Alter

Heute Morgen hat es geschneit. Als ich vors Haus gucke, war schon gefegt und gestreut. Ich war so froh und dankbar!

Im letzten Winter hab das noch ich gemacht für unsere alte Nachbarin. Die ist nun ins Altenheim umgezogen. Ihr Haus habe Junge Leute gekauft. Naja, also, so jung sind die auch nicht mehr. „Die Jüngeren“, „die Älteren“ las ich einmal in einer Untersuchung über Altersbilder, das sind immer solche, die mindestens 15 Jahre jünger bzw. älter sind. Für meinen inzwischen über 90-jährigen früheren Chef, den ich als einzigen hoch schätze unter den vielen Chefs in meinem Arbeitsleben, gehöre ich zu den jungen Leute.

Nun bin ich hier der alte Nachbar, dem man in nachbarschaftlicher Hilfe etwas abnimmt. Und ich bemerke, ich lasse mir gern abnehmen. Ich mag das, einfach loslassen, nicht mehr den Starken machen, der zur rechten Zeit mit den rechten Mitteln das Notwendige weiß und dann auch tut. Wohl kann ich den Nachbarn – auf ihren Wunsch – noch Tips geben und ihnen die dafür erforderlichen Werkzeuge ausleihen.

Ich kenne einige AltersgenossInnen, die solches Loslassen anscheinend als Bedrohung empfinden. Sie scheinen ihre Wichtigkeit, ihr Gewicht für sich selber, nur aus Signalen von außen oder aus ihrem Einfluss nach außen, z.B. auf ihre Kinder und Schwiegersöhne, ziehen zu wollen und machen sich damit, in meinen Augen, zum Kasper. Diese Haltung „.. um zu ..“, „.. damit ..“ macht mir Unbehagen. Ich habe einen anderen Begriff von Selbstverantwortung. Leben, einfach zu leben kann eine prima Alternative sein.

Bei vielen setzt das Kaspern schon früher ein; so fand ich kürzlich ein Forum forever young Club. Ich will das nicht lächerlich machen. Der Betreiber der website, Dr. Strunz, kann einen wissenschaftlich und sportlich beeindruckenden Lebenslauf vorweisen und ich habe mit großem Interesse dort die News gelesen, ein erklärter „Schulmediziner“, der sich einen ungewöhnlich weiten Blick geschaffen hat.

Doch in seinem Forum, wo sie von „unserem Doc“ schreiben, (wer sich mit einer Frage im Forum meldet, stellt sich mit Alter/Länge/Gewicht vor – also anscheinend alles Junge Leute, also jünger als 61 von mir aus gesehen) tauschen sich die TeilnehmerInnen über Pulsraten und allerlei Nahrungsergänzungsmittel aus, damit sie forever young werden.

Nun gut, Dr. Strunz erreichte 1999, wenn ich die verschiedenen Daten richtig zusammenzähle als 56-Jähriger, den 2. Platz in seiner Altersklasse beim Ironman Europe, mit 2.700 Teilnehmern der größte Triathlon der Welt; 3 Jahre vorher war er unter den schnellsten drei Prozent aller Teilnehmer beim 100-Kilometer-Lauf Biel. Der Mediziner und Extremsportler hatte mit Vorträgen und Büchern in Millionenauflage die Deutschen ans Laufen gebracht.

Aber warum sollte ich auf die Idee kommen mitzulaufen? Warum sollte ich anstreben, forever young zu sein? Leben, einfach zu leben kann eine prima Alternative sein. Zum Leben gehört Tod – in meinem Bild von der Welt sind Geburt und Sterben Ein- und Ausgänge in einem Kontinuum von Existenz.

Warum sollte ich den heutigen Physikern nicht Glauben schenken, dass Materie eine Illusion menschlicher Wahrnehmung ist, hinter der sich in Wirklichkeit ein Informations-Phänomen versteckt? Wenn sich sogar ein Naturwissenschaftler und Mathematiker diesem grenzwissenschaftlichen Thema nähert, früherer Rektor der Ruhr-Universität Bochum und Mitbegründer des Sonderforschungsbereichs „Biologische Nachrichten-aufnahme und -verarbeitung“ der DFG, dann brauche ich, nun ganz offen, nicht länger an den streng materialistischen Glaubenssätzen aus meiner Erziehung festzuhalten.
Da tun sich neue, weite Horizonte auf – einfach leben, einfach leben.

Filme im Kopf

Ich las in der taz die Filmrezensionen. Ich finde es so unglaublich spannend, wie Kino Wirklichkeit macht – und wie darüber geschrieben werden kann.

“ … Am Anfang von “Faust” gleitet die Kamera über eine Modelllandschaft aus Bergen und Meer, sie nähert sich einer Stadt, ein harter Schnitt unterbricht ihren Flug, ein Close-up auf ein schrumpeliges Körperteil folgt. Nach ein paar Sekunden begreift man: Es ist ein Penis, und der Penis gehört einem Toten, der seziert wird. … Die Figuren bewegen sich in verstellten, engen Räumen, die Proportionen sind verzerrt, und die Farbigkeit der Welt ist ins Graugrüne verschoben. Sokurows Interesse gilt unwillkürlichen Gesten, vergeblichen Bemühungen und der daraus resultierenden, sanft-grotesken Komik, sein “Faust” ist eine seltsam amorphe Fantasie, ein Traum, den man Nacht für Nacht träumt, ohne ihn je bewusst zu erinnern. …”

“… “Amer” erhebt das akustisch Ephemere des Alltags zum weltfüllenden Ereignis, zum ästhetischen Hochkonzentrat einer ungefilterten Wahrnehmung, von Dialogen indessen kaum gestört … Hélène Cattet und Bruno Forzani, die beiden Regisseure, komponieren eine dunkle Welt aus kleinsten Ereignispartikeln und tauchen sie tief ein in satte Primärfarben. …”

“ … ROADMOVIE Eigenwillig offen für Abschweifungen: Nuri Bilge Ceylans Film “Once Upon a Time in Anatolia” sieht manchmal aus wie ein Krimi und läuft am Ende einfach weiter”

Ich weiß schon, warum ich seit Jahren weder ins Kino gehe noch TV gucke. Diese Regisseure und Schauspieler sind so genial, dass sie mir in den Kopf fassen könnten, mich ihre Visionen fühlen lassen könnten. Das will ich nicht. Ganz abgesehen von dem schlechten Kosten-Nutzen-Verhältnis – Kosten an Zeit und Aufmerksamkeit zu Nutzen an Informations-Input und sinnlicher Bereicherung.
“… “Arrietty” erzählt vom Konflikt zwischen Familienbanden und Liebe zum Fremden, eine Geschichte über den Wunsch und die mit dem Erwachsenwerden verbundene Notwendigkeit, die Grenzen der eigenen Welt zu überschreiten. … Blicke alles immer so an, als könnte es leben. Und so schlägt in diesen Filmen auch das Unbelebte in der Natur die Augen auf und blickt auf den Menschen zurück. …”

Ja, aber so ist es doch in Wirklichkeit! Unter Quantenphysikern setzt sich immer mehr die Sichtweise durch, dass Materie eine Illusion menschlicher Wahrnehmung ist, hinter der sich in Wirklichkeit ein Informations-Phänomen versteckt. Der Wiener Quantenphysiker Prof. Anton Zeilinger, bekannt geworden durch seine Experimente zur Photonen- Teleportation, ist einer der Vordenker dieses sich andeutenden Paradigmenwechsels. Felix Hau, Ralf Vanscheidt und Jens Heisterkamp vom Magazin info3 interviewten Zeilinger im April 1999 an der Universität Wien. Renommierte Physiker wie Prof. Anton Zeilinger oder John Archibald Wheeler diskutieren vor diesem Hintergrund ernsthaft eine Welt, in der es Information und Kraft, nicht jedoch Materie gibt.
Da spricht mir ein LeserInnenbrief aus dem Herzen (Das Dritte, lächelnde Lebendige; betr.: “Nachdenken über Christa W.”) “Christa Wolfs Tod betrübt und erschreckt mich: Die Reihen mir wichtiger Menschen zwischen mir und dem Ende lichten sich. Ich bin 69 Jahre alt. Zwischen “scharfen Unterscheidungen” gibt es “das Dritte”, “das lächelnde Lebendige, das imstande ist, sich immer wieder aus sich selbst hervorzubringen, das Ungetrennte, Geist im Leben, Leben im Geist”.
Dieser Satz, den Christa Wolf Kassandra sagen lässt, begleitet mich schon viele Jahre. Ich zitierte ihn in den achtziger Jahren sogar im Stadtrat des Eifelstädtchens Monschau als grüne Abgeordnete. …”

Ich bin jetzt 76 Jahre alt und bemerke, dass meine Wirklichkeit immer bunter, intensiver wird – das lächelnde Lebendige, das imstande ist, sich immer wieder aus sich selbst hervorzubringen, das Lächeln des Universums im eigenen Bauch spüren. Jetzt. Hier.

Verschiedenheit

Ich las in der taz v. 18.01.2012 einen schönen Satz “Wir sind alle verschieden verschieden”. In dem Artikel*) geht es um inklusive Schule, um ein neues Buch darüber**).

Mir geht es um mein Alltagsleben und wie mich solche Beispiele ermuntern, beflügeln: Unsere FMK-Ideen strahlen immer noch und heute setzen ganz andere Menschen diesen Geist um.
Schüler nehmen sich in heterogenen inklusiven Klassen sehr deutlich in ihrer Verschiedenheit wahr – aber sie hören auf, dies abzuwerten, sondern beginnen etwas, das ganz selbstverständlich sein sollte, es aber lange noch nicht ist: Verschiedensein als interessant und “normal” zu empfinden.

Übersetzt in meinen Alltag: Die Idee einer inklusiven Gesellschaft lebt wie der Löwenzahn, der sich im Frühjahr durch den Asphalt bricht. Sie lebt konkret und organisiert sich in lebendigen Menschen. Sie betrifft jeden und wo ich das gerade lese: gerade mich zuerst. Die Vision dieser Gesellschaft heißt: dass Verschiedenheit Vielfalt bedeutet und jeder Platz im Leben dieser gerecht werden kann – wenn vielfältig gehandelt wird. Dazu gehört: 1. eine Vielfalt im Team. 2. eine Vielfalt in der Methodik, Binnendifferenzierung, in unterschiedlichen Sozialformen. 3. eine Vielfalt der Struktur, Auflösung starrer Zeiten und Orte.
Was ist mein Beitrag dazu, heute, hier, jetzt?

*) Verschiedenheit als Reiz
taz v. 18.01.2012: INKLUSION Es ist ein weiter Weg bis zu einer inklusiven Gesellschaft, in der die besonderen und die “normal” besonderen Menschen wirklich zusammenleben. Ein neues Buch beschreibt Etappen für die Reise dahin VON SYLVA BRIT JÜRGENSEN

**) “Eine Schule für alle: Inklusion umsetzen in der Sekundarstufe“. Verlag an der Ruhr, Mülheim 2011, 360 S. 26,90 Euro.
Das Buch kann direkt beim Elternverein mittendrin e.V., der sich der Inklusion besonderer Kinder verschrieben hat, bestellt werden. mittendrinev@netcologne.de

Anfangen

Ich las gestern (17. Januar 2012) eine mail von doris doblhofer. Sie beschreibt ihre Bedenken beim Einrichten ihres blog. So ähnlich ging es mir seit Jahren. Jetzt habe ich, dem Beispiel folgend, es einfach gemacht. Einfach? Naja, da war zu kären, was kann mein website-Programm, was kann meine website beim Provider. Nun gibt es einen Anfang.
Vielleicht gibt es Leser, vielleicht gibt es Kommentare, vielleicht ist das nur ein Zwiegespräch mit mir selber, ein Tagebuch meiner Gedanken.

Nachtrag, 23.1.12: Zum Anfangen gehört dann wohl auch, dass „einfach anfangen“ auch was von Illusion hat. Jetzt hab ich mein strato_weblog_basic-WordPress neu aufgesetzt. Man sollte dadrin nicht spielen.