Ich las in der taz die Filmrezensionen. Ich finde es so unglaublich spannend, wie Kino Wirklichkeit macht – und wie darüber geschrieben werden kann.
“ … Am Anfang von “Faust” gleitet die Kamera über eine Modelllandschaft aus Bergen und Meer, sie nähert sich einer Stadt, ein harter Schnitt unterbricht ihren Flug, ein Close-up auf ein schrumpeliges Körperteil folgt. Nach ein paar Sekunden begreift man: Es ist ein Penis, und der Penis gehört einem Toten, der seziert wird. … Die Figuren bewegen sich in verstellten, engen Räumen, die Proportionen sind verzerrt, und die Farbigkeit der Welt ist ins Graugrüne verschoben. Sokurows Interesse gilt unwillkürlichen Gesten, vergeblichen Bemühungen und der daraus resultierenden, sanft-grotesken Komik, sein “Faust” ist eine seltsam amorphe Fantasie, ein Traum, den man Nacht für Nacht träumt, ohne ihn je bewusst zu erinnern. …”
“… “Amer” erhebt das akustisch Ephemere des Alltags zum weltfüllenden Ereignis, zum ästhetischen Hochkonzentrat einer ungefilterten Wahrnehmung, von Dialogen indessen kaum gestört … Hélène Cattet und Bruno Forzani, die beiden Regisseure, komponieren eine dunkle Welt aus kleinsten Ereignispartikeln und tauchen sie tief ein in satte Primärfarben. …”
“ … ROADMOVIE Eigenwillig offen für Abschweifungen: Nuri Bilge Ceylans Film “Once Upon a Time in Anatolia” sieht manchmal aus wie ein Krimi und läuft am Ende einfach weiter”
Ich weiß schon, warum ich seit Jahren weder ins Kino gehe noch TV gucke. Diese Regisseure und Schauspieler sind so genial, dass sie mir in den Kopf fassen könnten, mich ihre Visionen fühlen lassen könnten. Das will ich nicht. Ganz abgesehen von dem schlechten Kosten-Nutzen-Verhältnis – Kosten an Zeit und Aufmerksamkeit zu Nutzen an Informations-Input und sinnlicher Bereicherung.
“… “Arrietty” erzählt vom Konflikt zwischen Familienbanden und Liebe zum Fremden, eine Geschichte über den Wunsch und die mit dem Erwachsenwerden verbundene Notwendigkeit, die Grenzen der eigenen Welt zu überschreiten. … Blicke alles immer so an, als könnte es leben. Und so schlägt in diesen Filmen auch das Unbelebte in der Natur die Augen auf und blickt auf den Menschen zurück. …”
Ja, aber so ist es doch in Wirklichkeit! Unter Quantenphysikern setzt sich immer mehr die Sichtweise durch, dass Materie eine Illusion menschlicher Wahrnehmung ist, hinter der sich in Wirklichkeit ein Informations-Phänomen versteckt. Der Wiener Quantenphysiker Prof. Anton Zeilinger, bekannt geworden durch seine Experimente zur Photonen- Teleportation, ist einer der Vordenker dieses sich andeutenden Paradigmenwechsels. Felix Hau, Ralf Vanscheidt und Jens Heisterkamp vom Magazin info3 interviewten Zeilinger im April 1999 an der Universität Wien. Renommierte Physiker wie Prof. Anton Zeilinger oder John Archibald Wheeler diskutieren vor diesem Hintergrund ernsthaft eine Welt, in der es Information und Kraft, nicht jedoch Materie gibt.
Da spricht mir ein LeserInnenbrief aus dem Herzen (Das Dritte, lächelnde Lebendige; betr.: “Nachdenken über Christa W.”) “Christa Wolfs Tod betrübt und erschreckt mich: Die Reihen mir wichtiger Menschen zwischen mir und dem Ende lichten sich. Ich bin 69 Jahre alt. Zwischen “scharfen Unterscheidungen” gibt es “das Dritte”, “das lächelnde Lebendige, das imstande ist, sich immer wieder aus sich selbst hervorzubringen, das Ungetrennte, Geist im Leben, Leben im Geist”.
Dieser Satz, den Christa Wolf Kassandra sagen lässt, begleitet mich schon viele Jahre. Ich zitierte ihn in den achtziger Jahren sogar im Stadtrat des Eifelstädtchens Monschau als grüne Abgeordnete. …”
Ich bin jetzt 76 Jahre alt und bemerke, dass meine Wirklichkeit immer bunter, intensiver wird – das lächelnde Lebendige, das imstande ist, sich immer wieder aus sich selbst hervorzubringen, das Lächeln des Universums im eigenen Bauch spüren. Jetzt. Hier.