17.03.2017

Liebe Menschen,

in der Nacht auf Freitag, dem 17.03.2017, ist Jans aus dieser Welt gegangen.

Möge er in Frieden ruhen – oder worauf immer er jetzt Lust hat.

Dieser Eintrag schließt damit seinen Blog, der seinem Wunsch folgend noch eine Weile online bleibt.

Herzlichst

Ellen

 

Stand der Dinge

Es war viel los seit dem letzten Posting.

Ich war z.B. bei Winter in Iserlohn, genauer, am Do, 2.3., per Bahn nach Solingen zu Freunden, am Fr, 10 – 14 Uhr bei Winter, am So, 5.3., zurück nach Hause. Rein kräftemäßig erschien es mir grenzwertig – es reicht zum aufrechten Gang, was mehr erfordert braucht Planung, z.B. den kleinen Rucksack nach oben ins Gepäcknetz zu bekommen.

Mein Coach im Winter-Institut war Herr Hoffs, für mich eine große Bereicherung. Er kann aus dem Herzen begleiten. Die erste Hälfte der Zeit diente dem Rück- und Ausblick. Es gibt schon einiges zu erzählen aus 81 Jahren. Die zweite Hälfte umfasste eine Trance-Reise, zuerst zum jüngsten Ereignis, wo ich mich erinnere an diese Atonie – entleert von jeglichem Tonus –, von da zu ähnlichen Situationen in der Schulzeit, dieses Gefühl von „alles völlig vergeblich“ vor einer Mathe-, oder Griechisch-Klassenarbeit – „wenn ich wenigstens etwas von den Nachbarn abgucken kann, kriege ich bestenfalls ein Fünf; zur Versetzung bräuchte ich eine Drei“. Von da ging es zur Geburt, 36 Stunden, Nabelschnur um den Hals, dem Tod näher als dem Leben. Da konnte ich dem Erlebenden mit einem kräftigen Reikistrahl ins Freie helfen.

Der Neugeborene hatte in der 1. Woche einen Ikterus, Für seine Mutter, ‚staatlich geprüfte Krankenschwester‘, und ihre Unterstützerinnen im Krankenhaus kein Problem: saubere Routine. Für den Neugeborenen der Horror: völlige Beziehungslosigkeit, kalte Finger ohne Kontakt, eine Mutter ohne Milch in der Brust; eine Idee, die wieder hochkam „ich wollte unter Menschen geboren werde und bin unter Robotern rausgekommen – ich hab was Grundsätzliches falsch gemacht“. Da wollte ich ihm wieder Reiki zur Unterstützung schicken. Aber dieser Jans sprang mich förmlich an, sinngemäß: „Keine kleinen Tröstungen – ich muss da mein Leben lang durch – bis ich schließlich mit 81 merke, dass es auch anders gehen könnte“. Ich war völlig baff und hab mich zurückgezogen. – Zuletzt zeigte sich in heller, klarer Form die Bauchspeicheldrüse.

In den Tagen drauf lernte ich, noch direkter mit Hermann umzugehen: Wenn sich jetzt diese Spannung auf dem Wirbel zwischen den Schulterblättern hochzieht, reicht schon ein freundlicher Hinweis, und er kommt zurück in die warme Halle des Herzens. Hier steht er als, tja, Skulptur einer Flamme.

Ansonsten, was der Körper so macht, das ist eher nicht so ermunternd. Vermutlich werde ich eher wegen der Folgen aus übergroßer Gallenblase in größere Schwierigkeiten kommen, als wegen des Tumors in der Bauchspeicheldrüse. Mit dem bin ich in mentalem Kontakt und er ist nicht mehr am brodeln. Aber die Entzündung in der Leber durch den Gallenrückstau drückt auf die Lunge. Das nimmt den Atem, wenn ich mich bewege, extrem: die Treppe hoch muss – das führt zum Erstickungsanfall – sehr unangenehm. Daher ziehe ich ab heute ins Geästezimmer, neben dem Bad.

Und das Große und Ganze? Im grünen Bereich: außer Leber und Pankreas sind ja alle diese Ganzheiten, die dann den sichtbaren Jans bilden, ja durchaus freundlich, kooperativ und verhalten sich normal. Ich habe keine Schmerzen, wenn ich mich im Schlaf nicht gerade auf die Leber rolle. Ich wache morgens frohgemut auf und freue mich aufs Frühstück. Zwar kann ich nicht mehr zum Markt radeln (oder gar Bus fahren), aber ich kann noch zubereiten, was Ida mitgebracht hat, also lecker wie immer schon.

Mittwochs besucht mich Petra, diese geniale Ostheopatin, und hilft dem Zusammengezogenen sich wieder zu strecken und allem Übrigen wieder ins richtige Maß zu kommen. Dann bin ich für die nächsten Tage OK. – Und ich kann dieses Geschenk von ihr annehmen, das Thema ‚hingeben, anlehnen‘ läßt grüßen. Und dem komme ich damit auch immer näher. Ja, könnte es sein, dass ich auf die letzten Tage noch tiefgreifende Erkenntnisse für mein Leben finde – sollte mich freuen.

 

 

Dein Schmerz

Hubertus hat in den hunderten von "Weiterführenden Texten", die in der vorigen Version http://www.amication.de/ noch sichtbar waren, viele Perlen amicativer Sicht versteckt. So auch die Folgende. Ich hatte, angeregt durch Byron Katie, darüber geschrieben in https://www.selbsterkenntnis-eigensinn.de/015_wir-syndrom_und_herrschaft.html

»Du tust mir weh« – wir haben von klein auf zu glauben gelernt, dass dies überhaupt geschehen kann. Und dass wir diejenigen seien, die den anderen Schmerz und Betrübnis bereiten. Doch wir schneiden auch das »Du tust mir weh« als einen Marionettenfaden ab. »Du tust mir weh« geht in Wahrheit überhaupt nicht zwischen Menschen!

»Du tust mir weh« schiebt dem einen die Zuständigkeit und Verantwortlichkeit für das Wohl des anderen zu. Zuständig und verantwortlich bin ich jedoch stets für mich selbst, niemals kann dies ein anderer für mich sein. Wenn es in unserem Umgang ein »Du tust mir weh« gibt, zeigt dies, dass wir einander zu entmündigen gewohnt sind und dass in komplizierter Weise der Entmündigte (der Zuständigkeit für seinen Schmerz nicht mehr bei sich sieht) den anderen unterdrückt, indem er ihm die Sorge für sein Wohl aufbürdet.

Wir haben gut gelernt, auf das »Du tust mir weh« blitzschnell zu reagieren: mit Verteidigen, mit Wiedergutmachen, mit Beschwichtigen, mit Entschuldigen, mit schlechten Gefühlen und schlechtem Gewissen. Unumstößlich war, dass wir tatsächlich dem anderen etwas getan hatten und dass die Idee »Der eine kann dem anderen weh tun« eine korrekte Idee sei.

Es ist jedoch ein jeder für sich selbst zuständig. Wenn ich etwas tue, ist dies vor mir, dir und der Welt verantwortet. Da ich mich liebe, ist mein Tun immer ein sinnvolles und letztlich Liebe ausdrückendes Tun. Dies bedeutet nicht, dass es von den anderen stets als Glück erlebt wird! Mein sinnvolles Tun kann durchaus für andere Schmerz bedeuten. Aber es gilt zu merken, dass die Schmerzerfahrung über mein sinnvolles Tun die Erfahrungsrealität des anderen ist, nicht etwas, für das ich zuständig bin. Du könntest in der Tat ja auch anders als mit Schmerz reagieren, etwa mit Erstaunen, Belustigtsein, Gelassenheit, Anteilnahme, Sorge, Spaß, Glück, Zufriedenheit usw. als ausgerechnet mit Schmerz. Ich tue nur Sinnvolles, jederzeit das Beste. Wenn du darauf mit Schmerz reagierst, ist dies sicher deine korrekte Reaktion – aber es ist deine Reaktion und nichts, was ich mir anstecken müsste.

Wenn wir den Schmerz des anderen so ansehen, verwischen wir nicht die Zuständigkeiten. »… so halte ihm auch die andere Wange hin« – wo der eine mit Schmerz reagiert und sich hüten würde, einen zweiten Schlag abzubekommen, ist der andere so stark, die Not des anderen (die sich hier in körperlicher Attacke äußert) therapeutisch mit seinem Körper aufzufangen. Ob du mich als Schmerz oder Glück erfährst, ist nicht meine, sondern deine Sache.

Statt »Du tust mir weh« wäre es korrekter zu sagen »Ich erlebe dich schmerzvoll«. Damit würde die Zuständigkeit klar ausgedrückt. Aber solche Redewendung ist völlig unüblich – und es ist nicht verwunderlich, dass unsere Sprache solche Differenzierungen kaum kennt. Doch es kommt natürlich nicht auf die Worte an. Wichtig ist zu wissen, dass ich immer für mich selbst zuständig bin, auch, wenn andere mit mir umgehen, auch, wenn andere von mir als schmerzvoll erlebt werden. Dass eine solche Sicht geradezu revolutionierende Konsequenzen für unsere Beziehungen hat, liegt auf der Hand.

Wenn ich erlebe, dass durch mein Tun jemand in Schmerz gerät und ich mich nicht in Zuständigkeitsdebatten und Schuldzuweisungen verlieren muss, sondern genau weiß, was mir zukommt (Liebe zu strahlen) und was dir zukommt (diese jetzt als Schmerz zu erleben), dann habe ich auch Kraft, mich dir zuzuwenden – deinem in dir lebenden Schmerz. Und du könntest erfahren, dass ich dich liebe – was wiederum deinen Schmerz lindern wird.

Hingabe, Anlehnen

Heute morgen, so zwischen Tag und Traum, kamen mir die Worte Hingabe, Anlehnen in den Sinn. Ich habe schon vielen die breite Brust zum Anlehnen zur Verfügung gestellt – aber jemals ich bei anderen mich angelehnt? Ein Schreck, ein Schock – um Himmels willen, ich doch nicht. Ich war schlagartig hellwach. Hermann wurde auch sofort wach; sonst wie ein verschobener Wirbel zwischen den Schulterblättern, jetzt generalisiert von Schulterblatt zu Schulterblatt.

Hermann kenne ich seit Jahrzehnten, mit Namen erst seit der letzten Ostheopathiesitzung. Da habe ich diesen Schmerz mit Werkzeugen des Fokussing dingfest gemacht – mein Trotz, und dahinter eine Riesen Angst, meine Urangst. Hasselmann/Schmolke beschreiben in dem Buch „Die sieben Archetypen der Angst“ u.a. den Autonomen. Bis auf die Eifersucht, die mir nur als Lesefrüchtchen bekannt ist, finde ich mich dort treffend beschrieben. Kürzlich, zum 81. Geburtstag, schenkte mir HPZ ein Radix-Reading – dort hörte ich dann auch astrologisch das ganze Programm des Autonomen.

Da ich in den Münster-Jahren Eutonie, Feldenkrais und viel Körper-Psychotherapie gemacht habe und auch seit den 80ern eine kleine Lockerungsgymnastik nach jedem Aufstehen mache, gelte ich bei Körperarbeitern, Physiotherapeuten, Ostheopathen als ‚unglaublich durchlässig‘. So sind die von Hasselmann für den Autonomen aus dem Muster beschriebenen körperlichen Schäden bei mir verschwunden – bis auf Hermann. Doch den kann ich heute einladen – und er folgt jetzt auf Zuruf – in die hellen, warmen Hallen meines Herzens, wo er mich, den erwachsenen Jans, aufpassen lassen mag auf ihn und auf Jans, das Kind, das er beschützen wollte. Leider leben diese Verhaltensmuster außerhalb von Raum und Zeit und merken daher nicht, wenn ihre damals überlebenswichtige Funktion heute zur Bürde werden kann.

Spannend, ich hab den ganzen Vormittag über diesen Text nachgedacht. Jetzt ist mir das alles entfallen. Das wird wohl ein paar Anläufe brauchen – Hingabe, Anlehnen, offenbar ein heißes Thema für mich.

Nächster Versuch, 17-02-28

Kenne ich Hingabe, Anlehnen? Hmm, kaum. Vielleicht gerade jetzt. Seit diesem Tag nach Weihnachten kümmert mich immer weniger das Demnächst, Bald, Gestern, Damals. Immer mehr das Jetzt. Morgens wache ich hungrig auf, freu mich aufs Frühstück, freu mich, da am Tisch zu sitzen mit all den leckeren Sachen vor mir, meine Liebste mir gegenüber, in diese Augen zu schauen, diesen berückenden Schwung ihrer Lippen , ihres Gesichts zu sehen, ihr Lachen zu hören. Gerade jetzt zieht eine Schneewolke über das Haus – es ist dunkel, denn wir haben schon Aprilwetter – eine ganz besondere Stimmung; jetzt pladdert Regen aufs Glasdach und glänzt im goldenen Sonnenlicht. Mir kommen viele Gedanken, die geschrieben sein wollen, jetzt. Das könnte etwas davon sein: Hingabe an mein Leben, jetzt in diesem Moment.

Und das Große und Ganze? Alltagsphysik, Alltagschemie? Klar, natürlich weiß ich mich eingebunden in all die Gesetze, die ich mal gelernt habe: beim Gang durch die Einkaufsstraße weiß der Blick in die Spiegelung der Schaufensterscheibe was ich da sehe – Einfallswinkel = Ausfallwinkel. Falls ich stolpere, falle ich nach unten, nicht seitlich oder nach oben. Wenn ich eine Banane esse geht der Urin-pH nach oben ins basische, nicht ins Saure. Völlig klar – ich weiß das ohne nachzudenken.

Stünde mein kleines Haus plötzlich im Mittelalter würde alsbald der Mob auflaufen und ich sofort als Zauberer verbrannt, wenn die Nachbarn sähen, wie ich morgens das Rollo hochziehe und dahinter eine große Glasscheibe erscheint, durch die sie sehen, wie ich zur Tür gehe und auf eine Fläche drücke und es sofort im Raum taghell wird.

Mit Reiki, Orgon, Od und ähnlichem hantiere ich seit Jahrzehnten ebenso selbstverständlich – mit dem Messer geschnitten, strömen lassen, verheilt – nach der beidseitigen, offenen Leistenbruch-OP im vorigen Frühjahr konnte ich am Morgen danach schmerzfrei lachen, husten, niesen. Ruft jemand an: ich hab hier nen tollen Auftrag, Abgabe morgen Früh 9:30, schick mal nen Reikistrahl. Nächster Anruf 9:35: Es hat wunderbar geklappt, ich hab in Kraft, Gelassenheit und Liebe, ohne Druck und Kontrolle mein Ding gemacht und eben zufrieden mit dem Werk und mir abgegeben und fühle mich immer noch frisch.

Warum sollte ich nicht genauso umgehen mit den Informationen, die uns seit Jahren zahlreiche Physiker, z.B. Görnitz, Dürr und Heim anbieten? Zur Kenntnis nehmen und einfach als wirkend wissen? Wissen, dass ich in dieser 4-dimensionalen Raumzeit nur in Teilen existent bin, Wissen, dass ich nur zu 4% aus dieser greifbaren Materie bestehe, dass 96% des Universums aus „dunkler Materie und Energie“ bestehen, heißt dunkel weil nicht von unseren Geräten detektierbar. Aber nicht so dunkel, wenn ich radiästhesistisch mute, metaphysisch fotografiere, schamanisch da hingehe – nicht nur ich, auch ich zusammen mit vielen meiner Freunde. Wissen, dass ich in einigen weiteren Dimensionen ebenso existent bin, z.B. der Heimschen 5. und 6. von Information und Organisation. Wissen, dass ich in diesem Ersten, dem Alleinen A und als Ganzen im Ganzen enthalten bin und dass Laotse recht hat „Wer über das TAO reden will, weiß nichts vom TAO“ – absurd, mein Gestammel hier. Ich kann ein wenig ahnen, wo ich Hingabe spüren könnte. Und das von mir zu meinen Mitmenschen?  Das wird wohl ein paar Text-Anläufe brauchen – Hingabe, Anlehnen.

Nächster Versuch, 17-03-01

Heute hatte ich zwei schöne Begegnungen. Zuerst eine lange Ostheopathiesitzung mit meiner Freundin Petra, wo es auch darum ging, den erschlafften Magen-Darm-Trakt wieder in seine rechte Spannung zu bringen. Sie kann mit den Händen sehen, wie sich die inneren Strukturen miteinander unterhalten und verändern; ich kann erzählen, was ich dabei im äußeren Körper wahrnehme. Und meist werfen wir uns zielsicher die Bälle und Stichworte zu. Beglückend und höchst befördernd. Wieder eine neue Facette von Hingeben und Annehmen.

Noch eindrucksvoller die Nächste: Meine Nichte, mit der mich ein langes, intensives Austauschen über unseren gemeinsamen Familienhintergrund verbindet, versuchte heute 3 x auf dem AB Kontakt, bis endlich ich sie erreichte. Was sie unbedingt vor meine Abreise zum Winter-Institut loswerden wollte, war ihr sichtlich nicht geheuer, viele Entschuldigungen, vielleicht übergriffig etc.. Hier die Story: Sie hatte kürzlich mit ihrer Heilpraktikerin telefoniert und von mir samt Diagnose erzählt. Frau HP, hellsichtig und anscheinend gut drauf in der anderen Welt, kenne mich seit 20 Jahren aus Nichtes Erzählungen. Ich konnte mich von Herzen bedanken für ihrer beider Mitdenken – das war für mich schon mal neu.

Weiter, im nächsten Anruf habe ihr HP eröffnet, sie sähe so gar nicht meinen Abflug, sondern eher eine gewisse Müdigkeit vor Auseinandersetzung mit Medizinern und Sterbenskrank werden. Als momentanen Satz empfahl sie mir „das Geschenk des Lebens nochmal annehmen“. Ich bin hingerissen: das entspricht doch genau, woran ich hier am Basteln bin, dieser Verbindung zum Hingeben, Anlehnen. Entsprechend habe ich mich bedankt und um herzliche Grüße an HP gebeten.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass Nichtes Bedenken wegen übergriffig noch vor einigen Monaten, möglicherweise selbst vor Tagen, noch berechtigt gewesen wären. ‚Was mischt ihr euch ein in meine Angelegenheiten‘. Der Trotz des Autonomen hätte zugeschlagen, um sich vor der Grundangst, verletzbar zu sein, radikal zu schützen.

Ich bin sehr neugierig, wie dieser thread weitergeht.

 

Das Richtige tun

Der Sohn einer Freundin, gerade 18, gerade mit Führerschein, fuhr uns abends spät nach Hause. An jeder Kreuzung schien er etwas unsicher. Nun bog er eine zu früh links ab, obwohl er meinte, den Weg kennen zu müssen. Dann brach es aus ihm heraus: Er mache so viele Fehler – wir mögen bitte verzeihen, er schäme sich. Es nahm kein Ende. – Abgesehen vom Schämen (dazu sagte Alfred Adler in seiner Individualpsychologie: Schämen? Das ist nichts als die klammheimliche Freude, dennoch getan zu haben, was ich wirklich wollte); was muss dieser junge Mensch erlebt haben, dass er solchen Horror vor dem Fehler-machen hat?

Wir haben versucht, ihm nahe zu legen, dass wir, alle beide, schon tausende von Fehlern gemacht haben und dass jeder Fehler ein Fest sein könnte, weil sich dabei, nur dadurch, etwas Neues lernen lässt. Ida hat dafür eigene Zeiten in ihren Seminaren über Qualitätsmanagement: Fehler sind eine Chance, kein Versagen. (Natürlich ist das anders z.B. in der technischen Fertigung. Da gilt „Null-Fehler“ – Das Samsung-Gehäuse 1/1000stel zu klein und das Smartphone 7 ging in Flammen auf). Fehler, als Suchbewegungen, im normalen Alltag, sind unsere notwendigen Lebens-Hilfen, die nur wir selbst uns geben können. Ob er es hören konnte?

Woher kommt dieser Wahnsinn, stets das Richtige tun zu müssen/ wollen/ sollen. Wer ist der Oberbestimmer? Woher kommt diese Intoleranz gegen sich selbsr – und in so jungem Alter? Ich finde das fundamentalistisch, ähnlich Terroristen oder Pegidisten, die wegen ihrer Überzeugung vom richtigen Tun über alle Grenzen gehen. ‚Das Richtige tun müssen’ aber klingt mir ähnlich absurd wie die Pilatus-Frage ‚was ist Wahrheit?‘. Pilatus fragte das am Ende seines Verhörs mit Jesus. Er fragte das nicht, weil er anfing, sich für die Wahrheit zu interessieren, sondern weil er damit schon längst aufgehört hatte. Er fragte es abfällig, spöttisch, zynisch, vielleicht auch resigniert: Denn er kannte sie ja auch – Fundamentalisten gibt es zu allen Zeiten.

Aber es ist eine Grundfrage prall von polarer Dynamik, weshalb sie wohl schon vor 2000 Jahren Pilatus in den Mund gelegt wurde. Will ich diese Pilatus-Geschichte verstehen, muss ich zur Textquelle gehen, NT, Joh 18, 33 ff. Die zeigt mir dann  den harten Kern unserer FMK-Grundsätze, in den Worten seiner Zeit:

<<Da ging Pilatus wieder hinein ins Prätorium und rief Jesus und sprach zu ihm: Bist du der Juden König? Jesus antwortete: Sagst du das von dir aus, oder haben dir's andere über mich gesagt? Pilatus antwortete: Bin ich ein Jude? Dein Volk und die Hohenpriester haben dich mir überantwortet. Was hast du getan? Jesus antwortete: Mein Reich ist nicht von dieser Welt. Wäre mein Reich von dieser Welt, meine Diener würden darum kämpfen, dass ich den Juden nicht überantwortet würde; aber nun ist mein Reich nicht von hier. Da sprach Pilatus zu ihm: So bist du dennoch ein König? Jesus antwortete: Du sagst es: Ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und in die Welt gekommen, dass ich die Wahrheit bezeuge. Wer aus der Wahrheit ist, der hört meine Stimme.>>

In königlicher Selbstliebe, Vollwertigkeit, Selbstverantwortung, Souveränität, Gleichwertigkeit und Subjektivität sagt Jesus das. Er sagt das uns, damit wir es hören, verstehen! Ja, ich bin König, nicht Krieger eines Königs, nicht Priester eines Gottes, kein Knecht. Denn ich lebe aus meiner Wahrheit. Und jeder, der aus solcher Wahrheit lebt, der versteht das, kann das hören, spricht mit solcher Stimme. Und der Vertreter der äußeren Macht, der weltlichen, der politischen, des Mainstream, der Familienbande, beweist eben darin seine knechtische Haltung, dass er genau nicht hört, nicht versteht, dass er diese Art von Wahrheit nicht kennt, indem er die berühmte und von allen Knechten gern wiederholte Frage stellt: was ist Wahrheit (nämlich die welches Herren).

Wer als Fahranfänger sich verbieten will, Fehler zu machen, will sich verbieten, weiter zu lernen. Lernen ist ja nicht, etwas von anderen abzukupfern, Regeln zu kopieren. Lernen ist, ständig die Suchrichtung zu verändern, bis ich ein möglichst weites Spektrum meines Lebensraumes ausgemessen habe und das Ausmaß meiner Regeln finde.

Das Leben stellt mir ununterbrochen Fragen und nur ich selbst kann antworten, Selbstverantwortung. Ich wähle, welche Suchrichtung ich von den zahllos möglichen einschlagen will, meine Richtung, jetzt passend. Das ist meine richtige Entscheidung. So nur kann ich das Richtige tun. Nur so kann ich beim Fehler meine Entscheidung revidieren – lernen. Wenn ich Regeln von anderen kopiere, kann ich beim Fehler nicht wissen, ob ich oder wie ich diese Regeln möglicherweise falsch kopiert, falsch verstanden, falsch interpretiert habe. Das zu erkennen ist nur bei der eigenen Entscheidung möglich.

Wenn ich durch Zufall, Intuition, Erfahrung, Gewohnheit eine Suchrichtung eingeschlagen habe, auf der ich das gewünschte Resultat/ Ziel getroffen habe, dann war das richtig, hatte ich Rechtweisung, meine Wahrheit, mein Leben. Das Richtige tun; das richtige Tun.

Tja, und da stehe ich vielleicht auch gerade, Fahranfänger seit dem Tag nach Weihnachten, nämlich vor einer konkreten, völlig neuen Lebenssituation, einer Krebsdiagnose, samt der Information aus dem Internet “statistische Lebenserwartung ab Diagnose ca. 2 – 5 Monate“ – fast zwei sind davon rum.

Hey, eigentlich fühle ich mich so wohl wie an jenem Tag, wenn nicht besser. Denn seit ich aus der Diagnosemühle des Krankenhauses raus bin und mich mit meinen Mitteln zu einem Besseren unterstütze, nehme ich nicht mehr ab, nachdem allein die Woche im Krankenhaus fast 2 kg kostete.

Reminiszenzen – 2 –

Über Beziehungen, Kinder, Eltern
aus <https://www.selbsterkenntnis-eigensinn.de/iii_personaler_bezug.html> FREUNDSCHAFT MIT KINDERN - Heft 4 - 09/1982, S. 63f, "12.5. Jans (Beziehung Kind Eltern)"

Wie lernt man FREUNDSCHAFT MIT KINDERN? Die Frage geht an mir vorbei. Wer ist „man“? Und mit welchen Kindern? Ich weiß, wer ich bin und kann über ein Stück meines Weges berichten. Bei meinem ersten und zweiten Kind – ich bin Vater von vier Kindern, zwischendurch hatte sich als fünftes ein Pflegekind dazugesellt – hatte ich für den Umgang mit Kindern vor allem die Verhaltensmuster im Hinterkopf, die ich als Kind von meinem Vater lernte. Für viele Menschen ist er eine imponierende Persönlichkeit. Von ihm kriegte ich oft zu hören „Was man will, das kann man auch“ – ‚(Aber du willst ja nicht [was ich will])‘! Und das heißt tödliche Feindschaft und Krieg.

Als 18jähriger brachte ich mir autogenes Training bei und mich perfekt zu programmieren. Als 40jähriger, vor sieben Jahren, merkte ich, daß ich meine Programmierung, irgendwo im Hinterkopf, für meinen wahren Willen gehalten habe, daß ich den Jans, den Säugling, das Kind, den Jugendlichen habe vergessen wollen, zuprogrammiert habe, sitzengelassen habe, wo immer es damals für mich lebensnotwendig erschien.

Heute bin ich mir sicher, daß ich zu jeder Zeit und in jeder Situation mein Bestes für mich getan habe, wie kraus und anstrengend sich die damals gelernten Überlebenstechniken später und bis heute auch auswirken. Und ich bin gewiß, daß wohl die Vergangenheit festgelegt ist, das aber in jeder neuen Sekunde jetzt ich frei bin für neue Entscheidungen für die Zukunft, die sich hin auf zahllose Zukünfte verzweigt.

Mit viel liebevoller Unterstützung, die ich mir von vielen Menschen holte, konnte ich mich in die Keller der Erinnerung trauen. Manche waren hell und bunt, manche kalt und leer, in manchen saß das Kind ohnmächtig in der Situation, wo ich damals den Riegel vorgeschoben habe. Wieviel Energie hatte ich in immer sicherere Ketten und Schlösser investiert. Jetzt kann ich die Spannung von den Schmerzen von damals herausweinen, genauso das Zittern, das Toben, das Lachen herauslassen. Dabei ergibt sich, spontan, daß ich die alten Informationen unter neuem Blickwinkel auswerte.

Und das Kind, der Keller, die Ketten und Riegel? Ich muß sie nicht mehr von mir abtrennen. Sie sind ICH. Alle Energie, die ich jahrzehntelang aufgewendet habe, um mich an dieser Stelle zu unterdrücken, totzustellen, ist wieder freigeworden. Die Spannung aus der alten Situation ist abgeflossen. Sie hatte mich gehindert, alle neuen und nur ähnlichen Situationen wirklich neu und real zu erleben. Wo Panzer war, ist jetzt Leben. Dieses Leben mag ich heute und hier bestehen, nicht in der Zukunft, eingezäunt mit Damals.

Ich kann die Panzer meiner Kinder anschauen, wo ich ihnen Schmerz zugefügt habe, und ich kann mich einlassen auf ihre Offenheit, die sie mir vorleben. Das macht mir nur noch gelegentlich Angst. Und ich kann stehen zu Schmerz, Angst, Wut, Lächerlichkeit, die ich auch heute noch gelegentlich um mich verbreite, denn ich habe noch viele unerforschte Keller; Keller, denen ich durch die Freundschaft meiner Kinder immer näher komme. Und ich merke, wie sich in mir und um mich mehr und mehr Klarheit und Liebe ausbreitet.

Noch eines. Mein Vater imponiert mir nicht mehr, denn ich kann jetzt seine Liebe fühlen. Ich bin geborgen in der Liebe und Fürsorge auch meiner Eltern, aller Menschen, eben: Freundschaft mit Kindern.

Reminiszenzen – 1 –

Gestern besuchte mich Hubertus. Ich will ihn unterstützen, aus der früheren Amication-Website die vielen hundert Texte aus „Weiterführende Texte“ heute wieder zugänglich zu machen in eine neue Website <amicationreader.blogspot.com>.

Und dann hab ich ihn an meine Regale mit alte Papieren aus meiner Vorstandszeit bei FMK geführt. Wenn denn tatsächlich – wer kann es wissen – nicht mehr viel Zeit sein sollte, so will ich wenigstens etwas selber und vorher aufräumen. Wir haben alles in eine große Kiste gepackt und nun liegt es im FMK-Archiv – wo es schon immer hingehört.

Dabei zog er ein DIN-A4 aus einem Stapel. „Schau mal. Amicativ sterben – da hast Du schon 1983 dran gearbeitet“. Es war ein Flyer für die Teilnehmer eines FMK-Wochenend-Workshops. Meine damalige Lebensgefährtin Doris Lange *) und ich haben das angeboten. Ich erinnere mich vorallem an die Schafskälte im Frühsommer während der zwei Tage.

*) vgl. in <https://www.selbsterkenntnis-eigensinn.de/iii_personaler_bezug.html> FREUNDSCHAFT MIT KINDERN - Heft 4 - 09/1982, S. 64ff, "12.6. Doris (Gegen die Gegenunterdrückung)"

 

Amicativ sterben?

 

So ein Quatsch!

Wirklich?

Naja. was weißt du denn übers Sterben?

Mit meinem heutigen Bewusstsein hab ich das noch nicht erlebt. So weiß ich darüber, ganz praktisch, nix! Aber ich hab darüber viel gelesen und über das dann nachgedacht. Und ich war in schamanischen Reisen an dem Tor zum Großen Licht; das hab ich erlebt und über das hab ich auch nachgedacht.

Von Frau Käsmann, weiland ev.-luth. Bischöfin, hörte ich den Satz „ich kann nicht tiefer fallen als in Gottes Hand“. Das gefällt mir. Das ist ein Blick in den Kern von Amicativer Lebensweise – wenn ich davon dieses ‚Gott‘ wegnehme; was nach dem Oberbestimmer der Adultisten klingt, einer personifizierten Entität, die alles geschaffen habe.

In den Wochenendworkshops zu den Anfangszeiten von FMK haben wir uns manchmal das Neue Testament hergenommen und seine ‚Frohe-Botschaft‘ auf FMK buchstabiert, z.B. meditiert über die Zeile „ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“ und reingeschmeckt in dieses ICH.

Eckhart Tolle, in „Sei still, wisse, Ich bin Gott“ spricht davon, dass das einzige Wissen unser jetziges Sein ist und das „Gott“ ein unbekannter Grund des Seins ist. Nicht zwingend der der Schaffung einer höheren Entität. Nur ein unbekannter Grund.

Und von Mansur al-Halladsch (858–922), ein Perser, der die Geheimnisse des Sufipfades in aller Öffentlichkeit aussprach, stammt einer der bekanntesten Aussprüche eines Sufis: „ana al-Haqq“. Dieser Ausspruch lautet übersetzt „Ich bin die Wahrheit“, wobei Haqq nicht nur Wahrheit bedeutet, sondern auch einer der Namen Gottes ist. Somit kann man auch übersetzen: „Ich bin Gott“. Dies und sein provokantes Auftreten waren einige der Gründe, warum al-Halladsch schließlich als erster Sufi-Märtyrer hingerichtet worden ist. Neben anderen Sufis hat wohl Rumi am besten zum Ausdruck gebracht, dass „ana al-Haqq“ die konsequenteste Auslegung von der Einheit Gottes ist.

„ana al-Haqq“ – so verstehe ich meine Grundlagen amicativer Lebensweise, die 6 Sätze über den persönlichen Rahmen, diese Glaubenssätze. Und der gegebene Anlass, eine „Krankheit zum Sterben“, lässt alles Ausgedachte darin deutlich werden und kann es wegätzen.

„Ich liebe mich so wie ich bin“, auch wenn ich im Kopf der Bauchspeicheldrüse Anarchie probe, auch wenn die Statistik mir nahelegen will, dass die Lebenserwartung dann ab Diagnose noch 2 – 5 Monate betrage. Das ist was für die ‚Realisten‘, die nur glauben, was sie zählen, messen und wiegen können, die sogar den Statistiken glauben, die sie nicht selbst gefällscht haben – und ich weiß, was Statistik kann, denn in meinem Psychologie-Studium, an der Westfälische Wilhelms-Universität Münster, musste ich das einige Semester lang bis zum TZ pauken – . „Ich liebe mich so wie ich bin“ ist konstruktive Weltsicht und existenzieller Lebenswillen und ist verkörpert in jeder einzelnen Zelle, auch jeder Tumorzelle, die ich ja auch bin. Und je tiefer das Bewusstwerden der eigenen Selbstliebe wieder erwacht, desto höher wird das Verständnis für die übrigen amicativen Grundsätze.

„Jeder Mensch ist von Anfang an ein vollwertiger Mensch“, und auch bis zum Schluss, wann und was immer das sei. Was wäre der Schluss? Wenn im Kopf keine elektrischen Ableitungen mehr möglich sind? Das widerlegt Dieter Nahm in „Ende der Dunkelheit“ auf überzeugende Weise mit der Sammlung von Protokollen terminaler Geistesklarheit und, wie mir ein Palliativ-Mediziner bestätigte, das erleben sie im Hospiz durchaus öfter. Wenn im Körper Atem und Herzschlag aufhören? Das widerlegt Burkhard Heim mit Berechnungen, die, angewendet auf alle bisher experiementell gefundenen Werte von Elementarteilchen, bis in die Nachkommastellen korrekt sind. Und warum sollte dann „Unsterblich in der sechsten Dimension“ dann nicht korrekt sein? Absence of evidence is not evidence of absence – sag ich den ‚Realisten‘. Und je tiefer das Bewusstwerden der eigenen Vollwertigkeit wieder erwacht, desto höher wird das Verständnis für die übrigen amicativen Grundsätze.

„Nur ich bin für mich verantwortlich!“, und das in doppelter Hinsicht: Nur ich und ich nur für mich bin verantwortlich; Kann es nur sein, aus existentiellen Gründen. Gerade, wenn ich noch nicht genau weiß, was mich in der Bauchspeicheldrüse zur Anarchie angeregt haben mag, ist das entscheidend. Wie könnte ich solche Verantwortung delegieren an einen Mediziner? Was könnte der tun außer das Anarchische abschneiden oder vergiften? Wäre das Selbstliebe? Wäre das Ausdruck meiner Vollwertigkeit? Und je tiefer das Bewusstwerden der eigenen Selbstverantwortung wieder erwacht, desto höher wird das Verständnis für die übrigen amicativen Grundsätze.

„Niemand muss etwas tun, dulden oder unterlassen“, auch nicht wegen einer Statistik, auch nicht wegen Gästen, die weinen und betteln und adultistische Vorschläge zu meinem Besten machen. Auch nicht wegen Menschen, die leider noch nicht erlebt haben, dass jede Sekunde im Jetzt das ganze Leben ist, dass es albern ist, die Einschränkung von Lebensqualität in Kauf zu nehmen, um wenigstens kalendarisch ein wenig länger zu leben. Und je tiefer das Bewusstwerden des eigenen Handeln-durch-Nichttun wieder erwacht, desto höher wird das Verständnis für die übrigen amicativen Grundsätze.

„Nichts und niemand steht über oder unter einem anderen“, wer könnte der Oberbestimmer sein? Dieser weiße Mann mit weißem Bart, den die Christen auf ihren Bildern darstellen, der jedenfalls nicht. Auch nicht die Flamme mit dem Schwert, was die Islamisten durch ihre Schrift-Bilder als Allah zeigen. Und schon gar nicht der Mainstream, der Chefärzte und Ernährungslehren anbetet.

Dann als der sechste Grundsatz „Jeder tut zu jederzeit sein Bestes für sich – unter Berücksichtigung der Informationen, die er hat, und der Regeln, die er zu deren Auswertung kennt. Und er verdient nicht, deswegen von irgendwem zurückgestoßen oder beschuldigt zu werden. Von niemand, auch nicht von sich selbst!“, der versteht sich nach dem Vorigen eigentlich von selbst. Wenn ich mich für das Sterbefasten entschieden habe, dann nicht, weil Sterbefasten die ultimative, die großartige Sache sein, sondern, weil ich dazu einiges an Information gesammelt habe, die in meinem Weltbild mit Regeln zu deren Auswertung zu solchem Entschluss führen. Jeder mag das anders sehen. Aber er/sie wird mich nicht hindern, es so auszuführen.

Dazu kann man dann wieder bei Varda Hasselmann blättern, die in „DIE SIEBEN ARCHETYPEN DER ANGST“ den Autonomen beschreibt. Darin erkenne ich mich wieder. Die Grundangst eines jeden Menschen ist Teil seiner seelischen Struktur und gleichzeitig ein kraftvoller Motor für inneres Wachstum. Anhand der genauen Beschreibung der sieben archetypischen Formen der Angst mit ihren Untertypen gewinnt der Leser ein Verständnis dafür, welche Wachstumsaufgaben ihm angesichts seines individuellen Angstmusters zufallen. So wird es möglich, die belastenden Gefühle in Kraft zu verwandeln.

Krank sein?

Manchmal werde ich gefragt, wie krank ich denn sei, oder, was ich gegen meine Krankheit täte. Da tun sich Weltbilder auf.

Ich bin nicht krank! Mir tut nichts weh, ich leide nicht.Ich habe durch die starke und schnelle Gewichtsabnahme manchmal Störungen in den Gehgewohnheiten, denn die Schwerpunkte aller Körperteile haben sich verlagert. Also sieht gelegentlich mein Gang von außen wie betrunken aus. Weniger Gewicht heißt auch weniger Muskeln; ich bin also insgesamt schwächer als gewohnt.

Ich habe, vorallem, keine schlimme Bauchspeicheldrüse. Ich bin auch Bauchspeicheldrüse, als integraler Bestandteil – als eine Ganzheit in der Ganzheit – dieses Körpers, der sich <Jans> nennt. Und dort habe ich mich zur Anarchie entschieden. Die übrigen Ganzheiten in diesem Körper tun ihren Job, wenn auch manchmal etwas angestrengt. Dann, z.B. wenn ich zuviel Fettes gegessen habe, legt der Darm für eine Zeit lang die Arbeit nieder.

So kann/will ich auch nichts gegen diese Anarchie tun. Denn damit täte ich etwas gegen mich, die Ganzheit. Und, natürlich, tue ich auch was für mich! Ich bin ja nicht lebensmüde oder suizidal.

Jahrelang habe ich manchmal den pH-Wert des Urin gemessen, der statistisch bei 7,34 liegen soll – der lag stets zwischen 4 – 6. Jetzt achte ich darauf, dass er gut über 7,5 – 8,5 ist. Wie mache ich das? Mittels Natriumhydrogencarbonat, vulgo: Kaiser Natron aus der Backzutaten-Abteilung beim Supermarkt, sowie Calziumchlorid und Magnesiumchlorid, vulgo: gemahlene Sangokoralle, aufgerührt in warmem Wasser. Jedesmal beim Pinkeln messe ich den pH-Wert und gebe entsprechend 1 oder 2 Mokkalöffel ins Wasser. Warum tu ich das? Ich las, Tumore lieben das saure Millieu und das basische dagegen garnicht. OK, also basisch.

Nachdem ich über die Jahre bei allen Arten von entzündlichen Prozessen gute Erfahrungen mit MMS gemacht habe, gebe ich mir das jetzt auch bei jedem Pinkeln, allerdings nicht wie bei vereiterten Zahnwurzeln im Bereich 10 – 40 Tropfen, sondern als Fertigmischung „CDL“ mit 100 – 150 Tropfen = 4 – 6 ml.Warum tue ich das? Chlordioxid geht auf alles Saure (z.B. Eiter, Tumore, Parasiten). Dort wird der Sauerstoff frei und oxidiert das Saure weg. Tumorzellen sterben dabei nicht einfach und werden nekrotisch, sondern sie leiten ihre Apoptose ein, ihren natürlichen Abgang.

Was sind die Folgen: Seit Beginn meiner Aufzeichnungen über das Gewicht nehme ich seit einer Woche nicht mehr ab. Konkret in Zahlen: Mitte Dezember wog ich um 78 kg. Das ging, bis Rückkehr aus dem Krankenhaus, Mitte Januar, kontinuierlich runter auf ca. 72 kg. Nun, seit 1 Woche, schwankt es zwischen 73 – 74 kg.

Aber ich bin noch nicht in Kontakt gekommen mit mir, als Bauchspeicheldrüse. Dazu hab ich einen 4 Std-Termin bei Andreas Winter vereinbart, Anfang März. Ich werde berichten.

Das Filterblasen-Dilemma oder Der Blick in die Fülle

Irgendwo schrieb ich im Früheren „Das kann dann wohl auch etwas peinlich werden, wenn ich mich selbst in meiner Filterblase bemerke – wo ich mich doch für einen aufgeklärten und abgeklärten Menschen zu halten gewohnt bin.“ Eine Leserin schrieb dann „ich wollte mich nur bei dir bedanken für alles was deine Worte und deine Geschichte bei mir bewirkt hat. Dieses Dilemma von dem du schreibst kenne ich nur allzu gut und rührt in mir ganz viele Zweifel an der Stimmigkeit MEINER Filterblasenwirklichkeit und meines demgemässen Verhalten aus“. Vielleicht ist es ja gar kein Dilemma, sondern meine Unentschiedenheit, wirklich zu meiner Wirklichkeit zu stehen, weil ich doch im Kontakt mit den Anderen bleiben möchte. Und der könnte blass werden, wenn ich dass zu 100% täte. (vgl. <http://www.goernitz.de/data/BewusstseinFFM-Templeton-tagung.pdf>. Von Görnitz gibt es zu den Alltagskonsequenzen aus Quantenphysik noch einiges an Verständlichem und Weiterführenden!). Ebenso wie Burkhard Heim hat auch Görnitz unter C.F. v. WEIZSÄCKER gearbeitet.

Wat lernt mich dat?

Ich kann mich entscheiden, wie ich in die Welt schauen will. Wähle ich den Blick in den Mangel oder den in die Fülle. Wertschätze ich dass ich, dieser Körper, toll funktioniert – bis auf die Tatsache, dass ein paar Zellen in der Bauchspeicheldrüse mal gerade Anarchie proben? Wertschätze ich, dass ich (noch?) hier bin oder schließe ich mich der Trostlosigkeit eines Gastes an, dass ich (vielleicht – wer weiß es wirklich?) bald weg sei.

Der Blick in die Fülle erscheint mir konstruktiver, lebensfreundlicher und, nicht zuletzt, gesünder!

 

Das bunte und vielfältige Leben

Hier schreibe ich über sehr Privates. Ich hoffe, die beschriebenen Situationen sind ausreichend anonymisiert, denn ich will niemand damit bloßstellen, verurteilen, gar wegen irgendwas beschuldigen, denn es gibt nichts zu beschuldigen. Nun, es könnte sein, ich stehe tatsächlich an der Schwelle des Todes – wenn ich mir Staistik zu eigen nähme. Aber hin oder Her, dort an der Schwelle wird es schnell weniger mit Nettigkeit. Nettigkeit ist die kleine Schwester der Lüge, warum sollte ich lügen, zumal ich schon als Kind gefunden habe, das lohnt nicht.

Ich will beschreiben, zuvörderst meine Missverständnisse, selbst wenn ich die manchmal nur beschreiben kann als das Tun Anderer, was dann wie mein Urteil klingen könnte. Denn mir scheint, es gibt eine Reihe von Menschen, die in ähnlichen Dingern stecken – es gibt nicht die Dinge, es sind unsere Urteile darüber, was uns beschwert. Ja, was mir früher physikalisch-philosophisches Theorem, „der aus den Axiomen logisch abgeleitete Satz“, erschien, wird immer mehr zur hautnah erlebten Wirklichkeit, nämlich dass die aus der Quantensuppe aufsteigende Realität der Möglichkeiten, die Alten nannten das z.B. die unwissbare Allheit Gottes, im Moment meiner Entscheidung, z.B. zu einer Meinung, gerinnt und zur Wirklichkeit wird, meiner Wirklichkeit – was ich als auf mich wirkend als die Wahrheit nehme. Und die ist unvereinbar mit Deiner oder irgendeiner anderen Wirklichkeit. Was uns verbindet ist Liebe – je nackter die Wirklichkeit wird, desto klarer die Liebe.

Ich hatte Besuch von einem lieben Menschen. Was hab ich erlebt und gelernt in/aus den fast 5 Tagen? 4 Tage war mehr oder weniger Streit. Doch bei Abfahrt des Gastes haben wir uns wie schon lange nicht mehr verbunden, in warmer Liebe verbunden gefühlt. Ich konnte all die Tage fast zu jeder Zeit sehen, dass seine, für mich gelegentlich unsäglichen Sprüche aus tiefem Herzen und tiefer Sorge kamen. Satz für Satz waren erkennbar eingebettet in die Traditionen, in die Wirklichkeit dieses Menschen – da gab es nichts Hohles oder Dummes. Dumm war nur, dass ich nicht all dieses Sprechen gestoppt habe, etwa: „Lass uns fest in den Armen halten und allen Schmerz aus Trennung rausweinen, alle Angst vor Sterben rauszittern, alle Wut aus der Endgültigkeit (stimmt das? Kann ich das beweisen?) von Trennung rausbrüllen, aber nicht darüber kluge Reden führen“. Diese klugen Reden sind nur Deine Meinung gegen meine Meinung, Deine Wirklichkeit gegen meine Wirklichkeit. Nur unsere Schmerz, Angst, Wut wären im Jetzt unsere gemeinsame Wirklichkeit. Meine Wirklichkeit besteht nur aus meinen in 80 Jahren Leben gesammelten Informationen und meinen Regeln zu deren Auswertung. In Deinem Leben hast Du ganz andere Informationen und Regeln gesammelt. Deine und meine sind daher wenig kompatibel. Es ist sinnlos, darüber zu streiten.

Meine Grundlagen amicativer Lebensweise, die 6 Sätze über den persönlichen Rahmen, diese Glaubenssätze 1. „Ich liebe mich so wie ich bin“, 2. „Jeder Mensch ist von Anfang an ein vollwertiger Mensch“, 3. „Nur ich bin für mich verantwortlich!“, 4. „Niemand muss etwas tun, dulden oder unterlassen“, 5. „Nichts und niemand steht über oder unter einem anderen“, 6. „Jeder tut zu jederzeit sein Bestes für sich – unter Berücksichtigung der Informationen, die er hat, und der Regeln, die er zu deren Auswertung kennt. Und er verdient nicht, deswegen von irgendwem zurückgestoßen oder beschuldigt zu werden. Von niemand, auch nicht von sich selbst!“, bekommen, man glaubt es kaum nach über 40 Jahren des darüber Nachsinnens, noch mehr Körper, werden immer konkreter mein wirkliches Leben, jetzt.

Extremsituationen erzeugen wohl besondere Zustände. Ein Beispiel: Es ist schon erstaunlich: Da haben findige Statistiker heraus gefunden, dass die prognostizierte Lebensverlängerung durch ausreichendes Sporttreiben etwa der Zeitspanne entspricht, die die Sportiven dafür aufwenden müssten. Die, angeblich, durch Sport ausgeschütteten Endorphine – die Glückshormone – habe ich noch nie in den Gesichtern von sportlerischen Menschen entdecken können, nur mehr oder weniger verkrampfte Gesichter und Körper. Ich gebe zu, mein Motto von Jugend auf „Sport ist Mord – Massensport ist Massenmord“ mag nicht zielführend sein, oder der spitzige Satz „Treibe keinen Sport und Du bleibst gesund“ – doch der hat zumindest bei mir nur bis ins 80. gehalten.

Ein anderes Beispiel: Vor langen Jahren, nach meinem Auszug aus dem damaligen Familienheim machte eine gemeinsame Freundin mit mir einen Gesprächstermin. Ich schenkte Tee ein und sie wollte mir allen Ernstes klar machen, dass es doch nur ein wenig von Anpassung bedürfe, damit die Familie zusammen bleiben kann und die armen Kinder nicht als Quasi-Halbwaisen in der Welt stehen – und viel wirtschaftlicher sei es auch ohne 2. Wohnsitz. In dem Stil fast eine Stunde. Ich habe ihr freundlich und aufmerksan, meist schweigend, zugehört. Dann bin ich aufgestanden, habe mich bedankt für die tiefen Einblicke in die Philosophie einer besonders kirchennahen katholischen Familie und gesagt, dass ich mir das Gespräch nicht länger gedacht habe. Sie war entsetzt über meine Rohheit und fehlende Fürsorglichkeit. Ideen darüber, was mit Kindern passiert, die zwischen 2 Menschen leben, die eigentlich weg wollen, sowas kam ihr nicht.

Ein Stück weit stecke ich vermutlich auch in einer Extremsituation mit der statistischen Prognose, bei Pankreas-Tumor beträgt die Lebenserwartung ab Termin der Diagnose 2 – 5 Monate‘ – davon ist einer nun fast rum. Bis jetzt leben ich und meine Liebste, zumindest soweit ich das bei ihr beobachten kann, im Vergleich zu den Wochen vor der Diagnose unverändert gut, zufrieden und stressfrei. Wir leben allerdings bewusster im Hier und Jetzt und lachen oder weinen, wenn es ansteht und mit wem, wohl wissend, dass Statistik eben nur Statistik ist, Korrelation und nicht reales Leben. Also wissen wir, dass wir nichts wissen, schon gar nicht, wann der Abflug in die andere Wirklichkeit ansteht, in 5 Wochen, 5 Monaten oder 5 Jahren. Jedenfalls steht er an und dass wissen wir, seit wir uns vor über einem Viertel-Jahrhundert kennen gelernt haben, denn ich bin fast ebensoviel älter als sie.

Einige sehr nahe Freunde und unser Umfeld haben wir informiert. Es ist sehr spannend, wie diese Menschen reagieren. Manche können endlich eine Horrorstory aus dem Hinterkopf abladen; so die Geschichte von der Frau, die ihrem Ehemann die Scheidung androht, wenn er nicht alles Erdenkliche an Stahl, Strahl und Chemo gegen seinen Pankreas-Krebs verlangt. Faszinierend die Duplizität – gestern in der Hamburger U-Bahn, wird meine Liebste unfreiwillige Zeugin eines Gesprächs von zwei Frauen über die Krebserkrankung des Mannes der Einen, wo die Eine sagt „ich hab ihm klargemacht, wenn er nicht alles dagegen tut, zieh ich aus – ich hab meine eigene Rente“.

Eine Krankenschwester, als ich nachts auf den Fluren der Station mir ein wenig die Beine vertrete, beglückwünscht mich zu meiner Entscheidung zum Sterbefasten; ihre Mutter sei elendiglich verreckt während der 2. Chemo. Überhaupt erstaunlich, wie fast jeder eine Pankreas-CA-Geschichte aus seinem Umfeld zu berichten hat; ich wusste gar nicht, wie verbreitet das ist.

Unsere Freunde erweisen sich alle als Geschenk. Manche schenken auch ganz konkret, der eine eine tägliche Packung Fern-Reiki, die andere machte wöchentliche Ostheopathie-Termine. Und sagt „ich tu das für mich!“. Für alle ist meine Sterbefasten-Entscheidung eben typisch Jans und völlig klar. Wenn ich dann darauf hinweise, dass ich ja nicht weiß, ob ich später, schmerzverzerrt auf der Matratze, dann schreie „Herr Doktor mach mir das weg, abschneiden, ausbrennen“, dann wollen sie kommen und mich zum ursprünglichen Plan unterstützen. Danke, Ihr alle!

Aber es gibt auch Freunde mit Geschenken, wo ich doch einiges an Reflektion benötigte, das Gute darin zu erkennen. Dieses Gute habe ich oben beschrieben. Kürzlich kam jemand für ein paar Tage. Bei der Gelegenheit kamen mir die beiden Geschichte oben, über die statistische Relation von Lebenszeitverlängerung zur dazu erforderlichen Anstrengung (z.B. an Zeit) sowie die von der früheren Freundin mit ihrem biss­chen Anpassung, in den Sinn.

Um länger zu leben, brauch ich doch bloß ein bisschen anders als in den 80 Jahren davor zu leben: voll vegan – für mich geschmackloses Gemüsezeugs essen. Ich werde nicht für einen Handel mit dem Universum um einiges an Mehr-Zeit mein Leben unfroh machen. Dieser Mediziner-Spruch, der Patient muss erstmal sein Leben umkrempeln und das fängt an mit strikter veganer Kost, ist verbreitet, ist bewährt, wirkt auf viele positiv – und ist für mich Ausdruck der tollen Placebo-Wirkung, auf der gute Behandlung basiert. Ich glaube allerdings, tatsächlich ist das Ausdruck von 2000 Jahren Christentum: die sündige Seele, denn Krankheit zeigt Sünde an, muss zuerst ins Fegefeuer, ins Purgatorium, danach erst kann es weiter zum Himmel der Heilung gehen.

Leider hab ich, etwas unachtsam für Alltagsdinge, wie ich, möglicherweise aus gegebenem Anlass, in letzter Zeit machmal bin, dann noch ein weiteres Fass aufgemacht, als ich beim Gang über den Wochemarkt köstliches frisches Sauerkraut fand und gleich noch das für mich Übliche ‚Alles-vom-Schwein‘ dazu kaufte, samt einem Beutel Buntes für den veganen Gast. Da war sie wieder, meine in der Familiengeschichte verbürgte Rohheit und fehlende Fürsorglichkeit: ich mach mir was schrecklich Ungesundes (Schweinernes auf die angegriffene Galle) und lass den kranken Gast allein mit einem Beutel rohen Gemüses.

Das mit dem Ungesunden könnte stimmen. Und. Die Seele spricht zum Körper „Sag Du’s ihm, auf mich hört er nicht“; in zweifacher Sicht, nämlich zum Schwein, und auch‚ „wenn du dir solche Gespräche reinziehst ohne sofort klare Kante dagegen zu setzen, dann hör ich auf, sowas zu verdauen“, heißt, der Darm stellte die Peristaltik ein und ich musste im Laufe der Nacht all das Leckere und wohl einiges mehr in 3 Anläufen rauskotzen. Und in der Folgenacht noch mal. Ab Tag der Abreise war es damit vorbei. Ich fühle mich so gesund wie vor jenem Tag nach Weihnachten – OK, OK, ich hab seit letztem Frühjahr von dem mehr als 60 Jahre Standard-Gewicht 87 ±2 Kg abgenommen auf 73 Kg. Aber nach der Kotzerei erstmals um 1 Kg zugenommen!

 

Überqueren

Hubertus und ich haben herumgespielt. Ich wollte ihm zeigen, wie einfach es sich mit WordPress arbeiten lässt anhand einer Datei von seinem Stick mit derzeit unveröffentlichten alten Texten aus der früheren amication-website. Dann hab ich den PC ausgemacht und die Sache vergessen - bis ein Kommentar zur Genehmigung aufforderte, für einen Text den ich nicht kannte.
OK, nun bleibt der Text drin UND ihr wisst, wo die Quelle ist. Derzeit bin ich dabei, die Texte in handliche Form zu bringen, so dass sie dann in einer eigenen FMK-Weiterführende-Texte-Website wieder zur Verfügung stehen werden.

Kirmes. Petra (12) ist mit mir im Raketenkarussell. Vor einer Stunde habe ich sie mit den anderen aus der Gruppe getroffen. Ich spüre, wie sehr ich noch ein »richtiger Erwachse­ner« bin. Ich merke, dass ich mich so benehme, wie es sich eben gehört, wenn man mit Kindern zur Kirmes geht. Als das Karussell abhebt und wir langsam aufsteigen, dann schneller werden – da sehe ich zu ihr und sie sieht zu mir: und es ist, als löse ich mich mit ihrem Lachen vom Erwachsenenstern, um mit ihr dorthin zu gleiten, wo sie und ihresgleichen leben – in ihre souveräne und fantastische Welt.

Eine Schaukel im Hinterhof. Ich bin mit Melanie (3) nach draußen gegangen. Sie will auf dem Sitz der Schaukel stehen. Ich rücke mir eine Kiste zurecht, dass ich nah sitze und zugreifen kann, wenn sie fallen sollte. Ich soll sie höher schaukeln. Ich bin sehr aufmerksam und konzentriert wegen der »Gefahr«. Für Melanie muss es sehr schön sein. Als sie sich wieder setzt und sich weiter schaukeln lässt, sieht sie mich an – und sie lacht und ist glücklich. Wir sehen uns durch und durch an: sie ist befreit, seit einer Stunde sind wir zusammen, und ich habe sie noch nicht gestoppt. Ich spüre, wie sie hier – beim Schaukeln, wie sie es will – zu sich kommt, wie sie mir ihr Innen zuwendet: »Ich kann die sein, die ich sein will. Du lässt mich Ich sein.« Sie lässt den Kopf nach hinten fallen und macht die Augen zu. Sie setzt sich wieder hin und sieht mich an und lacht. Ich bin glücklich, dass ich mich durch die Ängste der »Gefahr« durchgetraut habe. Ich kann ihr dort begegnen, wo sie jetzt gerade ist.

 

Es hat geregnet, die Wiesen und der Wald sind feucht. »Wer kommt mit spazieren?« Moni (11) hat Lust. Wir ziehen durch den Wald. Ich lasse mir von ihr zeigen, wie sie dies alles erlebt. Sie führt mich durch den Wald und zu den Blumen. Und sie führt mich zu einer Art des Erlebens zurück, die bei mir in Vergessenheit geriet. Wir überqueren einen Bach, und es ist, als betrete ich verlorenes Land. Die Blume, die wir von dort mitbringen, wächst wieder in mir.

 

Arnd (14) und Theo (15) haben das Auto gerollt, als ich gerade nicht da bin. Dabei stand die rechte Tür offen, sie stieß vor einen Balken und hat sich verzogen. »Die Tür geht nicht mehr zu.« Ich kann nicht gelassen reagieren, ich bin sauer. Aber sie sind so verdattert, dass ich schnell wieder zu dem komme, wie ich sonst bin. Ich denke an die Beulen auf dem Dach und daran, dass ich erwachsenen Freunden dazu gesagt habe »Souvenirs von den Kindern«. Genauso ist es doch mit der Tür! Oder mit ihren Schreibereien und Bildern innen unter dem Autodach. Ich gehe ins Jugendzentrum und hole ein Brecheisen. Ich biege die Tür zurecht, sie geht wieder zu, sieht aber etwas mitgenommen aus. »Ist es schlimm?« fragen sie. »Die Tür geht doch zu«, sage ich.

 

Ich treffe Alexander (5), Florian (6), Reinke (4) und Julian (4) am Kindergarten. »Was machen wir heute?« »Wir könnten mal in den Wald fahren.« Die Kinder kennen eine schöne Stelle. Jetzt sind wir mitten in der Stadt, und ich glaube nicht, dass sie den Weg finden. »Ich rufe bei euch zu Hause an und lass mir erklären, wo es ist.« Nein, sie wissen es selbst. Ich glaube es kaum, aber lasse mich drauf ein. Wenn wir woanders landen – na gut. Nach 20 Minuten sind wir da. Sie wussten genau Bescheid.

 

Ich repariere an meinem Auto rum. Yvonne (7) und Karina (7) kommen und helfen, Rost abzuschmirgeln. Es ist schönes Wetter. »Wenn ihr Lust habt, fahren wir ein bisschen raus«, schlage ich vor. Sie haben Lust, und ruckzuck fahren wir los. Ich sage meinen Freunden Bescheid. Wir fahren zum Kanal und sehen den Schiffen zu. Ringsum sind Wiesen. Es ist warm und wunderschön. Sie erzählen von wichtigen Dingen, und ich habe Zeit zum Zuhören. Sie werfen Steine ins Wasser, sammeln Blumen, malen Bilder in den Sand. Wir haben uns getroffen und sind losgefahren.

 

Wir fahren ins Ferienhaus. Moni (11), Silvia (11), Claudia (12) und Jürgen (13). Ich bin neugierig, ob sie sich allein verpflegen können. Und ich habe auch keine Lust, für sie vier Tage lang zu kochen. »Wir fahren in den Supermarkt. Kauft euch, was ihr für vier Tage braucht.« Sie haben Geld mitbekommen und teilen es sich ein. Sie beraten sich, und ich berate sie ab und zu auch. Sie kaufen teils gemeinsam, teils jeder für sich. Die vier Tage machen sie es dann selbst: sich ernähren. Manchmal koche ich etwas für sie mit, manchmal sie für mich. Wenn sie sich allein ihr Essen machen und dann zufrieden essen, dann finde ich sie sehr souverän.

 

Ich stehe am Auto. Ricky (11) kommt mit einer Krach-Pistole auf mich zu. Er schießt, es ist riesig laut und dröhnt mir in den Ohren. »Hör auf, ich kann‘s nicht ab!« fahr ich ihn an. Als er wieder schießt, schrei ich ihn so laut an, wie ich kann – er »fliegt« ein paar Meter weg. Ich bin wütend, setze mich ins Auto und fahre eine Runde. Dann bin ich wieder ruhig »und werde ihm dieses Ding wegnehmen, wenn er noch mal auf mich losgeht«. Als er mich sieht, entschuldigt er sich. Ich merke, dass er mitbekommen hat, dass ich angemacht war. Mein Gefühl hat ihn erreicht, und wir verstehen uns wieder.

 

Melanie (3) ist mit mir im Kaufladen. Sie streicht um die Regale. Die Verkäuferin erwartet von mir, dass ich sage, was das Kind will. Ich sage nichts, gehe hinter Melanie her und lasse sie tun, was sie tun will. Wir kommen hierhin und dorthin. Ich bin neugierig, was sie sucht. Aber ich frage sie nicht. Ihr Suchen ist ein feines Netz, und meine Fragerei könnte es zerstören. Sie weiß, dass ich da bin, und wenn ihr danach ist, wird sie mich zu Hilfe holen. Dann landen wir am Eingang, bei der Eistruhe. Melanie will ein bestimmtes Eis. Ich verstehe nicht, welches. Aber ich sehe die Auswahltafel, löse sie vom Haken und halte sie ihr hin. Sie zeigt auf das Eis. Ich kaufe es ihr und mir auch eins. Wir setzen uns auf den Bordstein vor dem Geschäft und essen Eis. Ich nehme ihr Papier und bringe es weg. Sie sieht mir zu. Wir haben keinen Satz miteinander gesprochen, doch wir verstehen uns und wissen um uns.

Und jetzt?

Am Tag vor Weihnachten erzählte ich meiner Liebsten, mein Pipi sei braun. Sie schickte mich sofort in ihr MVZ und der Arzt dort mich sofort ins Krankenhaus. Am Tag nach Weihnachten erfuhr ich dann, die Gallenblase wurde verschlossen durch einen Tumor an der Bauchspeicheldrüse.

Laut Statistik/Internet liegt die Lebenserwartung ab Diagnose bei 2 bis 5 Monaten. Statistik ist Korellation. Was für mich die Kausalitäten sein werden, wird sich weisen. Jedenfalls hab ich jegliche Behandlungsangebote des Krankenhauses abgelehnt, was die von mir als 81-jährigem dankbar an nahmen. Und für das finale Sterbefasten werden mich hier 2 Palliativmediziner aus dem MVZ begleiten.

Nun fließt die Galle wieder und ich fühle mich wieder wohl, denn es sind nicht die Dinge, sondern unsere Urteile darüber, die sie uns schwer oder leicht erscheinen lassen (meinte vor 2000 Jahren schon Epiktet). Ich finde es schön, dass ich Zeit habe, in Ruhe meine Angelegenheiten abzuwickeln, notwendige Infos an die Liebste weiterzugeben und mich von vielen zu verabschieden. Das Leben, und das ist für mich der lange Kreislauf von Geburt zu Geburt, ist und bleibt spannend, bunt und vielfältig, z.B., dass genau zum Zeitpunkt, an dem ich wieder nach Hause kam, eine Freundin in einer meiner mailing-lists meine Befindlichkeit mit einem Gedicht beschreibt.

Ich werde dazu sicher noch einiges hier im Blog äußern.

  Sein
sein dürfen,
zu mir ja sagen,
bedingungslos annehmen,
was ich bin,
wie ich bin;
annehmen,
dass manches fehlt,
und mich freuen,
dass manches wächst;
glauben,
dass ich so gewollt bin,
eigenartig,
einzigartig,
unvergleichlich.
Ich muss nichts scheinen,
darf sein,
einfach sein.
Max Feigenwinter

 


Psychosomatik 3

Ich fühl mich im Dilemma: Ich bin ziemlich alt – ich rauche gerne Zigaretten, seit 66 Jahren, zu manchen früheren Zeiten 120 am Tag – ich spüre Schmerzen in der Brust, naja, meint, manchmal so ein Ziehen und, seit Monaten nehme ich ab – die mehrheitlich veröffentlichte Meinung und der Hypochonder in mir konstatieren „Krebs?!“ – also mal abklären lassen. Aber wie bzw. von wem?

Ein Mediziner, eingespannt in unser System von GKV[1], KV[2], ÄK[3], PKV[4], EBM[5], ICD[6], DSM[7] sowie in den Zwang zu wirtschaftlicher Nutzung seiner Arbeitskraft, kann oder darf sich wohl nicht zu weit aus dem Fenster lehnen, einem der unzähligen Fensterchen im Elfenbeinturm der Schulmedizin. Ich dagegen fürchte mich vor seinem institutionalisiertem Drang zum Heilen. Ich will ja nur eine Erklärung meiner Wahrnehmungen.

[1] Gesetzliche Krankenversicherung

[2] Kassenärztliche Vereinigung

[3] Ärztekammer

[4] Private Krankenversicherung

[5] „Evidenz basierte Medizin“ oder aber „Einheitlicher Bewertungsmaßstab“

[6] Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme

[7] Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders

Doch solches Erklären läuft schnell auf Diagnose hinaus. Und Diagnose schmeckt nach self-fulfilling prophecy. – Und, je nach ihrem Inhalt, lässt Diagnose Reaktionen meiner Umwelt erwarten. Umweltreaktionen aber setzen fast zwangsläufig sowas wie self-fulfilling prophecy in Gang. Denn ich bin ja immer der konstituierende Teil dieser Umwelt: ich nehme diese Umwelt wahr, damit wirkt sie auf mich, wird meine Wirklichkeit.

Weiter unten im blog, in Meinung-Wissen-Macht wo ich aus einer gewöhnlichen Glockenkurve ein Schiefe mache, hab ich nach meinen PC-Versuchen mit dem Galtonbrett bemerkt „.. Ich brauchte ziemlich lange, bis ich den PC wieder unbeeinflußt klickern lassen konnte – wie lange dauert es wohl, bis ich meine Meinung wieder ändern kann, bzw. bis ich überhaupt merke, dass sie beeinflusst ist?

Heute, in Zeiten von Pegida und Trump, sind die Medien voll von ‚Filterblase‘, ‚postfaktisch‘ und dergleichen, meint wohl, wir bemerken kollektiv, dass es lohnt, Realität und Wirklichkeit zu differenzieren. Das eine, Realität, nennen Gläubige die Unerforschlichkeit, Allwissenheit Gottes, das andere ist der winzige Teil davon, den ich, zumal im Wir, als auf mich wirkend empfinde, wie schon Goethe sagte: „Der Mensch sieht nur, was er versteht“. Das kann dann wohl auch etwas peinlich werden, wenn ich mich selbst in meiner Filterblase bemerke – wo ich mich doch für einen aufgeklärten und abgeklärten Menschen zu halten gewohnt bin.

In meiner Filterblase schließt man nicht von Molekülen auf Zellen, von Zellen auf Organe; diese ist Uhrmachersicht, Denkweise im Newton-Weltbild der Objekte, des von Unten nach Oben. Anhänger des biologischen Reduktionismus vertreten die Ansicht, menschliches Bewusstsein hätte sich im Verlauf der Evolution aus extrem komplexen “Materie-Systemen” (vom Atom über den Einzeller bis hin zum Gehirn) gebildet. Neuro-Skeptiker verweisen jedoch zu Recht darauf, dass es sich bei materiellen Phänomenen (z.B. chemischen Reaktionen) und bei Bewusstseins-Phänomenen (z.B. Liebe empfinden) um logisch nicht vergleichbare unterschiedliche Dimensionen handelt. Sie fordern eine Erklärung, warum sich aus einer Ansammlung von Atomen OHNE Ich-Bewusstsein irgendwann eine besonders komplexe Ansammlung von Atomen MIT Ich-Bewusstsein ergeben soll. Diese bottom-up-Hypothese des biologischen Reduktionismus erscheint mir so, als wenn ein Haufen Mauerziegel und ein paar Säcke Zement genügten zur Erklärung nicht nur für die Bauweise eines Hauses sondern auch für die Lebensweise seiner Bewohner. Wenn ich von mir, meinen Organen, meinen Zellen glaube, das seien Objekte, bin ich nicht mehr das Subjekt, das glaubt. Ich tappe in die Adultismus-Falle, in die pädagogische Krankheit.

Meines ist eher eine top-down-Hypothese. Nicht dass ich die für besser oder richtiger halte als die bottom-up-Hypothese. Nein, die ist nur anders, nämlich meine. Für die gibt es inzwischen einige durchgerechnete Theorien. Ich bin kein Physiker, sondern Ingenieur. Physiker können Neues in der Natur entdecken; Ingenieure wenden von diesen Entdeckungen, so die ihnen logisch erscheinen, entsprechend ihrer Logik an. Physiker entdecken Natur, Ingenieure machen Waren daraus, wobei die Physiker-Logik und die Ingenieurs-Logik durchaus nicht deckungsgleich sind; ja, noch merkwürdiger, selbst wenn später nachgewiesen wird, das die Physiker-Logik falsch war – das Ingenieurs-Produkt hat Bestand.

Eine top-down-Hypothese besagt, dass zuerst die Idee war, dann die Informationen mit meiner Bedeutung, die ich ihnen gebe, zur Umsetzung der Idee zum Plan, daraus die Organisation zur Umsetzung der Informationen zum geplanten Objekt und schließlich das Objekt, ein Haufen Mauerziegel, ein paar Säcke Zement und noch einiges und daraus ein Haus – und viele Maurer mit je ihren eigenen Kaskaden von Idee, Information, Organisation, Objekten (z.B. Mörtelfass, Kelle und Wasserwaage).

Solch ein Weltbild rechnet uns Burkhard Heim vor[8]. Heim gelingt durch seine einheitliche Feldtheorie die vollständige geometrische Beschreibung aller physikalischen Kräfte und Teilcheneigenschaften, sowie der Vereinigung von Elektromagnetismus und Gravitation. Er hat das geschafft, wonach Einstein und andere vergebens gesucht hatten. Diese Feldtheorie führte zur Entwicklung der Massenformel für die Elementarteilchen, welche bereits 1981 in Hamburg am Deutschen Elektronen-Synchrotron (DESY) experimentell bestätigt und 2002, nach dem Tode Burkhard Heims, ein zweites Mal (mit den heute genauer bekannten Werten verschiedener Naturkonstanten und einer weiteren Auswahlregel) erfolgreich verifiziert wurde. Da die Theorie von Heim computergeprüft ist und sämtliche Ergebnisse mit den neuesten in Experimenten gefundenen Messwerten übereinstimmen, ist an den weitreichenden Folgerungen, die aus dieser Theorie ableitbar sind, nicht zu zweifeln. Allerdings erschwert der große mathematische Aufwand das Verständnis. Derzeit ist erst ein Bruchteil dessen, was die Theorie leistet, erfasst und ausgearbeitet worden.

[8] Illobrand von Ludwiger: Das neue Weltbild des Physikers Burkhard Heim: Unsterblich in der 6-Dimensionalen Welt. Komplett-Media, Grünwald, Kr. München 2013, ISBN 978-3-8312-0394-9.

Das Top-Down findet aus der 5. und 6. Dimension, denen von Information und Organisation statt, hin in die 1. bis 4., die materielle Raumzeit. Ähnliches liefert die Theorie von Jean-Emile-Charon[9], auch dargestellt in Michael König, Das Urwort – Die Physik Gottes[10].

[9] https://wissenschaft3000.wordpress.com/2012/04/21/jean-emile-charon-der-geist-der-materie/

[10] http://www.drmichaelkoenig.de/42062.html 
und 
http://bewusstseinsreise.net/die-urwort-theorie/

Und wenn wir schon bei Top-Down sind muss über GEIST gesprochen werden. Hier hat mich Michael Nahm inspiriert[11]. Er beschreibt deutliche Indizien, dass zwischen Gehirn und Geist kein exaktes 1:1 Verhältnis besteht – entgegen der gängigen Lehrmeinung. Z.B. werden bei Menschen mit schweren Gehirnkrankheiten, abgesehen von bestimmten körperlichen und kognitiven Funktionsausfällen, weder die Persönlichkeit noch das Gedächtnis beeinträchtigt! Wenn aber ein Teil des Geistes unabhängig vom Gehirn funktionieren kann, warum sollte das unter gegebenen Umständen dann nicht auch der gesamte Geist können?

11  Nahm M (2012). Wenn die Dunkelheit ein Ende findet. Terminale Geistesklarheit und andere Phänomene in Todesnähe. Amerang: Crotona; 286 pp. 
Und 
http://www.michaelnahm.com/publications-and-downloads
Und
https://www.anomalistik.de/ueber-gfa/who-s-who/104-michael-nahm

Sein Buch ist die erste umfassende Studie über eines der geheimnisvollsten Phänomene der Seele – die „Terminale Geistesklarheit“. Es beschreibt die Erfahrung mit Menschen, die jahre- oder jahrzehntelang im Koma lagen oder unter nahezu vollständiger, irreparabler Gehirnschädigung litten, bis sich kurz vor ihrem Tod etwas Unglaubliches ereignet. Plötzlich, nach schier endloser geistiger Umnachtung, setzen sich diese Menschen auf, sind geistig völlig klar, gewinnen ihre alten harmonischen Gesichtszüge zurück und richten an die völlig verblüfften Verwandten oder Familienmitglieder eine letzte Botschaft mit wichtigen persönlichen Nachrichten. Dann legen sie sich entspannt und offenbar ganz mit sich im Reinen zurück – und verlassen ihre physische Hülle (aus http://spirituelles-portal.de/Text-und-Interview-mit-Michael-Nahm-von-Corinna-Schindler-Unglaubliche-Erlebnisse-am-Rande-des-Todes,2,412.html).

Für mich wäre hei auch zu nennen Peter Plichta[12]. Er hat etwas herausgefunden, was so atemberaubend und unvorstellbar ist, daß es nicht allein die wissenschaftliche Welt wie ein Schock treffen wird. Hinter den verdrängten Rätseln unserer materiellen Welt steckt ein geheimer Bauplan: ein Zahlencode. Dessen Entschlüsselung beantwortet die Frage, warum der Kosmos gerade in diesen Gesetzen und Naturkonstanten (z.B. Lichtgeschwindigkeit) angelegt ist.

12 http://www.plichta.de/plichta/das-primzahlkreuz-und-die-zahl-24/das-geheimnis-der-atome

Aber was ficht es die Skeptiker an, die immer noch glauben wollen, dass nur das Zähl- und Messbare das Echte sei? Was ficht es die Skeptiker an, dass diese materielle Welt nur 4% des Universums ausmachen – Asrophysik hat gezeigt, das die restlichen 96% aus „dunkler Materie und dunkler Energie“ bestehen. Und das ist selbst unter Theologen verbreitet. Da kommentiert dann ein Leser Ähnliches wie meine Sachen oben mit „…nur von anderen Spökenkiekerseiten zusammengeklaubt hast? Sorry, diesen Kram habe ich schon x-mal inden Weiten des Netzes gelesen, er wird durch ständiges Wiederholen nicht besser. Verschone uns bitte mit dem Geschwafel.“[13] Tja, so wirken Filterblase – und ich liebe eben meine und erzähle darüber – möge es nützen, wem es behagt.

[13] http://evangelisch.xobor.de/t291f47-Gottesbeweis-Mystik-und-Quantenphysik.html

Nun, das war mein Informationsstand von Anfang Dezember.

 

Meine Grundlagen amicativer Lebensweise

Der persönliche Rahmen

1. Selbstliebe

„Ich liebe mich so wie ich bin“. Diese konstruktive Weltsicht begründet sich aus dem existenziellen Lebenswillen und ist verkörpert in jeder einzelnen Zelle, weil sie biologische Grundlage alles Lebendigen ist. Selbstliebe ist frei von Egoismus und ist umhüllt von Nächstenliebe. Bei vielen Menschen ist die Selbstliebe dick überkrustet von Selbsthass aus adultistischem Erziehungsdruck von Säugling an („du musst anders sein – klüger, schneller, etc. werden!“). Dennoch kann die Selbstliebe durch nichts und von niemand infrage gestellt werden. Wird diese grundlegende Selbstliebe bewusst, verbreitet sie sich als Nächstenliebe hin zu allen Wesen. Je tiefer das Bewusstwerden der eigenen Selbstliebe wieder erwacht, desto höher wird die Achtung für die Selbstliebe aller Wesen.

2. Vollwertigkeit

Auf der Basis der Selbstliebe ruht das Bewusstsein der eigenen Vollwertigkeit. Jeder Mensch ist von Anfang an ein vollwertiger Mensch. Niemand muss an sich arbeiten, sich verbessern oder erzogen werden, um ein »richtiger«, »besserer«, »gesünderer« oder »glücklicherer« Mensch zu werden, denn ein jeder ist zu jedem Zeitpunkt seines Lebens dieser einzigartige vollwertige Mensch. Natürlich wird man sich jederzeit verändern, denn Leben ist Rhythmus, ist ständige Veränderung: dies geschieht stets auf dem 100-Prozent-Plateau der Vollwertigkeit und Selbstliebe. Ich bin der Mittelpunkt des Universums, das ich zu jedem Moment durch mein Wahrnehmen, Denken und Handeln in meinem Bewusstsein neu erschaffe, und ich weiß mich als Nebenpunkt oder nichtexistent in all den anderen Universen. Je tiefer das Bewusstwerden der eigenen Vollwertigkeit und Selbstliebe wieder erwacht, desto höher wird die Achtung für die Vollwertigkeit und Selbstliebe aller Wesen.

3. Selbstverantwortung

Auf der Basis der Selbstliebe und Vollwertigkeit ruht das Bewusstsein der eigenen Selbstverantwortung. „Nur ich bin für mich verantwortlich!“   Menschen werden als für sich selbst Verantwortliche gezeugt und geboren. Das eigene Beste können daher allein sie selbst wahrnehmen. Dies ist keine Anlage, die erst im Laufe des Älterwerdens entfaltet werden kann. Das ist eine Qualität des Lebendigen, die von Anfang an uneinschränkbar wirkt. Die Selbstverantwortung geht niemals verloren, was im Leben auch geschehen mag. Sie kann nur vor dem eigenen Verstand verborgen werden, solange der adultistische Selbsthass noch zu groß ist und die Opferhaltung die größere Rendite verspricht. Offen gelebte Selbstverantwortung beginnt mit der Entscheidung zur Bereitschaft, Ursache in den Angelegenheiten meines Lebens zu sein. Letztendlich ist es ein Weltbild, von dem aus ich wähle, mein Leben zu leben. Selbstverantwortung schafft nicht Lob, Verdienst, Bürde, Schande oder Schuld. Bei Selbstverantwortung gibt es keine Bewertung von gut oder schlecht, richtig oder falsch. Da ist einfach, was ist, und das ist meine Haltung, jetzt. Bewusst selbstverantwortlich zu sein beginnt mit der Bereitschaft, mit einer Situation umzugehen von dem Blickwinkel im Leben aus, dass ich der Verursacher davon bin, was ich tue, was ich habe und wer ich bin. Das ist nicht die Wahrheit. Es ist ein Ort, an dem ich stehen kann. Ich bin von mir autorisiert zum Autor des Drehbuchs meines Lebens; ich bin dessen Regisseur und dessen Hauptdarsteller und dessen wichtigstes Publikum! Je tiefer das Bewusstwerden der eigenen Selbstverantwortung, Vollwertigkeit und Selbstliebe wieder erwacht, desto höher wird die Achtung für die Selbstverantwortung, Vollwertigkeit und Selbstliebe aller Wesen.

4. Souveränität

Auf der Basis der Selbstliebe, Vollwertigkeit und Selbstverantwortung ruht das Bewusstsein der eigenen Souveränität. Niemand muss etwas tun, dulden oder unterlassen, was er nicht tun, dulden oder unterlassen will. Niemand unterliegt irgendeiner Pflicht, der er nicht selbst zustimmt, und er hat kein Recht gegen Andere, dem jene nicht zustimmen. Für keine Norm*) kann eine Berechtigung gefunden werden, dass sie über den Einzelnen gestellt werden könnte. Womit auch immer jemand konfrontiert wird: ein jeder entscheidet in eigener Souveränität selbst, wie er damit umgehen will. Die aus der Souveränität kommende Freiwilligkeit eröffnet den Zugang zu Kongruenz, Authentizität und Empathie. Ich bin der Schöpfer meines Universums; ich bin das Geschöpf meiner Schöpfung, dem ich auch die dunklen Seiten zugestehe wie z.B. Schmerz, Angst, Wut oder Bedürftigkeit, Ratlosigkeit, Begrenztheit, Fehlbarkeit. Je tiefer das Bewusstwerden der eigenen Souveränität, Selbstverantwortung, Vollwertigkeit und Selbstliebe wieder erwacht, desto höher wird die Achtung für die Souveränität, Selbstverantwortung, Vollwertigkeit und Selbstliebe aller Wesen.

 *) Der Inhalt des Rechts und seiner Rechtsnormen beruht auf der willensmäßigen und werte-verwirklichenden Gestaltung der gesellschaftlichen Ordnung, die sich an gesellschaftlichen Werten orientiert, die auch moralischer oder ethischer Natur sein können. Die Rechtsordnung ist eine Zwangsordnung; sie knüpft an unerwünschtes Verhalten einen organisierten Zwangsakt. Indem ich meine Rechte als Staatsbürger auf einem Staatsgebiet annehme, akzeptiere ich meine Pflichten in dessen Rechtsordnung. AMICATION betrachtet die Welt moralischer oder ethischer Normen, nicht die der Rechtsnormen.
Recht ist eine "normative Zwangsordnung", die auf die Steuerung menschlichen Verhaltens abzielt. Es ist ein rechtmäßiges Instrument von Herrschaft. Für die Beantwortung der Erage, ob eine Norm rechtmäßiges geltendes Recht sei, ist nicht entscheidend, ob ein bestimmtes Gesetz irgendeiner Gerechtigkeitsanforderung genügt, "Grundwerte" wie Menschenrechte  und Demokratie beachtet. Entscheidend ist allein, ob das Gesetz auf eine höherrangige Norm, nämlich die Verfassung zurückgeführt werden kann. Demfolge besteht kein notwendiger Zusammenhang zwischen positivem Recht und Gerechtigkeit. Es gibt keine letztgültigen, allgemein anerkannten Maßstäbe für 'das' Recht als solches, lautet die skeptische Einsicht der Rechtspositivisten. Im modernen Gesetzgebungsstaat ist das Recht - bis hin zur Verfassung - kontingent, das heißt, es ist das mehr oder weniger zufällige und wechselhafte Resultat gesellschaftlicher Machtverhältnisse. 
Anders gewendet, ins Individuelle: Ich blicke in einen Spiegel aus "Grundlagen amicativer Lebensweise". Die Frage nach der Qualität einer Rechtsordnung, etwa nach dem Stand der Menschenrechte, ist daher kein rechtswissenschaftliches Thema, sondern Sache von Politik und Ethik. So stellt sich auf anderer Ebene die Frage des Rechtsgehorsams. Denn aus dem rechtswissenschaftlichen Urteil, eine Norm sei geltendes Recht, erwächst keine ethische Pflicht, dieses Recht zu befolgen.
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5. Gleichwertigkeit

Auf der Basis der Selbstliebe, Vollwertigkeit, Selbstverantwortung und Souveränität ruht das Bewusstsein der eigenen Gleichwertigkeit. Nichts und niemand steht über oder unter einem anderen: Es gilt das Paradigma der Gleichwertigkeit aller Phänomene. Statt des vertikalen Denkbildes unserer patriarchalen Geschichte mit seiner Oben-Unten-Struktur gilt das horizontale Bild der großen Ebene, auf der jedes dingliche und nichtdingliche Gebilde gleichwertig seinen Platz hat. Jeder einzelne Mensch geht in eigener Verantwortung seinen Weg durch diese Vielfalt. Wie immer er sich entscheidet und nach welchen Kriterien auch immer er seine Wahl trifft, niemals wird das, für das er sich nicht entschieden hat, deshalb als minderwertig eingestuft. Ein jeder verbindet die postmoderne Gleichwertigkeit mit persönlicher Verantwortung zu seiner eigenen, konstruktiven und subjektiven Ethik. Je tiefer das Bewusstwerden der eigenen Gleichwertigkeit, Souveränität, Selbstverantwortung, Vollwertigkeit und Selbstliebe wieder erwacht, desto höher wird die Achtung für die Gleichwertigkeit, Souveränität, Selbstverantwortung, Vollwertigkeit und Selbstliebe aller Wesen.

6. Subjektivität

Auf der Basis der Selbstliebe, Vollwertigkeit, Selbstverantwortung, Souveränität und Gleichwertigkeit ruht das Bewusstsein der eigenen Subjektivität. „Jeder tut zu jederzeit sein Bestes für sich – unter Berücksichtigung der Informationen, die er hat, und der Regeln, die er zu deren Auswertung kennt. Und er verdient nicht, deswegen von irgendwem zurückgestoßen oder beschuldigt zu werden. Von niemand, auch nicht von sich selbst!“ („Der brave Mann denkt an sich – selbst zuletzt“). Menschen interpretieren die Welt – das kann jeder nur auf seine subjektive Weise. Es gibt nur Meinung, nicht Deinung. Objektive Urteile, von Menschen losgelöste Wahrheiten existieren nicht. Auch naturwissenschaftliche Erkenntnisse sind letztlich Erkenntnisse konkreter Menschen mit ihrer subjektiven Weltsicht und unterliegen dem Wandel der Geschichte. Das bedeutet, dass niemand zu Recht einem anderen seine eigene Sicht der Dinge verbindlich machen kann (»Sieh das ein, ich habe recht«), sondern dass jeder nur seine eigene, subjektive Sicht finden kann und kundtut. Denn ich weiß von mir: Soweit wie ich meine eigenen Grenzen anerkennen kann, nur soweit kann ich auch die Grenzen anderer respektieren – das bedeutet auch, für mich selber nachsichtig zu sein, wenn ich später erkenne, dass damals mein Bestes aus der Sicht von heute nicht gut genug war. Je tiefer das Bewusstwerden der eigenen Subjektivität, Gleichwertigkeit, Souveränität, Selbstverantwortung, Vollwertigkeit und Selbstliebe wieder erwacht, desto höher wird die Achtung für die Subjektivität, Gleichwertigkeit, Souveränität, Selbstverantwortung, Vollwertigkeit und Selbstliebe aller Wesen.

Der soziale Rahmen

7. Sozialität

Menschen sind sozial konstruktiv. Sie werden geboren mit dieser empathischen Potenz, die erwächst aus der Vollwertigkeit und Selbstliebe aller Wesen. Menschen halten nach dem Anderen Ausschau, um von ihm Wichtiges für sich selbst zu bekommen: dessen Gewogenheit, Sympathie, Liebe. Es geht um das biologische Bedürfnis nach Liebe, Anerkennung, Wertschätzung. Im eigenen Interesse kümmert sich der eine um den anderen (»sozialer Automatismus«); er sorgt dafür, dass es diesem gut geht, denn dies hat die Zuwendung des anderen zur Folge. Sozialität ist die Auswirkung der Selbstliebe. Niemandem muss Sozialität, Nächstenliebe, Kümmern um andere erst beigebracht werden: Menschen können das von Geburt an und sie praktizieren es um des eigenen Nutzens willen (es sei denn, sie werden in der äußeren Entfaltung ihrer Selbstliebe stark gestört).

8. Achtung der Inneren Welt

Selbstverantwortung und Subjektivität bewirken bei jedem einzelnen Menschen seine eigenständige und souveräne Innere Welt. »Innere Welten« gibt es als universelles Prinzip der inneren Struktur überall: in Atomen, Steinen, Pflanzen, Tieren, Menschen. Vor der Inneren Welt jedes Menschen besteht grundlegende Achtung. In die Innere Welt wird niemals eingegriffen in dem Sinne, dass dort etwas sein müsse, was der andere dort aber nicht haben will (»Sieh das ein!«)

9. Selbstbehauptung in der Äußeren Welt

Die Achtung vor der Inneren Welt bedeutet nicht das Erduldenmüssen von Handlungen in der Äußeren Welt. Auf der Handlungsebene verhält sich ein jeder so, wie dies seiner Verantwortung für sich selbst entspricht. Der lebendige Organismus hält sich stets in einem Optimum zwischen seinen äußeren und seinen inneren Bedingungen (Opportunitätsprinzip), so wie er diese wahrnimmt und bewertet. Dieses Verhalten in der Äußeren Welt kann den Vorstellungen des anderen entsprechen oder entgegengesetzt sein. Bei Konfrontation oder unüberbrückbarem Gegensatz steht es jedem zu, zur Sicherung der eigenen Identität so wehrhaft zu sein, wie man es kann und will. Doch bei aller Selbstbehauptung in der Äußeren Welt – dabei geht die Achtung vor der Inneren Welt eines jeden Menschen nicht verloren.

10. Empathie

Die Freiwilligkeit und die Achtung vor der Inneren Welt ermöglichen es, dass sich das Einfühlungsvermögen des Menschen so entfalten kann, wie das ein jeder wirklich will – und nicht so, wie es für irgendwen irgendwie sein sollte. Das empathische Potential des Menschen wird freigesetzt. Antworten auf die Fragen »Wer bin ich?« und »Wer bist Du?« werden im Aufspüren der real existierenden Personen, die ein jeder selbst und die der andere ist, auf einer tiefen emotionalen Ebene gefunden. Dies gilt stets jedoch nur soweit, wie ein jeder das angesichts der Umstände für sich realisieren will (es gibt keine Verpflichtung zur Empathie). Ein besonderer Bereich, den die Empathie erschließt, ist der Umgang mit Konflikten: die »empathische Konfliktlösung« tritt an die Stelle destruktiver Kämpfe.

11. Fehlerlosigkeit

Niemand kann einen wirklichen Fehler machen – denn es gibt keinen objektiven, über dem Einzelnen stehenden Maßstab. Wer könnte der Oberbestimmer sein? Verstöße gegen Vereinbarungen sind keine Fehler in einem objektiven Sinn, sondern für den Handelnden zum Zeitpunkt des Handelns sinnvolle Entscheidungen für Abweichungen vom vereinbarten Weg. Man kann sich meistens korrigieren*); dabei wird der nun zu korrigierende Schritt als sinnvolles Tun in der Vergangenheit geachtet. Jedoch hat jede Abweichung auch Konsequenzen, in meinem und in den beteiligten Universen

 *) auch der Chirurg, der in Gedanken an den nächsten Fall ein gesundes Bein statt des entzündeten Blinddarms abschneidet, hatte entschieden – leider hier unkorrigierbar.
12. Erziehungsfreiheit

Die Achtung vor der Inneren Welt, das Wissen um die Subjektivität der Erkenntnisse und die Anerkennung der Gleichwertigkeit aller Phänomene haben das Ende des kulturellen Missionsgedankens zur Folge. An die Stelle der Mission tritt Freundschaft: Freundschaft mit dem Kind in meiner Inneren Welt, mit dem Kind in Deiner Inneren Welt, mit den realen jungen Menschen („Kindern“) um mich herum, eben: FREUNDSCHAT MIT KINDERN – AMICATION. Keine andere Kultur, Religion, Ethik, Philosophie oder sonstige Position muss nach den eigenen Vorstellungen umgeformt werden. Dies gilt auch Kindern gegenüber und bedeutet die Überwindung des Kerngedankens jeglicher Erziehung: dass aus Kindern Menschen zu machen seien entsprechend den Vorstellungen der jeweiligen Kultur ihrer Eltern. Es wird die Beziehung zum Kind gesetzt an die Stelle einer Erziehung zum Menschen.

Mit Adultismus leben

Zu Zeitschrift unerzogen, Nr. 3-15,
„40 Jahre Antipädagogik“

Ein interesantes Heft, 30 Seiten über Antipädagogik, die Anfänge, frühe Höhepunkte und der Ist-Zustand, sehr lehrreich, allerdings etwas abstrakt und im Allgemeinen bleibend. Nur Bertrand Stern zeigt persönlichen Bezug. Der „Freundschaft mit Kindern Förderkreis“, der mit dem persönlichen Bezug jene frühen Höhepunkte voran getrieben hatte, findet nur Erwähnung in Nebensätzen, als „Sekte“.

Erlauben Sie mir bitte diese Ergänzung um Adultismus*), damit wir das Bild von der Antipädagogik runder und bunter sehen. Dieses Heft hat mich sehr angesprochen, betrifft es doch eine wichtige Zeit in meinem Leben und meine Haltung zum Leben bis heute. Das Buch „Antipädagogik“ war auch für mich ein Meilenstein, die Begegnung damit ein Glücksfall, weg vom Wirrsinn der Antiautoritären, hin zu einer Medizin gegen die ‚pädagogische Krankheit‘ des „ich-weiß-was-für-dich-am-Besten-ist“. Doch „Erziehung lauert überall!“, dieser heutige Hinweis von Bertrand Stern lag mir schon damals im Sinn. Diesen psychodynamischen Aspekt, der weit über die klugen, mehr pädagogisch-wissenschaftlichen Artikel des Heftes hinausgeht und den wir damals in Münster als grundlegend für lebendige Antipädagogik fanden, sehe ich im Heft nicht dargestellt, obwohl es im Heft eher um Antipädagogik geht, weniger um eine Huldigung an v. Braunmühl.

  *)   Definition: Adultismus (engl. adultism, von the adult = der Erwachsene) bezeichnet die Diskriminierung von Kindern und Jugendlichen auf Grundlage eines bestehenden Ungleichgewichts zwischen Erwachsenen und Kindern/Jugendlichen. Adultismus fokussiert Einstellungen und Verhaltensweisen Erwachsener, die auf der Basis einer tradierten gesellschaftlichen „Rangordnung“ davon ausgehen, kompetenter zu sein als Kinder/Jugendliche und entsprechend agieren zu dürfen bzw. gar zu müssen. Der Glaube Erwachsener, sie wüssten besser als Kinder/Jugendliche, was für jene gut sei, ist ein Phänomen der Alltagsdiskriminierung: häufig stellen sich Erwachsene über Kinder und behandeln sie auf eine Weise, die dem Kinde nicht gerecht wird und aus Bequemlichkeit und Dominanz der Erwachsenen resultiert. Es ist die erste Diskriminierung, auf der alle anderen Arten von Diskriminierung aufbauen. Adultismus ist als gesellschaftliche Diskriminierungsstruktur, als strukturelle Gewalt zu verstehen, die mittels interpersoneller Beziehungen, Traditionen, Gesetze und sozialer Institutionen untermauert und kultiviert wird.                     – Bemerkenswert scheint mir, wer im je aktuellen Fall sonst noch dieser Klasse „Kinder“ augenscheinlich zugerechnet wird: alle "Schwachen", z.B. manche Frauen, manche Nicht-Deutsch-Sprechende und andere, die dem die aktuelle Situation beherrschenden „Erwachsenen“ als hilflos erscheinen. Dies wird schnell einem Sexismus, Rassismus o.ä. subsumiert, ist aber wohl tatsächlich noch viel dümmer: ein schlichter Rückfall in frühkindlich erlebten Adultismus. Könnte es sein, das die meisten Diskriminierungen gar nicht eigenständig zu verstehen sind, sondern als Abwandlungen von Adultismus-Erfahrungen und den dabei/dazu gespeicherten Formen internalisierter Unterdrückung bzw. internalisierter Dominanz? Die gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, ob Rassismus, Homophobie oder anderes, sagt viel über das Selbstbild solcher Menschen, wenig über die Objekte ihres Hasses.

Stern betrachtet insbesondere die politische Dimension; meine, in FREUNDSCHAFT MIT KINDERN entwickelt, ist die persönliche, die Selbstbegegnung mit meiner internalisierten Unterdrückung. Was passiert, wenn ich mich einlasse auf die Gefühle aus meinen ersten Begegnungen mit den pädagogisch Denkenden und daraus, wie mit meinen Menschenrechten als Kind umgegangen wurde? Welche Mechanismen habe ich entwickelt, um Schmerz, Angst, Wut aus solchen Erfahrungen zu unterdrücken und mich meinem adultistischen*)  Umfeld anzupassen, brav und erwachsen zu erscheinen?

*)   vgl. z.B. "Adultismus: die erste erlebte  Diskriminierungsform? Theoretische  Grundlagen und Praxisrelevanz" von Sandra Richter 
und dazu
Fortbildung in Berlin im Institut für den Situationsansatz in der INA 
oder ncbi-projekte 
(Stand: 11/2015)

Dieser psychodynamische Aspekt, neben denen der Antipädagogik und Kinderrechtsbewegung, ist und war seit den Anfängen für die meisten Menschen bestimmend, im FREUNDSCHAFT MIT KINDERN – Förderkreis e.V. (FMK) Mitglied zu werden bzw. an dessen Veranstaltungen teilzunehmen.

Zum Ersten eine inhaltliche Rückblende

Ähnlich wie im Heft über Ekkehard von Braunmühl (EvB) berichtet wird, stand ich mit meiner Frau 1972 und 73 nach der Geburt unserer Kinder vor der Frage „Und jetzt, wie erziehen?“. Was wir wussten war allein „So wie wir erzogen wurden sicher nicht!“. Ich nahm beim Mittagessen Stunden an Familienkommunikation auf und war abends beim Anhören der Kassette jedes Mal neu entsetzt: ich hörte mich mit dem Originalton meines Vaters – befehlend, unbeugsam, unerreichbar, den Ton, den ich schon als Kind zum Kotzen fand. Wir gründeten die „Interessengemeinschaft Würzburger Eltern e.V.“, trafen uns 14-tägig in der Hofkellerei, um bei einem Schoppen uns auszutauschen und zu lernen über den „Erziehungsalltag“ und seine Merkwürdigkeiten; wir tauschten unsere Kinder in den Familien, so dass nur eine Mutter an der Sandkiste saß und 3 andere frei hatten.

Dabei lernten wir – und die Kinder! – vor allem, dass jede Familie eigene Regeln hat, sowie, dass die nicht, wie sonst gefühlt, ehernen Naturgesetzen gleichen, sondern verhandelbar werden können. Das „Wie erziehen?“ verblasste und wurde zu „Unter welche Regeln wollen wir uns stellen?“. Heute, 2015, können Neuro- und Kognitionswissenschaften uns das mit den Landkarten im Kopf einigermaßen erklären; damals herrschte noch weitgehend Skinnersches Blackbox-Denken – und es gab Raunen über denkwürdige, aber ferne Leute wie Carl Rogers, Fritz Perls oder Wilhelm Reich, sowie über Encounter- und T-Groups mit viel Dramatik.

Ich bin Bauingenieur und arbeitete zu der Zeit als Organisator im Arbeitsstab des Bundesverkehrsministeriums für die Neuorganisation der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes an der Umbildung dieser 20.000-köpfigen Verwaltung von vormals 12 Reichsauftragsverwaltungen der Länder in 1 bundesunmittelbare Verwaltung unter ihren eigenen Bundesaufgabengesetzen. Ich denke ingenieurmäßig, funktional. Geisteswissenschaftliches, gar Literarisches schien mir lange wie einen Pudding an die Wand nageln – Bücher werden von Menschen geschrieben, die alles über Bücher wussten, aber wenig über die Welt. Doch ich bemerkte, dass solcher Umbau in vielen dieser 20.000 Köpfe ein Gehöriges an psychischen Kräften losmacht, das sich nicht per Verwaltungsvorschrift kanalisieren lässt.

Also inhalierte ich alles, was ich an Psychologischem in Erfahrung bringen konnte. Und das wirkte zurück auf den „Erziehungsalltag“, auf die Frage „Unter welche Regeln wollen wir uns stellen?“. Darum ging es schließlich. Man muss eine Wahl treffen, sich entscheiden. Man könnte recht haben oder sich irren, aber man muss wählen, mit dem Wissen, dass Richtig oder Falsch vielleicht für immer verborgen bleiben oder dass man sich zwischen zwei falschen Dingen entschied, dass es gar nichts Richtiges gibt. Und immer, immer bleibt man damit auf sich selbst gestellt. Nur dann ist man frei, kann beim nächsten Mal neu wählen!

Dieser Lust zu wählen steht die Angst entgegen. Wenn ich aus den Gemeinschaften des Zwangs und der Kontrolle mich entlasse, was passiert dann? Solange ich Eltern oder andere Autoritäten der Meins-Ist-Besser-Als-Deins-Ideologien habe, die mir zeigen, wo es lang gehen müsse zum Richtig oder Falsch, kann ich denen die Schuld am Scheitern geben. Aber wenn ich frei bin, muss ich alles vor mir selbst verantworten. Zudem, Angst macht dumm!

1976 ging ich nach Münster. Das Inhalieren von Psychologischem war einem organisierten Interesse gewichen „wer bin ich und warum so wie jetzt?“. Mit sich selbst psychotherapeutisch zu arbeiten kann richtig Spaß machen, wenn gesunde Neugier, kein Leidensdruck dahinter steht. Ich schloss mich bald einer Community des Re-evaluation Counseling (RC) an. Später studierte ich Psychologie an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster und absolvierte gleichzeitig eine 3½ jährige Vegetotherapie-Ausbildung (reichianische Körper-Psychotherapie; ab 1985 mit eigener Praxis).

RC besitzt ein sehr politisches Selbstverständnis, knüpft an feministische und marxistische Theorien an und treibt entsprechend die Gründung von Gruppen zur Selbstbefreiung voran, so auch solche aus Adultismus. Im RC-Setting*)  versucht man, hinter dem aktuellen Stress das ursprüngliche Erlebnis und dahinter das heute daraus resultierende nun Stress auslösende Verhaltensmuster zu erkennen. Das kollabiert an seinem spezifischen Widerspruch, wodurch die im Muster gebannten Emotionen wieder frei werden, damit die Gemütsspannung entlastet und deshalb neues Denken möglich wird. Im „ich liebe mich so wie ich bin“ fand ich einen General-Widerspruch, der die meisten Muster auflöst. Für mich ist das Ausdruck der beiden Grundkräfte des Universums, das Ausdehnende und das Zusammenziehende, Yang und Yin mit den tausend Namen, hier Liebe und Angst. Angst verlangt nach Sicherheit, z.B. durch Regeln für Rollen als Erzieher und Zögling. Liebe dehnt sich aus als Neugier, hin zum Nächsten und seiner Andersart.

*)   Vgl. rc-theory
 und z.B.  Co-Counselling als spiritueller Weg      
(Stand: 11/15)

Vor diesem Hintergrund traf Hubertus mit seinem ApIM-Papier, „Antipädagogische Initiative Münster“, den Kinderschutzbundsvorsitzenden. Das war es! Radikaler Kinderschutz! Doch wurde bald klar, das ist größer als Kinderschutz; das betrifft alle Menschen unabhängig vom Alter. Nach einer Rundfunksendung mit EvB bekamen wir einen Waschkorb voller Hörerbriefe. Wir begannen zu ahnen, dass unsere Ideenverbindungen einen Nerv treffen. Hubertus und ich konnten „im Chor denken“, so dass sich unsere je persönlichen Informations-Hintergründe zu gut formulierten Papieren verarbeiten ließen. Und Hubertus schrieb dankenswerterweise dann auch noch Bücher darüber. Die inhaltlichen Positionen von FMK oder heute auch AMICATION*)  finden Sie auf der Förderkreis-Homepage**) , die unten erwähnten FMK-Grundsatz-Papiere im FMK-Heft 4, 09/1982 auf meiner Website***) .

*) von lat. amicus = Freund; s.a. urbandictionary  „amication: the process of making a friend“ 
**) AMICATION-Philosophie 
***) FMK-Heft 4, 1982  (oder als PDF-Datei laden) 
(Stand: 11_2015)

EvB konnte oder wollte nicht verstehen, dass die Ideen der Antipädagogik nur ein Drittel der Lebensart FMK ausmachen. Das zweite Drittel sind die Ideen der Kinderrechtsbewegung, der Beitrag von Hubertus von Schoenebeck, den im Wesentlichen er aus den USA in den deutschsprachigen Raum brachte, nachdem er eine Zeit bei Carl Rogers*)  am Center for the Studies of the Person war.

*)   Carl Rogers (Stand: 11_2015)

Das abschließende Drittel ist die Selbstbegegnung, die Psychodynamik der Auseinandersetzung mit dem eigenen Adultismus. Diese grundlegende Unterdrückungserfahrung schon des Neugeborenen liefert den Treibstoff für alle Meins-Ist-Besser-Als-Deins-Ideologien später. Hier besonders gerieten wir mit dem Ausschließlichkeitsanspruch der Antipädagogik und dem ihrer Exponenten aneinander. Was passiert in meinem Herzen, wenn ich mich tiefer einlasse auf die alten Gefühle bei meinen ersten Begegnungen mit den pädagogisch Denkenden, die immer schon besser wussten, was für mich gut sei? Was passiert in meinem Herzen, wenn ich mich tiefer einlasse auf die Erfahrungen, wie mit meinen Menschenrechten umgegangen wurde, als ich Kind war? Welche Mechanismen, Verhaltensmuster habe ich entwickelt, um Schmerz, Angst, Wut aus solchen Begegnungen und Erfahrungen zu neutralisieren und mich meinem adultistischen Umfeld anzupassen, brav ein ordentlicher Erwachsener zu werden?

Adultismus als die erste Diskriminierung, welche wir allesamt erfahren haben, bildet die patriarchale Basis aller späteren Formen von Unterdrückung: Wir wissen wie Unterdrückung sich anfühlt, aber verdrängen das Schreckliche gut. Es macht das Übernehmen anderer Formen von Diskriminierung einfacher, weil wir bereits kennen, wie Unterdrückung funktioniert. So passen Rassismus, Sexismus, Antisemitismus, Xenophobie, Homophobie etc. in das einmal gelernte Schema von Unterdrückung, in den Wahnsinn der Normalität. Diese Auseinandersetzung geht nicht intellektuell, schon gar nicht wissenschaftlich. Das ist Selbsterfahrung, zu keinem Zeitpunkt lecker zu küssen; das kann man nicht lesen, nur selber machen. Das war mein Beitrag zur neuen Lebensart FMK.

Berichte ich hier vom „mich entlassen aus den Gemeinschaften des Zwangs und der Kontrolle“, von „ich liebe mich so wie ich bin“ und „Selbstbegegnung, der Psychodynamik der Auseinandersetzung mit dem eigenen Adultismus“ kann das ja alles durchaus missverstanden werden als hemmungsloser Individualismus, gar als Narzissmus. In ihren relationalen oder intersubjektiven Ansätzen spürt Psychologie der Vernetzung von Seele und Umwelt nach und nimmt dabei die Vermittlungen zwischen individueller Psyche und sozialer Realität in den Blick. Dabei ist entscheidend, wie die handelnden Personen die Welt wahrnehmen und welche sozialen und normativen Kontexte diese Wahrnehmung prägen. Offenbar genügt eine kleine mentale Koordinatenverschiebung, um sich selbst oder einer Gruppe von Menschen einen anderen menschlichen Status zuzuerkennen – warum sollte das nicht für „Kinder“ gelingen.

Wenn unserer Lebensart FMK Individualismus, Egoismus oder Narzissmus vorgeworfen wurde, so verkennt das eine wesentliche unserer Grundannahmen: die Sozialität des Menschen. Natürlicherweise bin ich, als Menschentier, ein Rudelwesen. Erst im Wir erfülle ich mich zur ganzen Fülle der Möglichkeiten als Mensch. Doch Menschenwürde und Herrschaft sind Gegensätze. So wurde diese Gabe von zahllosen Philosophien, Religionen, politischen Theorien denaturiert und als Wir-Syndrom zum Werkzeug von Herrschaft uminterpretiert. Als Therapie vom Wir-Syndrom hat mir und den FMK-Freunden am besten geholfen, zuerst das Eigene zu entdecken, eigene Erwartungen, Absichten, Vorurteile zu prüfen, nach persönlichen Wegen aus unseren sozialen Phantasiesystemen zu suchen. In diesen verschiedenen Wirs bin ich das einzige Subjekt, das näher kennen zu lernen mir möglich ist. Niemand anderem als mir kann ich hinter die Stirn oder ins Herz schauen. Das Ziel der Lebensart FMK ist nicht Individualismus sondern eine Gemeinschaft der Freien.

Deshalb, wo wir in unseren Texten von Ich oder Selbst schreiben, immer steht als gedankliche Fußnote dabei: „Meine volle Menschlichkeit realisiert sich erst in der menschlichen Gemeinschaft, im Wir — ohne Herrschaft“. Im Wir finden neben den Dingen auch menschliche Probleme Berücksichtigung, weil beides nicht voneinander zu trennen ist. Außerdem sei nicht vergessen, dass persönliches Erleben nicht auf einen Einzelnen zurückgehen kann, sondern stets von Vielen abhängig ist, denen man in dieser Zeit begegnet und die, während tätig Andere sind, allein durch ihre Anwesenheit etwas Besonderes bewirken.

Wir lieben unsere Kinder. Und natürlich wollen wir sie – und alle Kinder – sicher in der Welt wissen. Kinder stehen auf der Spitze der Generationenpyramide, auf den Schultern ihrer Eltern. Dabei weist mich mein Bewusstsein meiner eigenen Selbstverantwortung, nämlich dass Menschen gezeugt und geboren werden als für sich selbst Verantwortliche, auf dessen zweite Seite: Nicht allein sagt das Kind den Eltern „Nur ich bin für mich verantwortlich!“ sondern in der Konsequenz sagen die Eltern dem Kind auch „wirklich verantwortlich kann ich nur für mich sein, nicht für Dich“. Ich, dieser Jans, Vater, kann nicht reingucken in dich, mein Kind, dessen Kopf, dessen Herz, was ihm das Beste sei. So wie die Vergangenheit, die uns prägte, unabänderlich vorbei ist, so geht jeder einzelne Mensch unabänderlich in eigener Verantwortung seinen Weg durch die Vielfalt dieser Welt.

Das kann für liebende Eltern sehr schwer sein – sie müssen eine Wahl treffen, sich entscheiden. Und wie auch immer sie sich entscheiden, ihr lebendiger Organismus hält sich stets in einem Optimum zwischen seinen äußeren und seinen inneren Bedingungen (Opportunitätsprinzip), so wie er diese wahrnimmt und bewertet: „Jeder tut zu jederzeit sein Bestes für sich – unter Berücksichtigung der Informationen, die er hat, und der Regeln, die er zu deren Auswertung kennt. Und er verdient nicht, deswegen von irgendwem zurückgestoßen oder beschuldigt zu werden. Von niemand, auch nicht von sich selbst!“ Das bedeutet zugleich, dass mich nicht nur mein Kind sondern oft genug jedes Kind mit seinen ja noch ganz anderen Informationen und Regeln ununterbrochen erinnern kann daran, wie ich als Kind diese Welt entdeckte.  – Und damit bloßlegt, sehr schmerzhaft möglicherweise, wie ich mit dieser Entdeckung umgegangen bin.

So stehe ich zu meinen Entscheidungen für mein Kind, denn ich will es sicher in der Welt wissen. Ich habe durch mehr Lebenszeit einen Informationsvorsprung gegenüber meinem Kind. Den lebe ich vor, ob ich will oder nicht, zumindest als Rahmen. Damit sind auch manche Regeln vorgegeben. Selbst im Tierreich werden Jungtiere in gewissem Umfang von den Eltern reguliert; teilweise ist das überlebenswichtig – für die Kinder offensichtlich sowie, verborgen, für die Eltern, die in ihren Kindern ja weiterleben. Meine Kinder dürfen einen Anspruch haben auf meine Autorität, auf starke Schultern. Meine schnelle Prüfung auf autoritär oder Autorität ist, mag ich, wenn so mit mir gesprochen wird, oder, ich als „Erwachsener“ so behandelt werde.

Die alte Lösung war, Kinder müssen erzogen werden, angepasst werden an die Weltsicht des Erziehers. Doch diese Anpassungsleistung ist bereits eingebaut in jedem Hirn, besonders dem Kinderhirn zum Überleben bei seinen Zentralsozialpartnern. Die Spiegelneuronen des Kindes und des Vaters plaudern dauernd miteinander. Also gebe ich, dieser Jans, Vater, sowieso ständig alles preis von mir. Wir wissen voneinander. Solange ich mich nicht selbst liebe, kann ich niemand anders lieben, höchstens nett sein. Nettigkeit ist die kleine Schwester der Lüge! Wie herauskommen aus dieser Falle Erziehungslüge?

37 Jahre FMK deuten darauf hin, dass wir mit diesem Dreiklang aus Ideen der Antipädagogik, der Kinderrechtsbewegung und der daraus resultierenden Psychodynamik in Selbstbegegnung konstruktive Wege gefunden haben, das zu vermitteln. Es lässt aber auch ahnen, dass FMK weniger eine starke Institution zur Missionierung sein will als vielmehr nur ein ‚Förderkreis‘, eine Hilfe zur Selbsthilfe. Das macht verständlich, dass die meisten der vielen zigtausende Menschen, die an Veranstaltungen des FREUNDSCHAFT MIT KINDERN – Förderkreis e.V. teilnahmen, dabei gelegentlich auch dessen Mitglied wurden, nach einiger Zeit sich stark genug fühlen weiterzuziehen. Doch „Erziehung lauert überall!“, dieser Hinweis von Bertrand Stern ist weiter gültig und lässt uns mit dem kleinen Schiffchen FMK gelassen durch die Wellen segeln – wer weiß, zu welchen Ufern.

Zum Zweiten eine historische Rückblende

Der FREUNDSCHAFT MIT KINDERN – Förderkreis e.V. wurde 1978 gegründet. Die Gründungsmitglieder waren Mitglieder des Kinderschutzbundes Münster. Dort gab es damals eine Arbeitsgruppe „Freundschaft mit Kindern“, der Name eine Kapitelüberschrift in „Antipädagogik“. Die Vorstellungen und Konzepte der Arbeitsgruppe gingen weit über die traditionellen Auffassungen von Kinderschutzarbeit hinaus, so dass wir die Gründung unserer eigenen bundesweit arbeitenden Organisation als notwendig ansahen.

Ich wurde 1976 Gründungsvorsitzender des „Deutscher Kinderschutzbund, Ortsverband Münster e.V.“ und wurde dann 1978 Gründungsvorsitzender des Förderkreises, wechselte mich mit Hubertus im Vorsitz ab und war 1981 bis 1986 wieder 1. Vorsitzender des Förderkreises; Hubertus ist seitdem Schriftführer und Öffentlichkeitsreferent des Förderkreises. Sie können sich bei allen weiteren Fragen gern an mich wenden.

Der von KLEMM, S.9 im Heft, „Antipädagogik – Erziehung als Mythos“, erst für 1995 vermutete „Bruch zwischen den Anhängern von v. Braunmühl und von v. Schoenebeck“ geschah schon 1981. Gemäß der Protokolle der Ordentlichen Mitgliederversammlung des Förderkreises am 22. März 1981 in Essen und der Außerordentlichen Mitgliederversammlung (aoMV) am 12.6.81 in Krefeld wurde der Vertreter der Antipädagogen-Fraktion aus dem Vorstand abgewählt. Der Förderkreis grenzte sich ausdrücklich ab von Nur-Kinderrechtlern, Nur-Antipädagogen, Nur-Selbstbegegnern. „Kinderbefreiungskampf ist nicht vereinbar mit der Lebensart FREUNDSCHAFT MIT KINDERN, wie sie satzungsgemäß dargestellt ist im gleichnamigen Grundsatzpapier“*) .

*)   Siehe in 1. FREUNDSCHAFT MIT KINDERN - Grundsatzpapier (1979)
 sowie in 9. Unterscheidungen, S. 47 ff
(Stand: 11_2015)

Weiter aus dem Protokoll der aoMV u.a. „Das Angebot des Förderkreises in seinem Vereinszweck (§2 Satzung) ist nicht vereinbar mit dem Ausschließlichkeitsanspruch der […] genannten Bewegungen und dem ihrer Exponenten. […] Das Kindermanifest, von Erwachsenen verfasst, setzt nicht Kindern die Ziele für ihren Befreiungskampf. Im Kindermanifest geben Erwachsene anderen Erwachsenen einige Markierungen für den Weg aus adultistischer Unterdrückung gegen Kinder, zum Beispiel, damit wir die Erfahrung als adultistisch Unterdrückte und die Erfahrung als adultistisch Unterdrückende in unseren Herzen überwinden können.“ […] „Aus dem FREUNDSCHAFT MIT KINDERN – Förderkreis e.V. wird ausgeschlossen, wer FREUNDSCHAFT MIT KINDERN als zugehörig, verbunden, verwandt o.ä. ausgibt mit Pädophilie, Kinderbefreiungskampf, Nur-Kinderrechtsbewegung, Nur-Antipädagogik, Nur-Selbstbegegnung, wie dies in den Infopapieren […] entsprechend abgrenzend dargestellt ist. […] Der Antrag […] auf Unterstützung des Kinderbefreiungskampfes wird einstimmig abgelehnt. Wo sich ein Erwachsener, gebeten oder ungebeten, in die Sache junger Menschen einmischt/einlässt, da bringt er bewusst oder unbewusst seine Muster für Denk- und Handlungsweisen mit, die von Kind an durchtränkt sind mit Erfahrungen aus adultistischer Unterdrückung. Selbst wenn ein Erwachsener diese Erfahrung in seinem Herzen überwunden hat, so bleibt er wegen der Rollenerwartung der jungen Menschen und der der Miterwachsenen in der Klasse der Erwachsenen und damit Klassenfeind junger Menschen. Diese Logik kann jedoch keinen Menschen hindern, wie stets sein Bestes zu tun.“

Danach beschränkte sich der Kontakt zwischen Förderkreis und EvB auf öffentliche Schmähungen durch ihn und seine Anhänger; da war nur noch Geschrei – der lauteste Ausdruck von Sprachlosigkeit. EvBs Nachhutgefechte dauerten wohl bis Mitte der 90er – er konnte schwer loslassen. Als besonders lästig habe ich Mike Weimann in Erinnerung; bezeichnenderweise gibt KLEMM <www.miwe.org> als Quelle für seine Vermutungen. Dort auch entstand dieses Stereotyp »v. Schoenebecks Verein eine ‚Privatsekte‘ und ihn gleichsam als ‚Guru’«. Dieser Stempel*)  geistert seitdem hartnäckig um die antipädagogische Rezeption von FMK. Zu jener Zeit war EvB ein Kämpfer. Er lief zu hoher Form auf, wenn er um sich schlagen konnte, vernichten wollte. Dann sammelten sich um ihn Begeisterte.

*)   Tatsächlich handelt es sich hierbei wohl um ein weiteres Mißverständnis der Antipädagogik-Fraktion. Bei Privatsekte, Guru geht es gegen die psychodynamischen Aspekte von FMK.  Die wurden mit HvS in Verbindung gebracht, da er als Öffentlichkeitsreferent des FMK-Förderkreises die Außendarstellung besorgt. HvS selbst war und blieb m.E. bis heute wohl eher der Kinderrechtler.

Auch wir in Münster waren zu Anfang begeistert – doch, das musste ihn verstören, nicht haben wir „seine Auffassungen übernommen, wenn auch nach Ansicht von Braunmühls in sehr missverständlicher bis verdrehter Weise“, sondern haben sie vom Kopf auf die Füße gestellt, aus der hohen Sicht eines Publizisten mit pädagogisch-wissenschaftlichem Anspruch in ein Auge-in-Auge von Menschen zu Menschen, insbesondere zu jungen Menschen, banal aber voller Wunder.

Bei einer Veranstaltung 1977 des Montagsclub in Bonn, 120 Teilnehmer, stellten wir drei unsere Ideen vor. Die Teilnehmer waren begeistert, wollten weitermachen. 50 sammelten sich um EvB; sie trafen sich dreimal. 20 sammelten sich um HvS; sie trafen sich sieben Mal. Fünf oder sechs kamen zu mir; die wurden die Keimzelle einer großen Bonner FMK-Gemeinschaft, ja, zwei von ihnen nahmen noch teil am FMK-Sommercamp 2015.

Nun, den Förderkreis gibt es bis heute, seine 10-tägigen Familien-Sommercamps sind gut besucht. Sein Archiv umfasst zahlreiche Diplom-, Magister-, Bachelor-, Master- und Doktor-Arbeiten von den Anfängen bis heute. Hubertus, der den Zauber von Beziehung statt Erziehung fühlbar machen kann, reist nach wie vor durch Deutschland und einige Nachbarländer, eingeladen von Universitäten, Volkshochschulen und privaten Gruppen. Denn FREUNDSCHAFT MIT KINDERN ist immer noch eine neue Form der Beziehung zwischen Erwachsenen und Kindern. Aus dem Info-Papier 4/81: „Dabei geht es um drei verschiedene Arten von Kindern: Zum einen um das Kind in einem selbst (die Kindheitsdimensionen, die ein Leben lang in einem vorhanden sind, z.B. das tiefe Wissen um Einmaligkeit, Souveränität, Selbstbestimmung, Schönheit usw.). Zum anderen um das Kind in den anderen Erwachsenen. Zum Dritten um die jetzt real lebenden Kinder. Nur über den Weg der Friedensstiftung in einem selbst – dem Frieden und der Freundschaft mit dem Kind in einem selbst – gelingt die FREUNDSCHAFT-MIT-KINDERN-Beziehung zu den anderen. Es gibt viele Möglichkeiten, diesen inneren Frieden zu finden. Der FREUNDSCHAFT MIT KINDERN – Förderkreis e.V. hat den sanften Weg einer eigenen gruppendynamischen Form des Lernens erkundet.“

Zum Dritten: Was ist heute?

Zur inhaltlichen und zur historischen Rückblende gehört sicher auch, dass der amicative Blick auf die Welt für manche Menschen so irritierend sein kann, dass diese sich zurückziehen, sich per Spott und Hohn abgrenzen mögen oder gar mit Wut reagieren. Einer klassischen These zufolge wird, was verdrängt wurde, einem unheimlich. Die Auseinandersetzung mit Adultismus, erst recht dem eigenen, ist Kärrnerarbeit. Dieser Adultismus-Karren steckt bis über die Achsen im Dreck! Das muss man sich ja nicht antun, wo ein intellektuelles Darüber-Hinweg-Reden sogar Spaß machen könnte – wie im unerzogen-Heft.

„Jeder tut zu jederzeit sein Bestes für sich  — …“

Das möge nicht als Herabsetzung intellektueller Herangehensweise verstanden werden. Vielleicht können wir heute nicht mehr so denken und fühlen wie damals? Eben las ich in der taz den Artikel „Kleines Universum der Anarchie“ anlässlich der Neuauflage der CD-Box Ton Steine Scherben „Das Gesamtwerk“. Michael Sontheimer lässt die Texte und die Zeit Revue passieren. Er schreibt »Wir – Spontis und Anarchisten – liefen hinter einem Lautsprecherwagen her, aus dem ein Song von „Ton Steine Scherben“ hämmerte. „Reißen wir die Mauern ein, die uns trennen. Kommt zusammen, Leute, lernt euch kennen. Du bist nicht besser als der neben dir. Keiner hat das Recht, Menschen zu regier’n.“ Der Refrain: „In jeder Stadt und in jedem Land, heißt die Parole von unserem Kampf, heißt die Parole von unserem Kampf, Keine Macht, für niemand!“ Es war die Hymne der Anarchisten und Spontis.« Und es umschreibt auch FMK-Ideen. Nur, ich erinnere mich nicht an diese „Ton Steine Scherben“-Songs. Ich war sicher weder Anarchist noch Sponti, ich war Beamter*) in einer Behörde, zuständig für technisches Ordnungsrecht.

*) Das wurde ich nicht wegen einer künftigen Pension, sondern wegen BBG §§ 63 und 60 "... Beamte tragen für die Rechtmäßigkeit ihrer dienstlichen Handlungen die volle persönliche Verantwortung ..." und "... Sie haben ihre Aufgaben unparteiisch und gerecht zu erfüllen und bei ihrer Amtsführung auf das Wohl der Allgemeinheit Bedacht zu nehmen ...". Das gefiel mir, nach meinen Jahren in der Bauindustrie.

Aber daran erinnere ich mich: Pink Floyd’s rock opera von 1979, The Wall, Nummer-eins-Hit, darunter in Deutschland Februar 1980, gab ein Gastspiel in Düsseldorf und wir verkauften vor der Halle Auto-Aufkleber mit „We don’t need no education – FREUNDSCHAFT MIT KINDERN“ und „Erziehung nein danke – FREUNDSCHAFT MIT KINDERN“. Das scheint mir heute kein Widerspruch.

„Warum wir und nicht sie?“ ist die Kernfrage, der Sarah Blaffer Hrdy, die renommierte Soziobiologin und Anthropologin, in ihrem Buch „Mütter und andere“ nachgeht.  „Wenn sich Empathie und wechselseitiges Verstehen nur unter bestimmten Aufzuchtbedingungen entwickeln und wenn ein immer größerer Prozentsatz der Individuen unserer Art diese Bedingungen nicht antrifft, sich aber trotzdem fortpflanzt“, gehen unsere sozialen Fähigkeiten wieder verloren. Denn die Evolution geht weiter, und soziale Fähigkeiten, die erlernt und nicht vererbt werden, bleiben auf der Strecke, wenn immer mehr Kinder ohne verlässliche Zuwendung aufwachsen. Blaffer Hrdy bezieht das nicht nur auf die Kleinfamilie, sondern generell auf liebevolle Betreuungs- und Bezugspersonen etwa in Kitas. Wenn also die „Kümmerer“ aussterben, dürften unsere Nachfahren in einigen tausend Jahren „genauso konkurrenzorientiert und machiavellistisch sein, wie es Schimpansen heute sind. … Doch es ist ungewiss, ob sie noch immer jene Attribute besitzen werden, die wir heute als typisch für unsere Spezies erachten – nämlich Empathie und das Bestreben, die Emotionen anderer zu verstehen.“ Damit es nicht so weit kommt, müssen wir heute gegensteuern.

 Gabriele Lorenz am 9. Juni 2010 in KN, Nr. 131 zu Sarah Blaffer Hrdy, Mütter und andere - Wie die Evolution uns zu sozialen Wesen gemacht hat, Berlin Verlag 2010 

„Jeder Widerstandsgeist, der kein Risiko in sich birgt und keine Wirkung hat, ist nichts als geltungssüchtig“ *). Hatte mein Aufwand um Adultismus vor 35 Jahren Risiko oder Wirkung? Vielleicht sollte ich ’nach außen / nach innen‘ unterscheiden.

*)Stefan Zweig, zitiert in ZEITonline am 1.6.16, zu "Maria Schraders Film 'Vor der Morgenröte' " von Andreas Busche

Risiko nach außen? – da habe ich nichts von bemerken wollen; gut, der Beamte Bonte hatte einen Ruf als Anarchist und wurde 20 Jahre nicht befördert. Wirkung nach außen? – wenn ein Waschkorb voller Hörerbriefe oder übervolle Wochenend-Workshops über Jahre ein Anzeichen wären, dann gab es Wirkungen. Wenn ich an einige Menschen denke, die ich länger begleiten durfte und die dabei deutlich ihre  Kindheitsdimensionen, die ein Leben lang in einem vorhanden sind, z.B. das tiefe Wissen um Einmaligkeit, Souveränität, Selbstbestimmung, Schönheit wiederfanden, ja, da hat mein Aufwand um Adultismus Wirkung gezeigt, die mich freut für mein Leben.Und was ist mit den vielen, von denen ich nie wieder was gehört habe? Hatte ich sie nicht erreicht? Hatten sie sich, erschrocken von den Aussichten, nur tiefer in ihren Charakterpanzer zurückgezogen?

Risiko nach innen? –  Die Familienkommunikation aufzunehmen und abends beim Anhören der Kassette jedes Mal neu entsetzt zu sein, das hätte auch sehr selbstbestrafend wirken können – für mich war es eher Herausforderung. Die adultistischen Fesseln aus internalisierter Unterdrückung immer mehr abzuwerfen, bewirkte für mich, immer weniger zugänglich zu sein für die Standards gesellschaftlicher Konventionen – mit einigen Konsequenzen, die ich hier gerne für mich behalten werde.

Wirkung nach innen? – Diese vorerwähnten Risiken nach innen waren und sind ja verbunden mit vielen Wirkungen; zwei habe ich eben genannt. Mein Aufwand um Adultismus hat jedenfalls mir meine Welt bunter und lebenswerter gemacht. Vielleicht läßt sich das auch daran erkennen, dass ich bis heute nicht aufgehört habe, für mich dieses FREUNDSCHAFT MIT KINDERN weiter zu entfalten.

Die Grundlagen von Amication,  unsere Ideen*) finden Sie hier:

*) http://www.amication.de/grundlagen_amicativer_lebensfuehrung.html
Stand: 11_15

Heute will ich das für mich so formulieren:

Meine Grundlagen amicativer Lebensweise*)

*) https://www.selbsterkenntnis-eigensinn.de/blog/meine-grundlagen-amicativer-lebensweise/

 

Meinung – Wissen – Macht

‚Meinung‘, interessantes Wort – es gibt keine Deinung, trotz 2000 Jahren Erziehung zur Nächstenliebe. Es gibt schon gar nicht Unserung, trotz des Drangs vieler Menschen zum Wir-Gefühl in Organisationen. Jeder von einer Person formulierte Satz ist nichts als Meinung, glaube ich. Der Gutmeinende und der aufmerksame Zeitungsleser entgegnen jetzt: ‚Stop, es gibt doch Experten und Wissenschaftler – kein Großvorhaben ohne Experten-Gutachten – kein Experte ohne eine Traube von Wissenschaftlern dahinter – Wissenschaftler geben uns Wissen, nicht Meinungen. – Und! Es gibt die Vierte Gewalt, die Presse, die aufpasst!‘.

Das ist wohl ein kategorialer Unterschied: Mein Wissen, also persönliches; oder aber kollektives oder soziales Wissen, also die akzeptierte Mehrheitsmeinung in Gruppen oder gar größeren sozialen Gebilden, wozu dann auch der „Experte“ gehört. Mehrheitsmeinung und Expertenwissen sind ausgehandelt, erscheinen so als das Ergebnis von Macht.

In meiner Website weise ich auf das Buch von Patrizia Duffy: „Jeder blaue Buchstabe duftet nach Zimt — Wie Synästhetiker die Welt erleben“; deutsch: München, 2003. Sie schreibt: „… Es mag schon sehr eigentümlich erscheinen, doch einige vor einiger Zeit angestellte linguistische Untersuchungen haben ergeben, dass der neurale Prozess, mit dem wir Sprache speichern, in höchstem Maße persönlich ist. Francis Crick, der Mitentdecker der Doppelhelixstruktur von DNA, hat auch Untersuchungen durchgeführt, die darauf hinweisen, dass die Art und Weise, in der jeder von uns Sprache codiert, so einzigartig und unverwechselbar ist wie seine oder ihre Fingerabdrücke. Jeder Einzelne von uns besitzt ein eigenes neurales Schema, das seiner oder ihrer Sprachfähigkeit zugrunde liegt. Mit Hilfe ihrer Untersuchungen von Hirnaktivität während der Verwendung von Sprache haben Dr. Crick und sein Team am Salk Institute in La Jolla, Kalifornien, herausgefunden, dass verschiedene Aspekte von Sprache in verschiedenen Regionen des Gehirns weiterverarbeitet werden. Im Unterschied zu dem, was man bislang annahm, gibt es kein allein zuständiges Sprachzentrum in der linken Gehirnhälfte, das aktiviert wird, wenn man Wörter hört, spricht oder an sie denkt, sondern vielmehr werden eine Reihe verschiedener Zentren, die über den visuellen und den auditiven Cortex verteilt sind, zugleich aktiviert, und die Informationen aus jedem dieser Zentren verbinden sich, um die persönliche Gesamtbedeutung des Wortes mit allen relevanten Implikationen zu bilden. Man muss unbedingt der Tatsache eingedenk bleiben, dass das neurale Muster linguistischen Speicherns eines jeden Einzelnen von uns einzigartig und einmalig ist und in keinem anderen menschlichen Gehirn noch einmal vorkommt. …“

Und das, was für den Spracherwerb gefunden wurde, dürfte analog für jeden Wissenserwerb und alle Erinnerungen gelten. So wie jeder Mensch für die Welt einmalig aussieht, so sieht er auch einmalig in die Welt hinein. Einen Menschen wie Sie gab es nie vorher und wird es später nie wieder geben.

In meiner Website habe ich aus dem Memorandum des Arbeitskreis «Nachhaltige Informationsgesellschaft» der Gesellschaft für Informatik (Stuttgart: Fraunhofer IRB Verlag, 2004, ISBN: 3-8167-6446-0) zitiert; dort heißt es auf S.13
„… In der Diskussion über Informationsgesellschaft oder Wissensgesellschaft verschwimmen gelegentlich die Bedeutungsgrenzen von «Daten», «Information» und «Wissen». Wir verstehen diese Begriffe wie folgt:
• Daten: Daten sind in Form von Zeichen (z. B. als Zahlen, Texte oder Bilder) codierte Erfahrungen oder Ereignisse.
• Informationen: Aus Daten werden Informationen, wenn sie von einem System (dies kann ein Individuum oder eine Organisation sein) interpretiert werden.
• Wissen: Aus Informationen wird Wissen, wenn diese in einen Erfahrungskontext eingebettet und damit anwendbar werden.
Erst die gesellschaftlich vermittelte Fähigkeit, Daten zu «lesen», macht daraus Information. Wenn das Individuum sie schließlich im eigenen Lebenszusammenhang umzusetzen vermag, dann ist aus Information Wissen geworden. Wenn man auch Organisationen (Systeme von Individuen) als Träger von Wissen und Information auffasst, gelten für sie analoge Aussagen. Der immer breitere Einsatz von ICT (Information and Communication Technologies), insbesondere das explosionsartige Wachstum des Internets, lässt sich nicht als konstituierendes Merkmal einer Informations- oder Wissensgesellschaft, sondern allenfalls einer «Datengesellschaft» deuten. Wie weit die breite Verfügbarkeit von Daten zur Vermehrung von Information oder Wissen beiträgt, bedarf im Einzelfall einer näheren Analyse. …“

Der in Brooklyn lebende Finanzjournalist Surowiecki zeigt in seinem Buch „Die Weisheit der Vielen. Warum Gruppen klüger sind als Einzelne und wie wir das kollektive Wissen für unser wirtschaftliches, soziales und politisches Handeln nutzen können“ (München, 2005) aus Erkenntnissen der Spieltheorie und aus Untersuchungen von Disziplinen wie Politikwissenschaft, Soziologie und Behavioral Finance zahlreiche Beispiele. Viele von uns nehmen grundsätzlich an, dass Experten und wenige Hochbegabte nicht nur über mehr Spezialwissen verfügen, sondern auch zuverlässig bessere Entscheidungen treffen als Gruppen von Durchschnittsbegabten. Tatsächlich sind aber Teams von wahllos zusammengewürfelten Menschen dank ihrer „kollektiven Intelligenz“ in der Lage, erstaunlich komplexe Probleme zu lösen — und meist sogar besser als selbst die gescheitesten Einzelpersonen in ihrer Mitte. Anhänger des Genie-Kults werden „Die Weisheit der Vielen“ nicht mögen. Fans möglichst weitgehender Demokratieauslegungen bekommen dadurch neue Argumentationshilfen. Bei aller Begeisterung für die „Gruppenintelligenz“ übersieht Surowiecki nicht, dass sie in vielerlei Fällen katastrophal versagt. Damit Kollektive auf kluge Weise entscheiden, müssen einige Grundbedingungen erfüllt sein. Unabdingbar ist als Erste diese, dass Hierarchien keine einschneidende Rolle bei der Entscheidungsfindung spielen dürfen und so Personen in niederen Rangstufen verleiten könnten, das eigene Urteil zu unterdrücken.

Diese Weisheit der Vielen, er nannte das Vox populi (lat. „Stimme des Volkes“), untersuchte schon der vielseitige Gelehrte Francis Galton. 1906 besuchte Galton die jährliche westenglische Nutztiermesse, bei der ein Ochsen-Gewicht-Schätz-Wettbewerb veranstaltet wurde. Für sechs Pence konnte jeder seine Schätzung abgeben. Insgesamt 787 Personen, sowohl Unbedarfte als auch einige Experten, nahmen teil und gaben einen Tipp ab. Galton entschloss sich zu einem Experiment, um die Dummheit der Masse zu beweisen: Er wertete die fast 800 Schätzungen statistisch aus. Der Mittelwert aller Schätzungen (1207 Pfund) kam dem tatsächlichen Gewicht des Ochsen (1198 Pfund) erstaunlich nahe (Abweichung von 0,8 Prozent). Galtons Versuch, die Dummheit der Masse auf diese Art zu beweisen, war somit gescheitert. Die Entscheidungsfindung darf also nicht von einem Willen beeinflusst sein.

Galton erfand ein Gerät, die „Glockenkurve“ der normalverteilten Wahrscheinlichkeit darzustellen.

Normalverteilung

Dann noch erstaunlicher finde ich die Versuche, die Ergebnisse am Galtonbrett zu beeinflussen: einfach davor sitzen und entschieden, aber ohne Konzentration und Willensanstrengung, denken bei jeder fallenden Kugel „nach links – nach links – nach links“ (oder aber rechts). Das funktioniert selbst am Bildschirm – ich habe es ausprobiert

Galton linksschief

 

– und den bereits in den frühen Psychokinese-Versuchen von J. B. Rhine und seiner Schule, als fallende Würfel beeinflußt werden sollten, entdeckten »Absinkungseffekt« hatte ich dabei auch, wo dann eben nichts mehr nach links-links-links geht oder auch der Versuch, eine ‚unbeeinflusste‘ Verteilung zu erzeugen, nicht gelingt. Ich brauchte ziemlich lange, bis ich den PC wieder unbeeinflußt klickern lassen konnte – wie lange dauert es wohl, bis ich meine Meinung wieder ändern kann, bzw. bis ich überhaupt merke, dass sie beeinflusst ist?

Galtonbrett-beeinflt Glockenkurve

Mit dem Medium des Web 2.0 und der Online-Enzyklopädie Wikipedia wurde die kollektive diskursive Konstruktion von Wissen entscheidend verändert. Dabei wurden institutionelle Grenzen sowie räumliche und zeitliche Einschränkungen für den Zugang zu Wissen, den Austausch und die Aufbereitung von Wissen sowie für Aushandlungsprozesse deutlich reduziert. Die Wikipedia wird in der heutigen Zeit vielfach als verlässliche Quelle genutzt, weshalb die Fragen in den Mittelpunkt rücken, wer vorhandenes Wissen in dieser Online-Enzyklopädie aufbereitet bzw. aufbereiten darf und auf welche Weise dieses als derzeitiger Stand des Wissens präsentiert wird. „Wer definiert Wissen“ fragt Marius Beyersdorff. Er beschäftigt sich am Beispiel der Homöopathie mit einem der größten Probleme in der Wikipedia: Der Entwicklung von Artikeln in umstrittenen Themen. Dabei ließ sich erkennen, dass Richtlinien Machtelemente konstituieren und so die Wissensproduktion beeinflussen. Aber insbesondere im betrachteten Thema konnte Beyersdorff keine klaren Entscheidungsprozesse ausmachen. Der Vorschlag des Autors geht dann in die Richtung, die Macht gewachsener Strukturen einzudämmen und die Möglichkeit der Diskursentwicklung immer in so viele Hände geben wie möglich. Ich interpretiere das als die Forderung, nicht mehr als Argument zuzulassen „Das ist alles schon ausdiskutiert, lies die Archive“. (Marius Beyersdorff : Wer definiert Wissen? – Wissensaushandlungsprozesse bei kontrovers diskutierten Themen in „Wikipedia – Die freie Enzyklopädie“ – Eine Diskursanalyse am Beispiel der Homöopathie [Reihe: Semiotik der Kultur / Semiotics of Culture; Bd. 12, 2011, 312 S., 29.90 EUR, br., ISBN 978-3-643-11360-3])

Doch, ob Bücherschrank zuhause oder Web 2.0, vor dem Aufblühen der wissenschaftlichen Revolution plädierte schon im Mittelalter Nikolaus von Kues, der große frühe Fürsprecher einer mathematisch orientierten Naturwissenschaft, für die von ihm so bezeichnete „gelehrte Unwissenheit“, also nicht Allwissenheit, sondern ein immer mehr verfeinertes, einsichtsvolles Nichtwissen.

Der Volksmund sagt „Wissen ist Macht – nichts wissen macht nix“. Vor der unendlichen Menge des Nichtwissens II.Ordnung, wo ich nicht weiß, dass ich nichts weiß, mag der Volksmund recht haben. Vor der endlichen Menge an veröffentlichter Meinung wäre solche Haltung Selbstverdummung. Paul Sethe, Nestor des Journalismus der Nachkriegsära und u.a. einer der Gründungsherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, schrieb in einem Leserbrief im Spiegel vom 5. Mai 1965: „Pressefreiheit ist die Freiheit von 200 reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten.“ Was er damals über Pressefreiheit sagte, dürfte heute, wo sich die Hochschulen von Drittmitteln am Leben halten, zusätzlich für Wissenschaftsfreiheit gelten.

Mehrheitsmeinung und Expertenwissen sind ausgehandelt, sind das Ergebnis von Macht! Wer übt da gerade Macht aus? Wem könnte diese veröffentlichte Meinung nützen? Wer verdient daran? Wo fließt das Geld hin?

Anders gewendet (aus: taz vom 24.5.13; “Weiß. Macht. Schwarz” VON ENRICO IPPOLITO / JASMIN KALARICKAL)
“Bei seiner Theaterperformance hat André Vollrath die Bühne verlassen. Er läuft durch das Publikum, entlang einer Reihe von Bierbänken, die im Raum aufgestellt sind. Darauf liegen Bücher. AutorInnen: Grada Kilomba und anderen schwarze AutorInnen. Ein Band wird abgespielt, Zitate aus diesen Büchern, und immer wieder der Satz, der an ein Mantra erinnert: “Wessen Wissen wissen wir, wessen Wissen gilt als Wissen.” ..”

Nachtrag: Sehr ausführlich untersucht das die Politikwissenschaftlerin María do Mar Castro Varela am Beispiel der Debatte darüber, ob Rassismuskritik „wissenschaftlich“ ist, in taz v. 14. 2. 2017,Eine Geste des Grenzdenkens„. Wer die Macht hat, kann seine Wahrheiten durchsetzen.

 

Psychosomatik – 2 –

Da gerate ich ins Schwärmen über die tiefgründigen Wirkungen von solcher Art Umgang mit kranken Menschen und Krankheit und erwähne nur in Nebensätzen die Menschen, die sich für solch heilsamen Umgang zur Verfügung stellen könnten, die Aushörenden, die unverdächtigen, anteilnehmenden Zeugen.

Die strebsamen jungen Leute, die Medizin an den Unis studieren – dank Numerus clausus wohl überproportional vertreten sind das die „Abitur-Besten“ (Kopffüssler?) und solche, die sich lange Wartezeiten leisten können (reicher Leute Kinder?), also vermutlich weniger solche, die für das Heilen brennen – werden dank Bologna als Medizinal-Mechaniker sozialisiert. Dieser ununterbrochene Multiple-choice-Stress verlangt danach, sich Informationen in den Kopf zu kloppen, die nach dem Test vergessen werden ohne zu eigenem Wissen zu werden, und verhindert, sich in die ärztliche Kunst zu vertiefen. Die Physik-Prüfung im Grundstudium umfasst nur klassische Physik; an der WWU in Münster werden nicht mal Gedankengänge von Quantenphysik den künftigen Medizinern nahegelegt. Sie sollen fest stehen im Glauben an klare Objekte und an die Machbarkeit jeglicher Manipulation. Nach diesem harten Studium folgen Ausbildungsjahre in der Klinik, wo immer noch stramm sozialisiert wird in der Hierarchie des alten preußischen Generalarztsystems. Wie kann ein Mensch während solch langer Zeit sich den Heiler-Impuls bewahren? Wie kann ein Mensch trotzdem ein Aushörender, ein unverdächtiger Zeuge werden bzw. bleiben?

Und wie ist das mit all den anderen, z.B. den Heilpraktikern, Coaches, Psychotherapeuten, psychologischen Astrologen, zu denen Menschen kommen, die das Ausgehört-werden, den unverdächtigen Zeugen suchen? Das sind, nach meinen Eindrücken, oft Menschen, die etwas erlebt haben, denen in ihrem Leben etwas begegnet war, dass sie erst in einem zweiten Schritt zu diesem Heil-Beruf geführt hat. Sie bringen für diesen Beruf möglicherweise ein Stück Selbsterfahrung mit, die im günstigen Fall durch die zweite Berufsausbildung weiter gefördert wird.

Zum Aushörenden, zum unverdächtigen, anteilnehmenden Zeugen zu werden setzt voraus, selber vertraut zu sein mit den eigenen Schrecknissen, Verwirrungen in der eigenen Seele. Sie müssen lernen, der wortlosen Stimme des eigenen Körpers zu lauschen, damit sie die bei ihrem Klienten hören können, und lernen, »Überlebensemotionen« wie Wut und Entsetzen zu spüren, ohne von diesen machtvollen Zuständen überwältigt zu werden. Es reicht nicht, »eine Atmosphäre von relativer Sicherheit schaffen, eine Atmosphäre, die Zuflucht, Hoffnung und neue Möglichkeiten vermittelt«. Reine Anteilnahme und eine warmherzige therapeutische Beziehung reichen nicht aus, denn traumatisierte Menschen sind oft nicht imstande, Mitgefühl zu spüren oder anzunehmen. Sie sind zu niedergedrückt, zu sehr in einer Art von Abwehr befangen, die eher unseren amphibischen oder reptilischen evolutionären Vorfahren angemessen wäre. (Peter A. Levine: „SPRACHE OHNE WORTE Wie unser Körper Trauma verarbeitet und uns in die innere Balance zurückführt“ Aus dem Amerikanischen von Karin Petersen; 3. Auflage 2012; Kösel)

Wie komme ich dazu – ein pensionierter Bauingenieur – über Psychsomatik zu schreiben? Ich habe diesen heilsamen Funken von Herz zu Herz selber oft genug erlebt, der eine ‚Kranke‘ von einem Moment zum anderen gesund sein ließ. In der Gemeinschaft des Re-evaluation Counseling (RC, die amerikanische website) habe ich über Jahre (1976 – 1985) die Kunst des Zuhörens und des mir zuhören lassen geübt und deren erstaunliche Folgen erfahren und studiert. 1983 – 1987 war ich Schüler des amerikanischen Psychologen und Körpertherapeuten Michael Smith, der 1979 nach Westeuropa kam. In zehn rastlosen Jahren verhalf er vielen Menschen dazu, wieder mit ihrem lebendigen Kern in Berührung zu kommen und bildete einige von ihnen in dieser Arbeit aus. Michael Smith erwarb sich einen legendären Ruf als brillianter und in seiner liebevollen Radikalität unberechenbarer Bodyworker, der nach seinem Tod 1989 in den Herzen so vieler Menschen in unauslöschlicher Erinnerung blieb. Was wir da gelernt haben, beschreibt Loil Neidhöfer so: „Körperarbeit ist Kunst nicht Wissenschaft. Die Poesie der Sehnsucht ist ihre Sprache, nicht die Prosa des klinischen Berichts. Sie findet statt in der Beziehung, nicht in der Behandlung, in der menschlichen Beziehung, nicht in der therapeutischen.“

Und davon wünsche ich mir mehr für alle Menschen!

Psychosomatik-1

Die somato-psycho-soziale Bindung der Menschen

Ich war wohl in der 8. Klasse des Ratsgymnasiums, als das Standard-Deutschaufsatz-Thema nach den Sommerferien lautete „Meine schönste Urlaubslektüre“. Ich schrieb über Viktor von Weizsäcker „Der kranke Mensch“. Das Buch hatte ich 1951 unter den Neuerscheinungen in der Stadtbücherei gefunden. Ich war fasziniert von dieser völlig anderen Weltsicht, eine Besinnung aufs Menschliche, auf die Erforschung des Menschen, auf das Studium der Krankheiten als einer Weise des Menschseins, auf eine unvergeßliche dialektische Formel gebracht: „Nichts Organisches hat keinen Sinn, nichts Psychisches hat keinen Leib.“ Vom Deutschlehrer kam als Kommentar „darfst du denn sowas lesen“. Für mich hat der Eindruck, den dieses Buch auf mich machte, in meinem Leben bis heute gewirkt.

Weizsäcker will biografische Medizin treiben. Die Anamnese aus der Schulmedizin gilt natürlich auch in der anthropologischen Medizin. Aber hier wird sie zum Gespräch; in der Schulmedizin ist es eine Erhebung. Das heißt praktisch zunächst: den Kranken nicht schematisch ausfragen, sondern aushören: ihm ein Ohr bieten, das schweigend aufzunehmen versteht – und wir werden sehen, wie rasch und leicht er uns die wichtigsten Verhältnisse seines Lebens, seiner Nöte, seines Werdeganges erzählt. Wir werden alsbald die Krankheit als ein wichtiges Teilstück seinem äußeren und inneren Leben eingefügt sehen, eigentlich als Übergang, Gelenk oder Nahtstelle zweier Lebensabschnitte, als Krise oder als Schlusssumme seiner bewussten Erlebnisse, seiner unbewussten Lebensweise verstehen.“ Dieser Werdegang führt irgendwann zum letzten Übergang, dem Sterben. Welch ein Geschenk – für beide, den Erzählenden und den Zuhörenden -, wenn ihn die Schlusssumme seiner bewussten Erlebnisse dem Sterben heiter entgegensehen läßt.

Aktualisiert wurde mein tiefer Eindruck Mitte der 7oer Jahre durch Ausbildungsschritte in Gestalttherapie, zu der mich Hans Jörg Süß in Würzburg gedrängt hatte. Er gründete später (1976) das Institut für Integrative Gestalttherapie Würzburg (IGW) mit Katharina Martin, dass damit zu den Pionier-Instituten für Gestalttherapie im deutschsprachigen Raum gehört. Es handelt sich um ein Therapiesystem, das den Menschen als Leib-Seele-Geist-Subjekt zu erfassen sucht und das in seiner methodischen Orientierung phänomenologisch, also gegenwarts- und personenbezogen orientiert ist.

Darin ein Kernsatz ist die „paradoxe Theorie der Veränderung“: Veränderung geschieht, wenn jemand wird, was er ist, nicht wenn er versucht, etwas zu werden, das er nicht ist. „Wir sind alle mit der Idee der Veränderung beschäftigt, und die meisten gehen da heran, indem sie Programme machen. Sie wollen sich ändern. ›Ich sollte so sein‹ und so weiter und so weiter. Was aber tatsächlich geschieht, ist, daß die Idee einer vorsätzlichen Änderung niemals, nie und nimmer, funktioniert. Sobald man sagt: ›Ich möchte mich ändern‹ – ein Programm aufstellt – wird eine Gegenkraft in einem erzeugt, die von der Veränderung abhält. Änderungen finden von selbst statt. Wenn man tiefer in sich hineingeht, in das, was man ist, wenn man annimmt, was da vorhanden ist, dann ereignet sich der Wandel von selbst. Das ist das Paradoxe des Wandels. … Solange man ein Symptom bekämpft, wird es schlimmer. Wenn man Verantwortung übernimmt für das, was man sich selbst antut, dafür, wie man seine Symptome hervorbringt, wie man seine Krankheit hervorbringt, wie man sein ganzes Dasein hervorbringt – in dem Augenblick, in dem man mit sich selbst in Berührung kommt -, beginnt das Wachstum, beginnt die Integration, die Sammlung“ (Perls, F.S.: Gestalt-Therapie in Aktion, Stuttgart, 1974, 187).

Diese Haltung bewahrt mich, den Begleiter, davor, meinen Klienten verändern zu wollen, dabei zum hilflosen Helfer zu werden und in dieser Rolle dem sicheren „burn-out“ entgegenzuleiden. Sie unterstützt mich im Gegenteil darin, die Aufregung und die Freude bei meiner Arbeit zu behalten, sich die dafür notwendige Unsicherheit zu erlauben und auf diese Weise selbst in der Arbeit lebendig zu bleiben.

Dieser Eindruck aus dem Weizsäcker-Buchs von damals wurde wieder und noch tiefer aktualisiert ‚als mein Leben‘ Ende der 7oer Jahre, als ich in Münster zur der RC-Gemeinschaft gehörte und über Jahre fast täglich Councel-Sitzungen machte. Da erlebte ich wieder diese befreienden Arbeit des ’schlichten‘ Zuhörens, dessen heilsame Wirkungen: den councel-Partner aushören und mich von ihm aushören lassen: mir ein Ohr bieten lassen, das schweigend aufzunehmen versteht – als Gegenüber eines Menschen das erleben, was Weizsäcker in einem Radiovortrag über den „Versuch einer neuen Medizin“ erklärte: „Das Problem des Menschen (…) in dieser Art Medizin ist, dass er, der Mensch, seine Krankheit, die als Teil seiner ganzen Biografie zu verstehen ist, nicht nur hat, sondern auch macht. Dass er die Krankheit, die Ausdrucksgebärde, die Sprache seines Körpers produziert, wie er jedes andere Ausdrucksgebiet und jedes andere Sprechen formt.“ In Münster hatten wir Telefonkreise, wo wir uns zu jederzeit im Wahrnehmen unterstützen konnten, wie man seine Symptome hervorbringt, wie man seine Krankheit hervorbringt, wie man sein ganzes Dasein hervorbringt – in dem Augenblick, in dem man mit sich selbst in Berührung kommt, waren die Symptome, die Krankheit nicht mehr nötig, oft genug einfach weg. Unser natürlicher Zustand ist der in Gesundheit, in Liebe, Anerkennung und Wertschätzung für uns selbst und den Anderen.

Kürzlich haben wir die Asche eines Menschen in der Ostsee bestattet, mit dem ich zwei Jahre über mails verbunden war und der nun – einfach so im Mittagschläfchen – in die andere Welt gegangen war. Diesen mail-Austausch kopierte ich als Buch. Das schenkte ich dessen Kindern, aber zuerst tat ich das, damit ich die große Arbeit dieses Menschen, mit der er sich am eigenen Schopf aus einem Sumpf gezogen hat, griffbereit im Bücherschrank habe, falls mein Lebensschiff mal in ähnlich schwere See geraten sollte, als Vorbild und als Stütze. Durch das Buch lernte ich die gesunde „Christina“ kennen.

Der Arzt Dr. Steffen Rehm trägt viele Puzzlesteine zusammen über Multiple Sklerose als einer psychosomatischen Krankheit. Darin schreibt er zum Schluss „Im Internet findet man auch eine Stiftung zur Förderung der psychosomatischen MS-Forschung, genannt „Lebensnerv“. Auf der homepage unter „Erfahrungsberichte“ fand ich dort diesen Text von „Christina“, der meine „outsider“-Sicht mit einer „insider“-Sicht ergänzt.: Mein Heilungsweg 2000-2011″

Im Vorwort schreibt er „Mir ist klar, daß die hier niedergelegte Ansicht über Multiple Sklerose nicht dem wissenschaftlichen mainstream entspricht und wahrscheinlich nur von wenigen Lesern eingehend zur Kenntnis genommen wird. Zustimmung kann ich besonders von den Betroffenen und ihren Fachärzten nicht erwarten, weil meine Vermutung über psychosomatische Zusammenhänge von den Experten und Kranken schon seit vielen Jahrzehnten immer wieder diskutiert und vehement abgelehnt wurde. Wenn ich mir trotzdem die Mühe mache, auf die krankheitsfördernde Wirkung der Psyche zu weisen, so habe ich einen Grund: Ich sehe die pharmakologisch orientierte Medizin bei der MS auf dem Holzweg und glaube an die Möglichkeiten der Psychotherapie (im weitesten Sinn), positiv auf den Verlauf dieser Krankheit zu wirken. Meine Ansicht enthält eine Hoffnung für die Erkrankten, daß sie nicht als Opfer blinder Schicksalsmächte leben müssen, sondern selbst aktiv gestaltend in das Krankheitsgeschehen eingreifen können.“

Und dann bin ich bin auf ein Buch gestoßen, dass mir bewusst gemacht hat, wie denn wohl die verschiedenen „Wunder- oder Sofortheilungen“ zu verstehen sind, die mir im Laufe der Jahre mit Klienten begegnet sind. Von a wie Allergien über m wie Multiple Sklerose bis z wie Zöliakie kann sich das Symptom auflösen in einer Sitzung, rückstandsfrei. Und selbst wenn nur ein Bruchteil vom Geschriebenen stimmt – und ich mache ja seit Jahren ähnliches und glaube deshalb, dass es stimmt – dann haben wir hier ein großartiges Werkzeug! Ich denke mir, gerade die Heilpraktiker, Coaches, Psychotherapeuten, Ärzte, psychologischen Astrologen könnten daraus mehr machen – und alle anderen könnten für sich persönlichen Nutzen finden. Ich meine das Buch von Andreas Winter „Heilen durch Erkenntnis – Die Intelligenz des Unterbewusstseins. Sich selbst und andere heilen„; Mankau Verlag. Näheres auch in Winters website

Das alles passt auch sehr schön zu dem, was die Medizinanthropologin Beatrix Pfleiderer fand. In „ZeitGeist“, Ausgabe 2/2004 schreibt Jutta Gruber zum TARA-Process (den ich auch für mich schon ausprobiert und genossen habe): „… Schematisiert folgt der therapeutische Ansatz einer kulturunabhängigen, allgemein gültigen Theorie zum Erkrankungs- und Gesundungsprozesses:
1. Störfaktoren („energetische“ Entbehrungen) unterbrechen den Lebensprozess.
2. Der Körper produziert Symptome.
3. Die Symptome bekommen eine Geschichte.
4. Diese Krankheitsgeschichte bekommt einen Anfang (Urszene).
5. Die Betroffenen verbinden sich mit der Geschichte.
6. Innerhalb eines heilenden Feldes erkennen die Betroffenen ihre Beteiligung resp. Verantwortung.
7. Das heilende Feld löst die somato-psycho-soziale Bindung der Betroffenen an die lineare Zeit des Alltagslebens auf (= die „Geschichte“) und hilft ihnen, sich in einem neuen (tieferen) „energetischen“ Kontext ihrer Existenz zu positionieren.
8. In diesem Feld, dem Ort der Zeitlosigkeit, stellt sich die Verbindung zum Ursprung des Lebens der Betroffenen ein: zum Lebenswillen, zur Lebenslust, zur Bedingungslosigkeit des Lebens, was oft auch als Liebe empfunden wird.
9. Aus dieser Erfahrung der Urzeit entsteht die Wiedergeburt. Sie schreibt die Wunder in der Synchronizität. Der Blick in die große Dimension der eigenen Existenz hat stattgefunden.
10. Transzendiert kehrt der oder die „Betroffene“ als Mensch in sein Umfeld zurück.

Diese Stufenabfolge ist Beatrix Pfleiderers Antwort auf die Frage, wie Heilung geschieht …“ Mehr in der TARA-Website

Die Person zu sehen mit ihren Symptomen, nicht aber abzuheben auf „Krankheit“, verbindet zwei in ihrer Zeit große und erfolgreiche Ärzte, Hahnemann und Groddeck. Samuel Hahnemann veröffentlichte 1833 „Organon der Heilkunst“ wo er schreibt: „§. 9. Im gesunden Zustande des Menschen waltet die geistartige, als Dynamis den materiellen Körper (Organism) belebende Lebenskraft (Autokratie) unumschränkt und hält alle seine Theile in bewundernswürdig harmonischem Lebensgange in Gefühlen und Thätigkeiten, so dass unser inwohnende, vernünftige Geist sich dieses lebendigen, gesunden Werkzeugs frei zu dem höhern Zwecke unsers Daseyns bedienen kann.
§. 10. Der materielle Organism, ohne Lebenskraft gedacht, ist keiner Empfindung, keiner Thätigkeit, keiner Selbsterhaltung fähig; nur das immaterielle, den materiellen Organism im gesunden und kranken Zustande belebende Wesen (die Lebenskraft) verleiht ihm alle Empfindung und bewirkt seine Lebensverrichtungen.
§. 11. Wenn der Mensch erkrankt, so ist ursprünglich nur diese geistartige, in seinem Organism überall anwesende, selbstthätige (automatische) Lebenskraft durch den dem Leben feindlichen, dynamischen Einfluss eines krankmachenden Agens auf sie verstimmt; nur die zu einer solchen Innormalität verstimmte Lebenskraft kann dem Organism die widrigen Empfindungen verleihen und ihn zu den regelwidrigen Thätigkeiten bestimmen, die wir Krankheit nennen, denn sie, als an sich unsichtbare und bloss in ihren Wirkungen im Organism erkennbare Kraft giebt ihre krankhafte Verstimmung einzig nur durch Aeusserung von Krankheit in den Gefühlen und Thätigkeiten der den Sinnen des Beobachters und Heilkünstlers zugekehrten Seite des Organisms, durch Krankheits-Symptome zu erkennen und kann sie nicht anders zu erkennen geben.“

Georg Groddeck schreibt 1923 in, „Das Buch vom Es“, über das Es:
„3. Brief
… und das Unbewußte regiert; und nun gar erst bei der Wahl der Erkrankung, bei dem Wunsch, krank zu werden. Das ist lediglich Sache des Es. Denn das unbewußte Es, nicht der bewußte Verstand schafft die Krankheiten. Sie kommen nicht von außen als Feinde, sondern sind zweckmäßige Schöpfungen unseres Mikrokosmos, unseres Es, genauso zweckmäßig wie der Aufbau der Nase und des Auges, die ja auch vom Es geschaffen werden. Oder finden Sie es unmöglich, daß ein Wesen, das aus Samenfaden und Ei einen Menschen mit Menschengehirn und Menschenherz macht, einen Krebs oder eine Lungenentzündung oder eine Gebärmuttersenkung hervorrufen kann?

… Das nur nebenbei zur Erklärung, daß ich nicht etwa annehme, ein Mensch erfinde sich das Leiden aus Bosheit oder Gier. Das ist nicht meine Meinung. Sondern das Es, das Unbewußte zwingt ihm diese Erkrankung auf, gegen dessen bewußten Willen, weil das Es gierig ist, boshaft ist und sein Recht verlangt. Erinnern Sie mich doch gelegentlich daran, daß ich Ihnen etwas darüber sage, wie sich das Es sein Recht auf Genuß verschafft, im Guten wie im Bösen.

… Nein, meine Meinung von der Macht des Unbewußten und der Ohnmacht des bewußten Willens ist so groß, daß ich sogar die simulierten Erkrankungen für Äußerungen des Unbewußten halte, daß mir das bewußte Sich-krank-Stellen eine Maske ist, hinter der sich weite und unübersichtliche Gebiete der dunklen Lebensgeheimnisse verbergen. In diesem Sinne ist es für den Arzt gleichgültig, ob er belogen wird oder die Wahrheit hört, wenn er nur ruhig und sachlich die Aussage des Kranken, seiner Zunge sowohl, wie seiner Gebärde, wie seiner Symptome prüft und daran herumarbeitet, schlecht und recht, wie er es vermag.

… Was für ein mühseliges Geschäft ist es, über das Es zu reden. Man schlägt irgendeine Saite an, und statt eines einzigen Tons erklingen viele, tönen durcheinander und verstummen wieder oder lassen neue aufwachen, immer neue, bis ein wüstes Brausen und Heulen entsteht, in dem das Gestammel des Sprechens untergeht. Glauben Sie mir, über das Unbewußte läßt sich nicht sprechen, nur stammeln oder besser nur leise dieses oder jenes andeuten, damit die Höllenbrut der unbewußten Welt nicht aus den Tiefen mit wüsten Mißklängen hervorbricht.

6. Brief
… Ich schrieb Ihnen früher einmal, daß es schwer sei, über das Es zu sprechen. Ihm gegenüber werden alle Wörter und Begriffe schwankend, weil es seiner Natur nach in jede Bezeichnung, ja in jede Handlung eine ganze Reihe von Symbolen hineinlegt und aus anderen Gebieten Ideen daran heftet, assoziiert, so daß etwas, was für den Verstand einfach aussieht, für das Es sehr kompliziert ist. Für das Es existieren in sich abgegrenzte Begriffe nicht, es arbeitet mit Begriffsgebieten, mit Komplexen, die auf dem Wege des Symbolisierungs- und Assoziationszwanges entstehen. …“

Nun, wieder fast 90 Jahre später, gibt es einen neuen Anlauf: jetzt von Andreas Winter, nach Dynamis und ES jetzt modern: Informationsmanagement. Ich bin neugierig, ob hier mehr Menschen mitgehen mögen.

Etwa zeitgleich zu Groddeck schrieb Viktor von Weizsäcker 1926 „Es ist eine erstaunliche, aber nicht zu leugnende Tatsache, daß die gegenwärtige Medizin eine eigene Lehre vom kranken Menschen nicht besitzt. Sie lehrt Erscheinungen des Krankseins, Unterscheidung von Ursachen, Folgen, Heilmitteln der Krankheiten, aber sie lehrt nicht den kranken Menschen. Ihr wissenschaftliches Gewissen erlaubt ihr nicht, über ein so ungeheures Geheimnis zu sprechen, und so wäre es unter der Würde oder über der Demut dieses Gewissens, vom kranken Menschen etwas Wissenschaftliches sagen und lehren zu wollen. – Der Arzt am Krankenbett freilich spricht zum, redet vom kranken Menschen. Aber dann ist er ja aus der Sphäre der Wissenschaft in die der ‚Praxis‘ (herauf- oder hinab- ?) gestiegen, und dort ist alles wieder ganz anders. Gerade dieser Übergang ist interessant. Er ist mehr als dies: er ist für den Jünger der Kunst, für den Arzt der Ort der Spannungen, der Notzustände, der Bildungsprobleme, der Ursprung einer spezifischen Kette von Lebens- und Denkbewegungen, die hier zu betrachten sind.“

An solcher Diagnose gegenwärtiger Medizin hat sich wohl bis heute kaum etwas geändert. Der Patient im Krankenhaus ist „der Blinddarm auf Zimmer 421“. Als ‚Kassenpatient‘ wird sein Aufenthalt und die Arbeit an ihm bezahlt nach Fallpauschale; er muss also schnellstens entlassen werden. Ist er ‚Privatpatient‘, kann er ausgebeutet werden für jeden Handschlag. Beide Patienten sollten besser nicht daran denken, dass in Deutschland jedes Jahr 17 000 Menschen nach Behandlungsfehlern sterben. Rund eine Million Menschen sterben nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) jedes Jahr an Fehlern und Pfusch von Ärzten. Falls die Ärzte eine Checkliste der WHO konsequent beachteten, könnten eine halbe Million Todesfälle pro Jahr vermieden werden, betonte WHO-Generaldirektorin Margaret Chan in Genf auf der Weltgesundheitsversammlung (taz v. 25.5.2012). Dabei entsteht der größte Teil der Todesfälle durch Infektionen und Nebenwirkungen von Medikamenten – sagen auch die in Deutschland zuständigen Leute für das Fehlermanagement. Könnte es sein, dass tatsächlich es die menschenunwürdigen Verhältnisse sind, die töten?

Mediziner und Biologen halten ja bis heute fest an dem Uhrmacher-Weltbild aus der Zeit Newtons. Seit über hundert Jahren zeigt uns die Quantenphysik etwas grundlegend anderes. Die selbst unter Physikern verbreitete Meinung ‚Quanten gibt es nur im unendlich Kleinen – bei uns im Makrokosmos gilt das nicht‘, kommt mir vor wie Pfeifen im Walde: mind. 23% der US-Wirtschaft basieren auf Anwendungen der Quantenphysik. Quantenphysik hat diesen Ruf von Esoterik vollkommen zu Unrecht. Man muss also sagen, wenn ein Viertel des Bruttosozialproduktes auf Anwendung dieser Theorie beruht, dann hat es mit Esoterik relativ wenig zu tun. Der Vortrag „Quantentheorie und Bewusstsein” von Prof. Dr. Thomas Görnitz bringt uns Informationen, wie wir uns selber besser verstehen könnten. Aus anderer, leider zZt. nicht erreichbarer Stelle, nehme ich einige Kernsätze, um auf mein Thema ‚Psychosomatik‘ abzuheben.

„… Nebenbei, es ist eines der spannendsten Phänomene im Zusammenhang mit der Quantenphysik, dass eine große Reihe der bedeutendsten Beiträge zur Quantentheorie von Physikern geleistet wurden, die im Grunde ihres Herzens, diese Theorie hassen oder verabscheuen. Vorurteil ist, dass die klassische Physik genau ist, und die Quantentheorie was mit Unschärfe zu tun hat. Quantentheorie — und das ist wesentlich — ist die genaueste und die beste Theorie, die wir haben. Und das ist auch der Grund, warum die Mediziner und Biologen Probleme haben, die Quantentheorie anzuwenden. Quantentheorie brauchen sie erst, wenn sie sehr genau werden. Die Physik hat dazu ein paar hundert Jahre gebraucht, und die Medizin und Biologie ist in der Regel noch nicht so weit, so genau arbeiten zu können, als das man merkt, dass man Quantentheorie braucht. Quantentheorie ist also das, was man braucht, wenn es sehr genau wird. Solange, wie man fünf Grade sein lässt, ist die klassische Physik hervorragend.

Die klassische Physik beruht darauf, dass es möglich ist, die interessierten Größen klein zu machen oder für beliebig kurze Zeiten zu erfassen. Und das hat natürlich Folgen. Die klassische Physik beschreibt die Welt als eine Ansammlung von Objekten, und wenn hier im Prinzip alles festliegt, dann können wir Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft als Fakten behandeln. Das heißt, wenn nichts wirklich zufällig passieren kann, dann ist alles vollkommen determiniert, und wir haben also eine Sicht auf die Welt, also eine Welt von Fakten und Objekten. Wenn ich das Wasser trinke, dann bringe ich Sauerstoff und Wasserstoffatome in den Körper.

Die Quantentheorie zeigt uns: es gibt nicht den allergeringsten Unterschied zwischen dem einen Wasserstoffatom und einem anderen. Das heißt, die Idee, die Atome würden ausgetauscht, ist vollkommen leer. Jetzt kommt die Quantenphysik und sagt, die Zerlegung der Welt in Teile, die nicht miteinander zu tun haben, ist armselig. Das Ganze ist mehr als die Summe der Teile. Die Quantentheorie hat, wenn man sie veranschaulichen will, eher eine Struktur von einer Beziehung. Beziehungen haben eine multiplikative Struktur, d.h. hier sehen Sie sofort einiges. Da kann ich jede Menge ablesen. Beziehungen sind mehrdeutig.

Klassische Theorie ist eine Theorie über Fakten, und Quantentheorie ist eine Theorie über Möglichkeiten. Fakten entstehen erst, wenn Möglichkeiten zerschnitten werden. Das bedeutet, in der Quantentheorie ist es unmöglich, ein Einzelobjekt, seinen Zustand objektiv kennenzulernen. Das ist ganz wichtig, weil in den Wissenschaften fast überall und immer noch dieses Objektivitätsideal der klassischen Physik im Gange ist. Die Quantentheorie sagt, wenn ich eine Ganzheit zerlege, dann verliere ich etwas in einem Zusammenhang. Das ist natürlich bei einem Frosch so, wenn Sie den zerlegen, den können Sie nicht wieder zusammensetzen. Also die Messung bedeutet, — und das ist schwierig zu akzeptieren, auch für die Physiker —, Verlust von Informationen. Nämlich Verlust von den Möglichkeiten, die vor dem Faktum da gewesen waren.

Gedanken von Außen können Sie im Gehirn nicht finden. Diese Photonen in der Telekom-Glasfaser können Sie von außen auch überhaupt nicht finden. Beweist gar nicht, dass sie nicht da sind, sondern Sie können sie nur nicht finden. Daraus, dass Sie was nicht finden, können Sie nicht schließen, dass es nicht existiert. Und das ist mir wichtig, weil die ganzen Gehirnforscher noch keine Gedanken messen können. Sie können eventuell Vorformen von Gedanken oder Emotionen messen. Sie können feststellen, dass einer rechnet, aber nicht was.

Görnitz zeigt, dass eine Verallgemeinerung des Informationsbegriffes möglich wird, der so abstrakt und so allgemein ist, dass man sagen kann: Masse und Information ist genauso äquivalent, wie Energie und Information. Das ist natürlich ein wichtiger Punkt, um das Leib-Seele-Problem in Angriff nehmen zu können. Das würde nämlich bedeuten, dass die Information unserer Gedanken genauso real ist wie die Elementarteilchen in den Molekülen unserer Zellen. Das ist derselbe Grad von Realität — und das macht dann natürlich klar: Information kann auf Information wirken! Das ist evident. Das würde auch vollkommen im Rahmen der Physik ermöglichen, dass Gedanken auf Materie wirken können, weil es im Prinzip alles Eins ist. Das heißt, es ist ganz wichtig, dass wir hier keine im tiefsten Grund dualistische Weltsicht haben. Obwohl der Dualismus unvermeidlich ist. Wir brauchen ihn, wenn wir überhaupt miteinander reden wollen.

Das ist das Übliche, dass man meint, Information hat was mit Bedeutung zu tun. Shannon hat uns als erster gezeigt, man kann von Bedeutung absehen. Shannonsche Information ist bedeutungslos. Da ist vollkommenes Kauderwelsch von Zeichen genauso bedeutsam, wie ein beliebiger Brief. Da ist nur die Menge der Buchstaben das Maß für die Information.

Die Bedeutung ist etwas, — das ist sehr wichtig, dass man sich das klarmacht —, was der Empfänger von Information hinzufügt. Bedeutung kommt nicht, sondern wird erzeugt. Bedeutung ist etwas, was nur und erst bei Lebewesen entstehen kann. Ein Lebewesen ist etwas, was sterben kann. Die Möglichkeit, dass einlaufende Information die Existenz eines Lebewesen beenden kann, zwingt es dazu, diese Information zu bewerten. Leben bedeutet lernen, bedeutet aus alten Situationen etwas machen zu können, sich besser verhalten zu können. Genau dieses geschieht in Lebewesen. Das machen schon Einzeller. Information ist etwas, was vom Wesen her reflexiv gedacht werden darf. Information über Information ist das Natürlichste, was es gibt. Codierung ist das Wesentliche. Jede Information, die ich Ihnen gebe, verwandeln Sie. Es ist etwas, das auf Bewusstsein oder reflektiertes Bewusstsein hinzielt. …“

Und damit bin ich wieder beim Anfang: „Die somato-psycho-soziale Bindung der Menschen“. Die ganze Wahrheit ist unwissbar, und, ich treffe ununterbrochen Entscheidungen über meine Wahrheit. Die Bewusstheit meiner Wahl bedingt Kritikfähigkeit, die aus der Liebe zu mir selbst und nicht aus uneingestandener Angst vor dem Unbekannten kommt. Wenn ich den Teilchen-Welle-Dualismus meiner materiellen Existenz als Redeweise ganz akzeptiere, dann verlieren Selbstbestimmung, Selbstverantwortung, Selbstliebe ihren hypothetischen, ‚philosophischen‘ Charakter und werden handgreiflich und lebbar in der Buntheit und Vielfalt des Alltags. Dann gilt „Nichts Organisches hat keinen Sinn, nichts Psychisches hat keinen Leib“. Wenn wir den Kranken nicht schematisch ausfragen, sondern aushören: ihm ein Ohr bieten, das schweigend aufzunehmen versteht, werden wir sehen, wie rasch und leicht er uns die wichtigsten Verhältnisse seines Lebens, seiner Nöte, seines Werdeganges erzählt. Wir werden alsbald die Krankheit als ein wichtiges Teilstück seinem äußeren und inneren Leben eingefügt sehen – vor allem: der Kranke wird es sehen und darum neue Entscheidungen für sein Leben treffen. In dem Augenblick, in dem man in den Möglichkeiten der Beziehung zum anderen mit sich selbst in Berührung kommt, beginnt das Wachstum, beginnt die Integration. Transzendiert kehrt der oder die „Betroffene“ als Mensch in sein Umfeld zurück.

Leben ist im Grunde immer gesund. Ich lebe in der festen Überzeugung, dass es nur und immer nur „psychosomatische“ Krankheiten gibt, wenn es überhaupt „Krankheiten“ gibt. Doch solange wir von Dynamis, Es, innerem Informationmanagement, von der Äquivalenz von Masse und Information zu Energie und Information noch so wenig wissen wollen, uns so wenig einlassen mögen auf die Beziehungen zwischen Möglichkeiten, denen jedes ICH seine Bedeutungen zumisst, wo ich allem meine Bedeutung = Meinung zumessen will und damit die Möglichkeiten in die sagbare Sphäre der manipulierbaren Objekte unserer dualen Welt herüber ziehen will, so lange vertraue ich im Notfall mich gern dem echten „Schul-Mediziner“ an und erwäge seine Vorschläge zu Diagnose und Therapie – ein entzündeter Blinddarm wird dann weggeschnitten! Für Lucadous Magie der Pseudomaschine nehme ich mir Zeit, wenn ich glaube sie zu haben.

Trotzdem, was ist mit den inneren Zwängen, wie Vererbung, Erziehung, Krankheit? Und erst die äußeren Zwänge, wie Kapitalismus, Folter, Vulkanausbruch? Ist das Natur? Sind das SEPs (selbsterfüllende Prophezeiungen)? Kann ich wirklich beweisen, daß ich ahnungslos und unbeteiligt ‚da hinein geraten‘ bin, und, wenn ich ‚drin stecke‘, zum Leben oder zum Sterben mich entscheide? Nichts davon kann ich wirklich beweisen. Beweisen kann ich nur, daß ich zu allem und jedem im Kopf meine Bilder, Bedeutungen, Meinungen habe und drum herum meine entsprechenden Geschichten erzähle. Beweisen kann ich nur, daß ich zu jeder Geschichte Gleichgesinnte finden kann – und Uneinsichtige, solche, die mir das Gegenteil einreden wollen. Die Uneinsichtigen verurteile ich und fühle mich dann noch schlechter.

Am Ende dieses leibhaftigen Lebens in dieser alltäglichen Wirklichkeit steht der Übergang in die nichtalltägliche Wirklichkeit. Das nennen wir Tod und den Übergang Sterben. Warum fürchten sich so viele Menschen davor, obwohl sie sich dem doch planvoll daraufzuhandeln? Warum verdrängen das so viele? Da wartet Unglaubliches an Buntheit und Vielfalt auf uns!

Erinnern – vergessen

Neulich habe ich die Seite http://ptbs-eisblume.de gefunden. Eisblume ist eine Selbsthilfegruppe für Angehörige von an PTBS (Posttraumatische Belastungsstörung) erkrankten Soldatinnen und Soldaten. PTBS kann das Trauma nicht vergessen; ein Geruch, ein Geräusch und aller Schrecken ist wieder da. Die Erinnerung frisst den Alltag; die sozialen Beziehungen, Familie, Beruf zerbrechen. Es scheint für die/den Betroffene/n schwer zu sein zu erkennen, das er/sie Probleme hat und dass diese auf bestimmten persönlichen Erlebnissen basieren. Und es scheint für die Angehörigen/Beteiligten noch schwerer zu sein, sich nicht in den Strudel des/der Betroffenen mit hineinziehen zu lassen. PTBS und seine Folgen sind in der Gesellschaft weitgehend unbekannt und das Krankheitsbild widerspricht unserer Vorstellung vom gut-funktionieren und allzeit-fit-sein.

Es ist noch nicht so lange her, da haben die Psychiater gesagt, „tut uns leid, wir können diesen Zusammenhang zwischen Krieg und psychischen Auffälligkeiten nicht herstellen“. Es ist frappierend, dass trotz der Erfahrung von zwei Weltkriegen die psychiatrische Lehrmeinung über eine grenzenlose seelische Belastbarkeit des Menschen nicht erschüttert wurde. Diese Betrachtungsweise findet sich in ganz Europa. Offenbar liegt aber in Deutschland noch immer ein besonders dickes Tabu darüber, speziell unser deutsches Opfer-Tabu, dies zu erkennen, auch bei dem alltäglichen, würdelosen Umgang, inzwischen weitgehend öffentlich und gesetzlich verbrieft, mit allen Abhängigen, wie z.B. Arbeitslosen, Angewiesenen auf Sozialhilfe, Asylanten, Kranken, Behinderten, Pflegebedürftigen, Kindern und Alten. Und genauso dies zu erkennen an den Arbeitsbedingungen von und dem Umgang mit den Menschen, die berufsmäßig mit Abhängigen zu tun haben, wie z.B. Krankenschwestern, Altenpflegern, Lehrern, Arzthelferinnen, Sozialarbeitern. (Vgl. „Selbsterkenntnis und Eigensinn„). Wir Deutschen sind eben wohl überwiegend Kriegskinder und Kinder bzw. Enkel von Kriegskindern, groß geworden im Schatten der Traumen, also der Ängste und Kontrollfantasien daraus von unseren Eltern, Großeltern und Urgroßeltern.

„Wer wir sind, hat mit Erinnern zu tun“ ist die Überschrift eines großen Artikels zu Demenz in der taz (25.2.2012 Sonntaz Nr. 9737, Wissenschaft, 250 Zeilen, WALTRAUD SCHWAB S. 22). Es antwortet Gabriele Kreutzner, stellvertretende Vorsitzende des bundesweiten Vereins Aktion Demenz (www.aktion-demenz.de). Sie sagte u.a.:
„… Vergessen und Erinnern sind sehr zentral für unsere Identität. Mit Vergessen und Erinnern gestalten wir unser Bild von uns selbst. Wer wir sind, hat mit Erinnern zu tun. Wenn das Erinnern aber plötzlich auf eine Art brüchig wird, die wir nicht mehr kontrollieren können, dann wird unsere Identität infrage gestellt. Wer sind wir, wenn wir nicht mehr wissen, wer wir waren? [Früher] galten die Prämissen der biomedizinischen Forschung, die an Zellvorgängen ansetzt. Vor zehn Jahren etwa kamen neue Denkrichtungen aus der Psychologie und der Pflege dazu. Der relationale Subjektansatz – soll heißen: Du bist nicht etwas und bist das für immer, sondern es ist ein stetiges Werden, und es findet im Austausch mit der Umwelt statt. [In Bezug auf Demenz heißt das,] dass man zuerst die Person sieht, nicht die Krankheit, weil die Person eben nicht mit der Krankheit verschwindet. Ja. Christian Zimmermann, ein Autor mit Alzheimer, der in einer Selbsthilfegruppe in München aktiv ist, hat gesagt: Du musst beides überwinden – die Angst und die Hoffnung. Gemeint ist die Hoffnung auf Heilung. Demenz ist in erster Linie eine soziales Schicksal und eine soziale wie kulturelle Herausforderung. Deshalb ist es so fatal, wenn man bei Demenz nur dem medizinischen Diskurs folgt. Das verhindert, dass wir gucken, wie wir als Gesellschaft damit umgehen. Wir werden vermutlich immer mehr Menschen haben, die mit einer Demenz leben. Deshalb müssen wir unsere Ängste anschauen und fragen: Warum haben wir die, und was verhindern die? Je mehr wir aber merken, dass wir so wenig im Griff haben, desto größer wird bei denen, die auf diese Kontrollfantasien bauen, die Angst. …“

Zuerst, zuerst und nur die Person zu sehen mit ihren Symptomen, nicht aber abzuheben auf die Krankheit, verbindet zwei in ihrer Zeit große und erfolgreiche Ärzte. Samuel Hahnemann veröffentlichte 1833 „Organon der Heilkunst“. Er schreibt: „§. 15. Das Leiden der krankhaft verstimmten, geistartigen, unsern Körper belebenden Dynamis (Lebenskraft) im unsichtbaren Innern und der Inbegriff der von ihr im Organism veranstalteten, äusserlich wahrnehmbaren, das vorhandne Uebel darstellenden Symptome sind nämlich ein Ganzes, Eins und Dasselbe. Wohl ist der Organism materielles Werkzeug zum Leben, aber ohne Belebtheit von der instinktartig fühlenden und ordnenden Lebenskraft (so wie Lebenskraft ohne Organism) nicht denkbar, folglich machen beide eine Einheit aus, obgleich unser Verstand im Gedanken diese Einheit in zwei Begriffe spaltet, der Bequemlichkeit im Begreifen wegen.“ (Samuel Hahnemann; Organon der Heilkunst. 5.Aufl., 1833)

Neunzig Jahre später schreibt Groddeck über das Es: Ich bin der Ansicht, daß der Mensch vom Unbekannten belebt wird. In ihm ist ein Es, irgendein Wunderbares, das alles, was er tut und was mit ihm geschieht, regelt. Der Satz: »Ich lebe« ist nur bedingt richtig, er drückt ein kleines Teilphänomen von der Grundwahrheit aus: »Der Mensch wird vom Es gelebt.« Georg Groddeck; Das Buch vom Es, 1923, 2. Brief>

Nun, wieder fast 90 Jahre später, gibt es einen neuen Anlauf von Andreas WinterHeilen durch Erkenntnis„, nach Dynamis und ES jetzt modern: Informationsmanagement. Von a wie Allergien über m wie Morbus Crohn bis z wie Zöliakie kann sich das Symptom auflösen in einer Sitzung, rückstandsfrei. Und selbst wenn nur ein Bruchteil vom Geschriebenen stimmt – und ich mach ja seit Jahren ähnliches und glaube deshalb, dass es stimmt – dann haben wir hier ein großartiges Werkzeug!

Lebenskraft, Es, wir heute würden wohl Seele oder Selbst dazu sagen – wenn wir überhaupt aus dem materialistischen und biologistischen Mainstream heraus treten mögen -, jetzt Informationmanagement. Ken Wilber, Autor im Bereich der Integralen Theorie und Systematiker von Psychologie, Philosophie, Mystik und Spirituelle Evolution, untersuchte Wege zum Selbst. (Ken Wilber; Wege zum Selbst; (1979) 2. Aufl. 2008, Goldmann Arkana, aus Vorwort, S. 7ff.) Er zeigt, wie wir uns ständig uns selber, anderen und der Welt entfremden, indem wir unser gegenwärtiges Erleben in verschiedene Teile zerlegen, die durch Grenzen getrennt sind. Wir spalten unser Gewahrsein künstlich in Abteilungen auf. Subjekt/ Objekt, Leben/ Tod, Leib/ Seele, Inneres/ Äußeres, Verstand/ Gefühl – eine Trennungsregelung, die zur Folge hat, dass ein Erleben das andere einschneidend stört und das Leben sich selbst bekämpft. Das Ergebnis ist einfach Unglücklichsein. Aber all diese Kämpfe, die wir erleben – unsere Konflikte, Ängste, Leiden und Verzweiflungen -, werden durch die Grenzen verursacht, die wir in unserem Irrtum um unser Erleben ziehen. Wilber kann zeigen, dass jede Grenze, die wir in unserem Erleben errichten, zu einer Einschränkung unseres Bewusstseins führt – zu einer Zerstückelung, einem Konflikt, einem Kampf. In unserem Erleben gibt es viele solcher Beschränkungen und Grenzen, die zusammen ein Spektrum des Bewusstseins bilden. Wir können in seinem Buch sehen, wie sich verschiedene Therapieformen verschiedenen Ebenen dieses Spektrums genähert haben. Jede Art der Therapie versucht, eine bestimmte Grenze oder einen bestimmten Knoten im Bewusstsein aufzulösen. Durch den Vergleich verschiedener Arten von Therapie offenbaren sich uns die verschiedenen Arten von Grenzen, die im Gewahrsein entstehen. Wir fangen auch an zu erkennen, wie wir all diese Hindernisse beseitigen und über sie hinauswachsen können.

Ich finde es immer wieder unglaublich, wieviele Möglichkeiten zum Leiden wir Menschen uns erschaffen, wieviele Fallen, vorallem aber, dass es immer wieder Menschen gibt, die Wege aus dem Leid neu erfinden. Wer will denn wirklich raus aus der Falle? Wilhelm Reich, in „Christusmord“, war da sehr skeptisch.

Nachtrag 4.6.12

In der taz-Nord, im Montagsinterview, fand ich heute eine Bemerkung zur Demenz von Sophie Rosentreter. Sie dreht unter anderem Filme für Demenzkranke und hält Vorträge für Angehörige und Betreuer von demenzkranken Menschen. Ihre Sicht ergänzt schön das Vorige
Die taz fragte:
„… Nach dem Tod Ihrer Großmutter hätten Sie ja auch Abstand gewinnen wollen, stattdessen haben Sie begonnen, Filme für Demenzkranke zu drehen und Ihr ganzes Berufsleben diesem Thema zu widmen. Warum?
Warum nicht?
Weil man lieber ausblendet, dass man alt wird und vielleicht dement?
Ja, aber warum?
Weil das Angst macht!
Aber es macht doch nur Angst, weil wir uns damit nicht beschäftigen. Das ist wie mit dem Thema Tod. Die große Angst ist, den Tod einzuladen, wenn man zum Beispiel über Patientenverfügungen spricht. Oder dement zu werden, wenn man über die Krankheit spricht. Ich verliere aber langsam die Angst davor, dement zu werden. Natürlich würde ich weinen, wenn ich die Diagnose bekomme, aber es ist nicht mehr so grauenvoll, weil ich mich jetzt schon damit auseinandersetze.
Die Krankheit nimmt uns das, was uns ausmacht: die Erinnerung. Wie kann man damit seinen Frieden machen?
Man kann sich auch mit der Krankheit noch entwickeln. Die Menschen driften vielleicht immer mehr in ihre Welt, aber sie sind ja noch da. Und ich finde den Begriff Demenz auch total bescheuert, denn er bedeutet „ohne Geist“ oder „weg vom Geist“. Aber wenn die Demenzkranken etwas sind, dann sind sie Geist und Seele, denn sie kommen ja ganz zu sich und sind kaum noch dabei, zu denken oder sich zu strukturieren. …“

Da spricht mir Sophie Rosentreter aus der Seele! Nicht mehr zu denken oder sich zu strukturieren – Menschen auf dem spirituellen Trip trainieren das, oft erfolglos, über Jahrzehnte.