechende neue Absichtserklärungen umprogrammiert, neutralisiert und verändert werden.
Das Untere Selbst, Unterbewußtsein oder Inneres Kind = UNIHIPILI, ist der Körper, insbesondere die Intelligenz der Zellen und des Bauchhirns. Unihipili heißt "die Seele, die im Körper still dient". Diesen UHANE und da besonders den Verstand gilt es in seinen verschiedenen Ausformungen und Wirkungsweisen besser zu verstehen. Es ist der Herz-Aspekt: Ku. Dieser Aspekt ist das Gedächtnis und der Körper. Seine Hauptfunktion ist das Erinnern. Das Ku lernt, erinnert, führt aus. Das Ku hat viele Qualitäten des "westlichen" Unbewußten, wird aber nicht damit gleichgesetzt. Es bestimmt die Funktionen unseres Körpers und bewahrt dessen Integrität. Das Gedächtnis ist hier aber nicht im Gehirn gespeichert, sondern auf zellularer Ebene im gesamten Körper. Das Gehirn fungiert als eine Art "Verteilzentrum" der gespeicherten oder noch zu speichernden Information. Das Ku reagiert immer so, wie es einmal das gelernt hat. Um das Ku dazuzubringen, anders auf eine wiedererkannte Situation zu reagieren, muß man ihm neue Erinnerungen geben. - Vielleicht ein Ansatz, die Wirkungsweise von Körperarbeit, Psychotherapie über den Körper, besser zu verstehen.
Jedes Individuum ist weit fähiger als es scheint zu sein. Es hat eine riesige Menge an verborgener (schlafender) Fähigkeit. Diese Fähigkeit wird unten gehalten. Sie ist da, aber in seinem gegenwärtigen Zustand ist es unfähig, sie zu benutzen. Eine Person ist tatsächlich ein geistiges Wesen, AUMAKUA, mit einer riesigen Menge an potentieller Fähigkeit. In seinem gegenwärtigen Zustand ist diese Fähigkeit von geistigen Barrieren unterdrückt. Ihre Existenz und Lokalisation sind dem Individuum unbekannt. Deshalb erscheinen sie so unangreifbar.
Bringen Sie jemand dazu, z.B. über diese Barrieren Bescheid zu wissen, so kann er sie nach ihrer Entstehungszeit, nach Platz, Form oder Ereignis sowie mit den damals verbundenen Gefühlen lokalisieren und daraus in neues Entscheiden Hier und Heute kommen. Dann werden die Barrieren verschwinden. Es gibt zahlreiche Techniken, und The Work ist eine besonders einfache und außerordentlich wirkungsvolle, die dem Individuum helfen, seine eigenen geistigen Barrieren im Spiegel der 5. Frage nach der Umkehrung zu erkennen. Diese Barrieren können nur bestehen, solange das Individuum nichts davon weiß.
Deshalb sind sie noch da. Das Individuum hat vergessen, daß es sie selbst als Gegebenheiten erschaffen und da hin gesetzt hat. Indem man das Individuum in die Lage versetzt, diese geistigen Barrieren zu lokalisieren und sich zu erinnern, ist es ihm möglich, die sie begründenden Gedanken und Gefühle aufzulösen und dadurch seine verborgenen Fähigkeiten wieder zu gewinnen.
Der Mensch ist ein geistiges Wesen. Der Mensch ist nicht ein Verstand oder ein Körper. Das geistige Wesen hat einen Verstand und bewohnt und kontrolliert einen Körper. "Verstand" läßt sich differenzieren: Es gibt ein Modell, das einen analytischen und einen reaktiven Verstand unterscheidet.
Der analytische Verstand besteht aus visuellen Bildern, entweder aus der Vergangenheit oder aus dem physikalischen Universum, überwacht und kontrolliert durch das Wissen des Oberen Selbst. Die Grundfunktion des analytischen Verstands ist Bewußtheit; man weiß, welche Schlüsse man zieht und was man tut. Er kombiniert Wahrnehmungen der augenblicklichen Umgebung, der Vergangenheit (durch Bilder) und Einschätzungen der Zukunft zu Schlußfolgerungen, welche auf die Realitäten von Situationen gegründet sind.
Der analytische Verstand ist der Verstand, der aus geistigen Bildern oder Erfahrungen der Vergangenheit, Gedankenströmen und Beschlüssen besteht, die das Individuum benutzt, um Fragen in der Gegenwart aufzuwerfen, zu analysieren und beantworten und für die Zukunft zu erschaffen. Er zieht seine Daten insbesondere aus dem Hippokampus. Der analytische Verstand beinhaltet die natürliche Fähigkeit des Individuums als Oberes Selbst zu entscheiden und wahrzunehmen. Er ist unfähig, sich zu irren, wenn er nicht irgendwie vom reaktiven Verstand gehindert wird. Sie haben vielleicht schon von Leuten gehört, die enorm komplexe Berechnungen in einer sehr kurzen Zeit mit einer ungeheuren Genauigkeit erstellen konnten. Das ist die Funktion des analytischen Verstands. Jeder einzelne Mensch hat dasselbe Potential. Wie auch immer, in seinem bestehenden Zustand wird er mehr oder weniger durch die Aktion seines reaktiven Verstands behindert.
Der reaktive Verstand legt den analytischen Verstand still, indem er falsche Daten und falsche Beschlüsse einschleust, weil er auf Beweise und Rechtfertigungen aus ist, nicht das Neue sehen kann; er reagiert nur. Das verursacht Fehler und das vermindert das Erfolgspotential einer Person. Der reaktive Verstand ist der Teil des Verstandes, der gänzlich auf einer Reiz-Reaktions-Grundlage (ein bestimmter Reiz löst eine bestimmte Antwort aus) arbeitet, der deshalb nicht unter der willentlichen Kontrolle der Person steht und der, reagierend, Kraft und Befehlsgewalt ausübt auf ihr Bewußtsein, ihre Vorhaben, ihr Denken, ihren Körper und ihre Handlungen.
Der reaktive Verstand besteht aus all jenen Erfahrungen einer Person, die Schmerz und Bewußtlosigkeit, Verlust und Mißemotion enthalten. Er zieht seine Daten aus dem Mandelkern. Die geistigen Barrieren sind in diesem reaktiven Verstand enthalten.
Die Anweisungen des reaktiven Verstands erzeugen in der Person, unvernünftig zu sein und sich zu klarem Denken unfähig zu fühlen. Das kann ihre Fähigkeit und ihr analytisches Vermögen so weit einschränken, daß sie ihre Fragen im Leben nicht vernünftig stellen, analysieren und beantworten kann. Er versorgt eine Person mit falschen Zielen, Vorhaben und Entscheidungen, die gegen das Überleben gerichtet sind. Der reaktive Verstand enthält Gegensätzlichkeiten, die die Person mit genau dem enden lassen, was sie nicht will. Zum Beispiel verliert er bei dem Versuch zu gewinnen. Bei dem Versuch Erfolg zu haben, versagt er.
Dieser Verstand kann Gegen-Entscheidungen gegen die Entscheidungen des analytischen Verstands der Person ausspielen und dadurch Probleme verursachen. Der reaktive Verstand hemmt ihre Fähigkeit, jede Handlung sinnvoll zyklisch zu beginnen, durchzuführen und zu beenden, wodurch er in einer Menge unvollständiger Handlungszyklen und vielen noch nicht begonnenen steckenbleibt. Er behindert ebenso ihre Fähigkeit, effektiv zu kommunizieren. Tatsächlich wird jegliche Unfähigkeit zur Kommunikation durch die Existenz des reaktiven Verstands verursacht. Er enthält geistige Barrieren, die ein Individuum behindern und solche Kommunikationsschwierigkeiten verursachen, wie Stammeln, Stottern. Sie erzeugen Wut oder Angst in Situationen, wenn eine Person mit verschiedenen Leuten kommunizieren will, insbesondere Leuten ähnlich zu Eltern, Lehrern, Vorgesetzten, eben weil Personen in "höheren" Positionen für sie Angst erregend sind. Er ist die Quelle aller Nervosität, Hemmungen, mangelndem Selbstvertrauen und der Unfähigkeit, zu kommunizieren.
Das Gehirn lernt immer, ununterbrochen. Es lernt eben auch, während ich mich einschwinge auf die alten Erlebnisse und Barrieren. Dem Organismus geht es um sein Überleben. Deshalb speichert er besonders bedrohliche Erlebnisse redundant ab. Die Erinnerung steckt nicht nur im Gedächtnis des Kopfes, sondern zugleich in vielen Bereichen des Körpers, z.B. als Dauer-Spannungen in Muskeln, Organen und Bindegewebe. Darum ist es so besonders hilfreich, beim Untersuchen von Gedanken immer zugleich in den ganzen Körper zu spüren und damit zu "sitzen", meint, achtsam zu werden auf das, was aus dem Körper als Antwort aufsteigt.
Wenn der eigentliche Witz des "biokulturellen Ko-Konstruktivismus" von Rösler und Baltes darin liegt, daß die Wechselwirkung unendlich reziprok ist - wer Musik besser wahrnimmt, weil er viel Musik gehört hat, macht auch bessere Musik; wer Terror erfährt, neigt hirnphysiologisch zum Terror; wer viel und regelmäßig seine virtuellen Viren löscht, wird geschickter im Ausbauen des virtuellen Immunsystems - dann gilt auch der Satz "wir sind was wir tun".
Ich kann mich entscheiden, in jeder Sekunde neu, meine Barrieren im Kopf zu erkennen und ich kann mich nun unterstützen lassen bei solchem Erkennen. Die mailing-Liste lieben-was-ist der Work-Ausübenden ist solch ein Forum. Dort stellen die Teilnehmer ihre works hinein und die übrigen geben Hinweise zum Vertiefen. Jeder Leser bemerkt ständig "Ihr macht meine work". Was Byron Katie immer wiederholt wird erlebbar: "es gibt keinen Streß, es gibt nur Recycling der immer gleichen Vorwürfe seit Jahrtausenden". So erkenne ich meine Barrieren.
Diese meine Barrieren erkennen zu wollen ist zu meiner Liebe zu mir selber kein Widerspruch sondern eine Vertiefung. "Ich liebe mich so wie ich bin" wird ja erst voll und rund, wenn ich mich in meiner ganzen Fülle erkenne und dazu gehört auch das, was ich in meiner früh gelernten Erzogenensprache "Barrieren" oder "Mängel" nenne. Die gehören doch zu mir als der, der ich jetzt bin. Indem ich liebevoll auf sie zugehe, gehe ich auf mich zu in allen meinen Potentialen.
Diese meine Barrieren erkennen zu wollen ist die Voraussetzung für ein Leben in Frieden und Zufriedenheit. Der Wunsch nach Frieden allein bleibt hohles Pathos. Frieden fängt zu Hause, im eigenen Herzen an. Erst wenn ich meine Barrieren erkenne und damit überwinde, kann ich bemerken, daß es zahllose Informationen gibt, zum Frieden zu kommen. Die kann ich zu meinem Wissen machen und Hippokampus und Mandelkern gelangen zu neuem Gleichgewicht.
The Work von Byron Katie ist für mich das einzige System oder eine Methode, die eine gleiche Idee von sehr vielen Methoden umsetzt, jedoch in einer besonders einfachen, perfekten Form, ohne psychologischen, philosophischen, metaphysischen, esoterischen Überbau - einfach die Untersuchung des momentanen Gedankens mit seinen Gefühlen.
Jenseits von allen therapeutischen Konzepten, einschließlich der modernen Verfahren, wie Familienstellen und was weiß ich, ist The Work von Byron ein Verfahren, was die bekannten Verfahren verfeinert hat. THE WORK wird sehr folgerichtig in dem Buch von Prof. Kriben Pillay "Radikales Erkennen" so darstellt: Therapie kann mit dem Sofa rücken im Gefängnis bezeichnet werden, während The Work einfach ein Bombe in das Gefängnis zu werfen bedeutet. Und diese Bombe wirft jeder selbst! Kann nur jeder selbst werfen! 4 Fragen und 1 Umkehrung.
Das liebe ich an The Work, weil es meinen Verstand einfach so nimmt, wie er ist. Eine einfachen Struktur für den Verstand, die seinen Denker und seinen Beweisführer, die jeden seiner Gedanken und Gefühle, sein Bedenken und Beweisen samt Gegenteil, ernst nimmt und den Gedanken, das Gefühl so sich selbst auflösen läßt, noch im Verstand. Und mit dem meditativen Spüren bei jeder der 4 Fragen in die aus dem Körper aufsteigenden Gefühle dazu, wird auch das Bauchhirn beteiligt, so daß auch dort die Verhaltensmuster aufgelöst werden können - Ähnliches wird mit Ähnlichem geheilt.
Es erfordert nicht Jahre von Studium oder einen Berg Gelehrsamkeit. Es erfordert gerade mal die Ausrichtung auf wenige, einfache, perfekte Prinzipien, immer, sogar, wenn ich ganz innen ankomme. Ich liebe es wegen dieser Verstandes-Einfachheit, seiner absoluten Effizienz wie das Bewegen eines scharfen Messers durch eine Salatgurke. Ich denke daran, wie an etwas, das ich in meiner Hosentasche mit mir herumtrage. Es erfordert nicht, daß man sich an viel erinnern muß, oder, daß komplizierte Formeln abzuarbeiten wären.
Bleibe nur bei den einfachen Prinzipien, bis Du ganz zu Hause bist. Ich verwende es in dieser Weise. Es ist wie ein Rahmenwerk, das meinen Verstand entspannt sein läßt, und wo ich hineinhängen kann, was ich im momentanen Kontext als anstrengend erkennen kann, eine einfache Wahrheit, die leicht zu erinnern ist, von der aus und mit der leicht zu arbeiten ist.
Mein einziger Rat dazu ist, gehe dabei sehr, sehr sanft mit Dir um. In The Work geht es nicht um Selbstvorwürfe oder darum, sich zu verändern. Es geht darum, die Wahrheit zu finden, Du Deine, ich meine, jetzt. Byron Katie sagt "tu The Work nicht mit einem Motiv ..." (da will einer 'spirituell wachsen' oder 'Sinn in die Gefühle bringen' oder 'sich von negativer Energie freimachen') "... - tu The Work allein nur aus Deiner Liebe zu Deiner Wahrheit". Die Demut, das ist hier "mein Mut für mich als mein Eigner" (ahd. »dio« für Knecht und »muot« (Mut) für Gesinnung, Haltung), die ich in den Umkehrungen finde, kann so süß sein. Meine Umkehrungen sind manchmal wie ein Kissen, in das ich hineinweinen kann und ich kann die bewußt gewordenen Heimsuchungen von Schmerz, Angst, Leid erkennen als meine Freunde, Lehrer, Schutzengel.
Ich kann mich erkennen lassen, daß ein Gedanke, ein Gefühl, ein Glaubenssatz mit Argumenten verteidigt wird. Der Denker denkt, der Beweisführer beweist. Ich kann finden, das jeder Glauben, auch der schrecklichste, mit vielen, vielen Argumenten verteidigt werden kann. Wir führen Krieg, exekutieren Leute; sogar die mörderische terroristische Aktion kann mit Argumenten verteidigt werden.
Seit ich The Work gefunden habe, ist es für mich ein sicheres Signal, wenn ich in mir Leiden oder Scham erlebe: Ich stecke in einer meiner Geschichten. Ein guter Anlaß, The Work zu machen. Ich merke, wenn ich wirklich die Wahrheit wissen will, was ja durchaus nicht immer der Fall ist, daß dann das Leid, die Scham verschwindet. Was bleibt, das ist Mitgefühl, mit mir selbst und mit den anderen. Ich finde dann, wir sind alle unschuldig - wir alle tun das Beste, was wir können.
Ein Gedanke, ein Gefühl, ein Glaube ist nicht der Punkt, wo Wahrheit gefunden werden kann. In der Stille nur 'weiß' ich die richtige, beste, liebevolle Antwort. In der Weise erklärt sich mir der Unterschied zwischen Wissen und Weisheit - und auch Weisheit macht ein Spiel daraus. Denn in dem Spiel kann ich leicht die Wahrheit in Glaubenssätzen finden, die mich nicht verletzen und andere auch nicht. Aber, kommen die aus einem netten Konzept oder aus der Weisheit der Stille? Es gibt noch so viel zu erforschen. In den verletzenden Glaubenssätzen steckt die große Möglichkeit zur Klarheit über ihre Grundlage: Mit Konzept? Oder ohne - es passiert eben doch, manchmal, auch ganz reales Leid jetzt und hier.
Ich erkenne das Spielen der Weisheit auch, wenn dieses Gefühl von Versuch kommt, etwas zu packen oder zu konstruieren, was mir Sinn in die Welt bringt, und dann zu versuchen, meine Welt passend zu diesem Konstrukt zu machen. Und da kann mich The Work richtig ergötzen: Es ist solide Arbeit; aber wenn ich versuche, davon ein Ergebnis als Glauben festzuhalten, schlüpft es mir aus dem Griff und dreht sich womöglich um und beißt mich.
Dieses, für mich, ist Wahrheit und ein Stück weit Lösung, möglicherweise sogar Rettung. Ich habe The Work verwendet, um Klarheit in mir, besonders bei meiner Anhaftung an Wettbewerb, Konkurrenz, Maske, Stärke, Überlegenheit zu suchen. Diese Klarheit über mein eigenes Selbst hat das Gepäck erleichtert, das meine Abtrennung bewirkte, die ich ja nicht wirklich will. Diese Abtrennung, dieses Gepäck hatte ich in mich integriert durch die Erfahrung all der Spiele, die ich meinen Verstand zu spielen gelehrt habe von Säugling auf, weil es mir überlebenswichtig erschien.
Mir wurde durch das konsequente Anwenden von The Work offenbar, daß das Gepäck, meine Drumherumgeschichten, mich da zurückhält, wo ich eigentlich in offenem, liebevollem, furchtlosem Frieden leben will, mit keinem Wettbewerb, keiner Trennung, keinem Konflikt sein will.
Ich, das Niedere Selbst, will aber das Neue in einer jetzigen Situation gar nicht mitkriegen, sondern ich halte mich an meiner Geschichte fest, suche eigensinnig die Ähnlichkeiten in früheren Situationen, wo ich erfolgreich die Not übergehen konnte, dem Locken der Selbstheilungskraft widerstanden habe. Ich krieche eigensinnig so tief ins Festhalten des Vorgestern, ins Träumen des Übermorgen, daß ich völlig 'außer mir' gerate. Ich lebe nicht mehr im Hier und Jetzt, wo doch allein mein Leben stattfindet, nicht eben, nicht nachher, nicht da oder dort. Gedanken sind immer Vergangenheit. Wenn ich die Alpträume der Vergangenheit untersucht und aufgelöst habe, gibt es nichts mehr in die Zukunft zu projizieren und eine wundervolle Zukunft wartet auf mich.
Nur jetzt, auf diesem Punkt Gegenwart zwischen Vergangenheit und Zukunft, dieser ungreifbaren Wirklichkeit zwischen Nicht-mehr und Noch-nicht will ich heiter, gelassen, mitfühlend und beherzt leben. Und wieder blitzt ein Paradoxon auf. Denn in diesem Punkt Gegenwart falle ich nicht in die grenzenlose Vereinzelung, sondern weiß mich geborgen in meinen Bindungen an Gestern und Morgen, Oben und Unten und meine Mitte. In selbstverantworteter Freiheit und grenzenloser Resonanz.
In dieser Sekunde beginnt der Rest meines Lebens! Und das Schöne an Gegenwart: In jeder Sekunde kann ich mich neu entscheiden. Und das Schöne an Vergangenheit: Sie ist vorbei; unabänderlich und unwiederbringlich! Und das Schöne an Zukunft: Sie verzweigt sich, zahllosen Zukünften entgegen! Warum erscheint es so schwer, mich in jeder als Handelnden zu erkennen? Warum habe ich das vergessen?
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